Kapitel 15

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Aemond saß stillschweigend vor dem knisternden Kaminfeuer in seinem Gemach. Er ließ seinen Körper tief in den Stuhl sinken, während er die wilden Flammen des Feuers beobachtete. Er dachte zurück an den gestrigen Tag, die Vermählung von Aegon und Visenya. Der junge Prinz hatte noch nie Interesse an solch Feierlichkeiten und Gebräuchen gezeigt, aber für seine Mutter und die Pflicht hätte er alles über sich ergehen lassen. Doch seit Daenyra in sein Leben getreten war, wurden selbst die Pflichten für ihn zweitrangig. Es fühlte sich an wie ein Weckruf für sein verborgenes Ich. Als er an den Streit mit seiner Mutter denken musste, verzog er das Gesicht. Sie versteht es nicht, da sie immer alles für die Pflicht unternommen hatte. Aemond war stets dankbar, dass sie seinen Vater geheiratet hatte, denn sonst würde es ihn schließlich nicht geben, aber er wusste, dass dies nicht aus Liebe geschah. Viel zu oft hatte er die Streitereien und Diskussionen seiner Eltern mitbekommen. Liebe wurde ihm nie vorgelebt und dennoch verspürte er sie nun jedes Mal, wenn er Daenyra ansah. Augenblicklich dachte er zurück an den Tanz zwischen Aegon und Visenya und die Spannung, die man deutlich zwischen den beiden spüren konnte. Sein Bruder hatte ihn auch oft schikaniert, aber er liebte ihn trotzdem. Die Beiden waren wie ein unzertrennliches Paar geworden, auch wenn sie so verschieden waren. Es war schön, ihn mit Visenya zu sehen, er wirkte wie ausgewechselt und glücklich. Spüren die anderen auch diese Verbindung zwischen ihm und Daenyra?

Ein Klopfen riss Aemond aus seinen Gedanken und bevor er -Herein- sagen konnte, wurde die Tür aufgerissen und mit lauten Schritten eilten Aegon und Visenya in sein Zimmer. Verwirrt schaute er das Paar an, welches um Luft rang. "Kommt doch gerne herein", schmunzelte Aemond leicht böse und stand auf, während er seine Arme provokativ öffnete. "Die Königin will, dass Rhaenyra ihre Tochter zwingt, jemand anderen zu heiraten", platzte Visenya mit direkten Worten heraus und blickte in ein finsteres Gesicht von Aemond. Der junge Prinz ging schnellen Schrittes auf Visenya zu. Er würde ihr nie ein Haar krümmen, doch hatte er solch eine aggressive Ausstrahlung, dass Aegon sich aus Panik zwischen die beiden stellte."Beruhige dich", Aegon legte seine Hände behutsam auf die Schultern seines Bruders, welcher diese jedoch wütend weghaute. "Woher weißt du das?", fauchte er direkt in Richtung von Visenya, die hinter Aegon hervorkam und zu Aemond ging. "Ich habe...ein Gespräch mitbekommen heute Morgen. Zwischen der Königin und Prinzessin Rhaenyra." Aemond gab keine Reaktion, sondern sah Visenya stur weiter an. "Die Königin hat Rhaenyra regelrecht angefleht, dass diese ihrer Tochter einen anderen Mann suchen soll und dafür sorgen soll, dass sich Daenyra von dir fernhält. Daenyra würde sich dir aufdrängen." Als Aemond den letzten Satz hörte, konnte er sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, denn in Wirklichkeit war es doch eher andersherum. Dennoch ließen ihn die Worte, die Visenya sprach, nicht unberührt. Keiner verstand das Band zwischen ihm und Daenyra. Alle würden sich gegen die Vermählung stellen.

Nachdenklich drehte er sich zu Visenya und dann zu Aegon. "Ihr versteht es, oder?" Aegon runzelte die Stirn und stellte sich neben Visenya, direkt vor seinen jüngeren Bruder. "Aemond, ich weiß nicht genau, was alles vorgefallen ist zwischen dir und Daenyra, aber ich spüre, dass euch etwas verbindet. Etwas Starkes." Visenyas Worte klangen sanft und zuversichtlich. Aemond stöhnte leise, während er den Kopf zurück in den Nacken warf und die Decke anstarrte. Gerne hätte er genau diese Worte von seiner Mutter gehört. "Du liebst sie, Bruder, nicht wahr?" fragte Aegon vorsichtig und legte seine linke Hand auf Aemonds rechte Schulter. Aemonds Kopf neigte sich zu seiner rechten Seite und er sah Aegon mit einem Schmerz in seinem Gesicht an. Langsam nickte Aemond zustimmend. Stille erfüllte den Raum, nur das Knistern des brennenden Holzes aus dem Kamin war zu hören. Visenya atmete tief ein, was Aemond zu ihr sehen ließ. "Ich kann dir nicht genau sagen, ob sie das Gleiche empfindet. Sie hatte nie über Jungs oder solche Gefühle gesprochen. Das Einzige, was ihr immer viel bedeutet hatte, waren ihre Visionen. Sie war regelrecht davon besessen." Visenya hoffte, Aemond damit aufzubauen, jedoch als sie ihre eigenen Worte hörte, merkte sie, dass die ganze Situation recht traurig war. Im nächsten Augenblick wirkte Aemond wie ausgewechselt, sein Gesicht hellte sich auf und er legte seine Hände auf Visenyas und Aegons Schultern.

