Normannen

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Normannen

„Mein lieber fitzGerald", sagte Dr. Boggenbroom unter dem lauten Gelächter der Herren, „mein lieber fitzGerald, ich würde Ihnen ja gerne glauben, aber über einen Zeitraum von 1800 Jahren..."

fitzGerald warf die Arme hoch.

„Boggenbroom, Sie sind genauso borniert wie die Anderen, seien sie mir nicht böse. Ein Stammbaum über 1800 Jahre ist doch nichts Besonderes."

„Ich finde aber schon", grinste Boggenbroom, vor 1800 Jahren gab es zum Beispiel bestimmt noch keine Boggenbrooms, würde ich nie wagen zu behaupten, das es welche gegeben habe, und Sie..."

„So etwas zu behaupten wäre ja wohl auch reine Blasphemie", antwortete fitzGerald giftig, „um diese Zeit lebten Ihre vorfahren noch auf Bäumen."

Dr. Boggenbroom machte ein saures Gesicht und Äpfelbauer schlug ihm gönnerhaft auf die Schulter. Man hob das Glas und stieß erneut an.

„Auf die Vorfahren des Dr. Boggenbroom", rief Äpfelbauer in das allgemeine Gläserklirren, „darauf, dass sie seitdem von den Bäumen heruntergeklettert sind."

„Schon gut", knurrte Boggenbroom, „nur keine Verrenkungen, mein lieber Äpfelbauer. fitzGerald, um es noch einmal zu wiederholen, mir ist Ihre Vorfahrengeschichte zu phantastisch. Bloß, weil in einem Ihrer komischen Bücher über das frühmittelalterliche England ein fitzGerald, Graf von wasweißich war, diesen gleich in die Ahnengalerie zu stellen, scheint mir doch zu gewagt."

„Ich habe ihn nicht gleich in die Ahnengalerie gestellt", erwiderte fitzGerald gekränkt, „ich habe doch gesagt, es war eine alte Familienüberlieferung, dass meine Vorfahren von den Normannen abstammen."

Äpfelbauer betrachtete nachdenklich die kleine, schale Gestalt des Apothekers mit seinen schmalen, feingliedrigen Händen und den traurigen Augen hinter den Brillengläsern.

„Wie ein Normanne sehen Sie aber nicht aus", sagte er langsam.

„Er ist degeneriert", sagte Boggenbroom boshaft, „wenn Sie Ihre Vorfahre so sehen würde..."

„Sie werden es nicht glauben", giftete fitzGerald zurück, aber manchmal verspüre ich den heftigen Wunsch, er wäre anwesend, um mich gegen gewisse Herren hier in Schutz zu nehmen."

„Haben Sie gehört, meine Herren?" rief Dr. Boggenbroom in die Runde, „nicht genug, dass Herr fitzGerald uns einen normannischen Grafen als seinen Vorfahren aufschwatzen will, wo wir doch genug über seine Vergangenheit aus dem Schwarzwald wissen, nein, er will ihn auch noch herholen, um uns zu drohen."

Dr. Boggenbroom lehnte sich beleidigt in seinem Stuhl zurück.

„Was sagen Sie dazu, Äpfelbauer? Ich will nur bemerken, meine Vorfahren waren ehrbare Bäcker, keine Raubritter aus Poitou."

Äpfelbauer schien Ähnliches zu empfinden und nickte mit beifälliger Miene. In der Runde machte sich neue Heiterkeit breit und der Wirt kam, um die Gläser nachzuschenken.

„Machen Sie nur voll, Eberhard", rief ihm Boggenbroom zu, „ein Normanne im ‚Tyggenburger Weinfass', das ist ein Ereignis, das gefeiert werden muss."

fitzGerald seufzte.

Sie sind unmöglich, Boggenbroom, und Sie bringen alles durcheinander. Das machen Sie absichtlich, um mich zu ärgern."

„Ach Du lieber Himmel", sagte Boggenbroom, „nun werden Sie nicht gleich sentimental, fitzGerald, aber Ihr Normannenopa, das war nun mal ein starkes Stück!"

fitzGerald bestand nicht weiter auf seinem Vorfahren und das Gespräch schweifte ab.

Es waren unruhige Zeiten in Tyggenburg und den Herren am runden Tisch ging der Gesprächsstoff nicht aus, Eberhard musste oft nachschenken und die Schatten der Nacht in den Tyggenburger Straßen wurden länger, ohne dass einer der Runde Anstalten machte, aufzubrechen.

Tyggenburg - Geschichten aus AnderswoМесто, где живут истории. Откройте их для себя