Einladung nach Tyggenburg

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Wir sitzen am Frühstückstisch Es ist ein normaler Mittwoch morgen, deswegen essen wir nicht viel. Christine löffelt ihr Müsli. ich begnüge mich ein wenig Obst, dazu Kaffee. Zehn vor Acht, wir brechen bald in unsere Jobs auf, jeder in seine Richtung. Ich sehe auf mein Handy und lege es dann auf den Tisch. Schiebe es betont von mir etwas weiter weg. Christine blickt mich an. Sie mißbilligt es, wenn ich mobil unterwegs bin, während wir frühstücken.

„Wir könnten mal wieder eine Städtereise machen", sage ich. „So ein verlängertes Wochenende".

Christine stochert in ihren Müsli-Resten. Sie zuckt mit den Schultern.

„Habe hier gerade auf so einer Reisesite etwas gesehen – Tyggenburg, kennst Du das?"

Christine hebt noch einmal ihre durchaus entzückenden Schultern. Ganz leicht zuerst die linke und dann die rechte Seite. „Wo soll das ein?"

Gute Frage. „Im Thüringischen oder im Harz – jedenfalls in Mitteldeutschland."

Ich bin mir aber nicht sicher. Nicht ohne prüfenden Blick zu Christine, angele ich nach meinem Smartphone. Wie sich nach einer kurzen Recherche im Netz herausstellt, ist Tyggenburg doch woanders. Aber in jedem Fall erreichbar. „Sieht ganz nett aus," finde ich.

Christine blickt kurz auf ihre Armbanduhr, wedelt mit der Hand. Ich reiche ihr mein Handy über den Tisch. Sie wirft einen Blick auf den Bildschirm.

„Na ja. So ein Mittelalterstädtchen. Stadtmauer, alte Kirche, verwinkelte Innenstadt." Sie verzieht das Gesicht. „Hatten wir das nicht schon ein Dutzend mal: Heidelberg, Urach und diese Theater-Stadt in Thüringen? Meinigen oder so? Fandest Du das nicht todlangweilig? Passiert nix, hast Du damals gesagt."

Stimmt. Habe ich gesagt.

„Sie schreiben hier, Tyggenburg sei anders als anderswo."

Christine erhebt sich, um nach ihrer Handtasche zu greifen. Sie muss los.

„Das sagen Sie alle."

Zur Zeit ist es anstrengend im Job. Etliche Probleme gilt es zu wälzen und mögliche Entscheidungen vorwegzunehmen. Das beschäftigt. Ich schlafe nachts erst spät ein. Und auch nur, als Hunderte Schafe längst den Zaun übersprungen haben. Christine neben mir atmet leise und lässt ein leichtes Schnarchen erkennen. Ich hüte mich, ihr das zu sagen.

Im Traum sitze ich im Schneidersitz auf einer Waldlichtung und starre in kleines Holzfeuer, von dem ich mir sicher bin, dass ich es nicht entfacht habe. War wohl eher mein Gegenüber, der gerade beide Hände wärmend an die Flammen hält. Er ist ein Zwerg, ganz in Dunkelgrün. Seine Beine stecken in Haferlschuhen. Er hebt das Gesicht und zwei blaue Augen starren mich an. Das rundliche Gesicht, nahezu vollständig von einem graumelierten Bart bedeckt, verzieht sich zu einem Lächeln.

„Dank für Ihr Interesse auf unserer Website."

Ich bin verwirrt. „Welche Website?"

Der Zwerg macht eine kleine ungeduldige Handbewegung. „Na gestern morgen. Tyggenburg. Sie erinnern sich?"

Tatsächlich fällt mir das Mittelalterstädtchen, das dann doch nicht im Harz lag, wieder ein. Ich werde mißtrauisch „Woher...? Greifen Sie etwa Daten ab? Ich habe nirgendwo zugestimmt."

Der Zwerg wackelt mit dem Kopf. „Stimmt nicht ganz. Die Cookies haben Sie erlaubt..."

Als ich einwenden will, hebt er die Hand. „Nicht doch. Glauben Sie mir, einen Datenklau haben wir nicht nötig." Er nimmt einen Stock und schürt in dem Feuer, so dass die Funken in den Nachthimmel fliegen.

Tyggenburg - Geschichten aus AnderswoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt