Spuk

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Als Graf Schauinsland seine Augen zu rollen begann und seine ohnehin viel zu breiten Lippen sich zusätzlich in die Breite verzogen, verstand Ansgar endlich: Es spukte in seinem Haus.

„Aaaah", stöhnte Graf Schauinslandschauerlich. Ein Ächzen entrang sich seinen Lippen, die mittlerweile die Form eines Quadrates angenommen hatten. Eine purpurne Zunge in Form einen Schlangeskopfes kroch zwischen schwarzen Zähnen hervor und bewegte langsam aus Ansgar zu.

Als Graf Schauinsland, obschon nur ein Gemälde, dann noch blank zog und Anstalten machte, aus seinem Bilderahmen zu stiegen, wurde es Ansgar zu bunt. Hastig stand er von seinem Korbstuhl auf, schleuderte ihn gegen den geisterhaften Nackten über dem Kaminssims. Dann rannte er aus dem Zimmer und schlug die Tür zu. Ein irres Gekicher begleiteten seinen Rückzug. Erschreckend nah. Ansgar vermied einen Rückblick.

Da dem Vorfall eine unbequeme Nacht in der Badewanne folgte, war Ansgar am Morgen nicht die beste Laune. Zumal Mathilde, seine Ehefrau, zu wissen begehrte, warum er nicht, wie sonst üblich, in das eheliche Schlafzimmer zurückgekehrt war. Mehr noch, warum er sich im Badezimmer eingeschlossen habe.

Ansgar erzählte von dem Vorfall und Mathildes durchdringende blaue Augen, wurden womöglich noch ein wenig durchdringender. „Du hast zuviel getrunken," urteilte sie voller Abscheu. Ansgar wurde puterrot. Es entspann sich ein längerer Disput über Wahrnehmungsfragen, der darin gipfelte, dass Ansgar in whendem Morgenmantel und Schlappen die Gattin ins Wohnzimmer schleifte, um sie vor Ort zu überzeugen.

Dort hatte sich nicht viel verändert, sah man von dem Korbsessel ab, der den unschuldig blickenden Grafen Schauinsland samt Bilderrahmen von der Wand über den Kaminsims hinunter auf den Parkettboden befördert hatte. Dem Grafen selbst war der Fall nicht schlecht bekommen. Ungerührt fixierte er den Betrachter zuammengekniffenen Auges, die Pfeife in der Hand und die Hose an ihrem Platz. Nur der Rahmen hatte Kratzer abbekommen.

Mathilde blickte erst auf die Bescherung, dann auf die halbgeleerte Whiskyflasche auf dem Tisch. Ihr Mund formte sich umgehend zu einem schmalen Strich.

„Säufer".

Damit war das Thema ersteinmal erledigt. Ansgar begab sich in sein Büro und begann an sich zu zweifeln. Vielleicht hatte er sich ja wirklich getäuscht. Ein Wachtraum? Das sollte es ja geben. Ansgar, studierter Elektroingenieur und mit beiden Beinen fest auf der Erde, dazu selten zum Selbszweifel geneigt, begann sich auf seinen Arbeit zu konzentrieren.

Abends begab sich er sich frühzeitkig in das eheliche Schlafzimmer und umrundete die Whiskyflasche weiträumig. Seine Gattin nahm die plötzliche Zuwendung mit einem erfreuten Lächeln zur Kenntnis und Ansgar schlief erschöpft, aber ohne weitere Vorfälle ein.

Bis ihn ein leises Geräuscsh weckte. Ein Zischen, nicht unähnlich dem Öffenen eines Gashahns kam von der Tür. Ansgar sah auf die Leuchtziffern auf seiner Uhr. Mitternacht, war ja klar. Er erhob sich. Mathilde schlief weiter ruhig. Leise kletterte Ansgar aus dem Bett und tappte langsam Richtung Tür.

Fast hätte er die Türklinke berührt, doch seine Hand zuckte gerade noch zurück. Die Türklinke hatte sich in eine Kobra verwandelt, ein grüngelber Schlangenkopf starte ihn böse an und sperrte leise zischend den Rachen auf. Ansgar erkannte zwei gewaltige Giftzähne, von denen das Gift tropfte. Die Schlange wurde größer, der Hals schwoll an, bewegt sich in sanftem Rhythmus, bereit zum Zustossen. Ansgar stiess einen Schrei aus und sprang zurück.

Dann ging das Licht an.

Mathilde hatte sich im bett aufgerichtet. Die Hand am Lichtschalter. Ansgar stnd bewegungslos, beide Hände zur Abwehr erhoben. „Ansgar?"

Tyggenburg - Geschichten aus AnderswoWhere stories live. Discover now