"Ihr müsst mir einen Gefallen tun."

Wenige Stunden später eilte Aemond aufgeregt durch den Roten Bergfried. Draußen dämmerte es schon leicht, was die Gänge mit tiefem Schatten bedeckte. Kurz hielt Aemond in seiner Bewegung inne, als es ihm einfiel. Sofort rannte er los zum Götterhain. Dort stand sie, verträumt wie immer, direkt vor dem großen Wehrholzbaum. Ihr langes blondes Haar wurde vom Wind zur Seite geweht. "Daenyra", seufzte Aemond erleichtert und ging zu ihr. Erschrocken drehte sich die junge Frau um und spürte Aemonds Hände an ihren Wangen. Ihr Herz pochte augenblicklich schneller. "Ich muss dir etwas zeigen", Aemond ergriff ihre Hand und zerrte sie weg vom Götterhain, quer durch viele Gänge. Daenyra überlegte kurz zu fragen, wohin sie gehen, doch eine merkwürdige Vertrautheit ließ sie verstummen. Die kleine Berührung der Hände brachte Daenyra dazu, in ihren Gedanken zu versinken. Sie liebte diesen Mann, das wurde ihr in diesem Moment erneut bewusst und zum ersten Mal gestand sie es sich ein. Als Aemond einen flüchtigen Blick zu seiner rechten Seite warf, um zu schauen, ob es ihr gut geht, verharrten sie kurz auf den Stufen einer dunklen Treppe. Die Mondstrahlen trafen Daenyras grau-blauen Augen und ließen sie noch mehr strahlen. Aemond lächelte nur und zog sie dann weiter. Daenyra entwich ein leises Kichern, während sie sich an der Wand leicht abstützte, um nicht zu stolpern. Der nächste Gang führte zu einem kleinen Steinausgang, durch den Aemond sie vorsichtig führte. Das laute Rauschen des Meeres erklang sofort in Daenyras Ohren und eine kühle Brise kitzelte ihre Nase, während ihr Haar vom Wind aufgewühlt wurde. Eine lange Steintreppe führte zum Strand. Mit jedem weiteren Schritt, den die beiden taten, spürten sie eine gewisse Leichtigkeit und Befreitheit. Aemond ging plötzlich rückwärts vor ihr, parallel zum Meer und sprach: "Alles was ich je zu dir gesagt habe, meinte ich auch mit der gewissen Aufrichtigkeit und dem notwendigen Ernst. Seitdem ich dich das erste Mal im Thronsaal gesehen habe, hast du mich sofort in deinen Bann gezogen. Noch nie zuvor hatte ich so etwas erlebt..." Daenyra schaute ihn verlegen an. "Dir sind Visionen wichtig und ich hatte dir gesagt, dass ich die eine von uns beiden gesehen habe.", fuhr er zuversichtlich fort und wandte sich dann zur Seite, sodass er direkt neben Daenyra stand.

Dann erblickte Daenyra drei Gestalten etwas weiter weg, umringt von vielen Fackeln. Unsicher verlangsamte Daenyra ihre Schritte, während sie versuchte zu erkennen, wer die Menschen waren. Eine Person mit langen blonden Haaren und einem weißen Kleid kam ihr entgegen. Sie erkannte Visenya. Als ihre Freundin vor ihr stand, bemerkte Daenyra ,dass Visenya etwas in ihren Händen hielt. Daenyra blickte vor sich, da Visenya ihr nun weiß-roten Stoff hinhielt. Verwirrt sah sie hoch in die violetten Augen von Visenya. "Ein spezielles Gewand für eine traditionelle valyrische Hochzeit", flüsterte Visenya und lächelte Daenyra an. Daenyra streichelte mit den Fingerspitzen über den samtweichen Stoff und drehte ihren Kopf schnell zu Aemond, welcher sie schon die ganze Zeit beobachtet hatte. Dieser nickte ihr zu und ging dann zu Aegon und einem Maester, welche die anderen beiden Personen an den Fackeln waren, wie Daenyra nun erkannte. Aegon half Aemond sich auch ein weiß-rotes Gewand anzuziehen. Ohne länger zu Überlegen wanderte Daenyras Blick nun wieder zu Visenya, welche Daenyra den weiß-roten Stoff über ihren Körper zog und ihr das alte Kleid öffnete, um dies und danach auch ihre Schuhe auszuziehen. Danach steckte Visenya Daenyra eine Art Tiara in die Haare, welche aus purem Gold war. Anschließend küsste sie die Stirn ihrer Freundin und flüsterte, "Mandia." Daenyra lief eine Träne die Wange herunter, die Visenya aufmerksam auffing mit ihrem Finger. Visenya ergriff Daenyras Hand und führte sie zu den Fackeln. Das weiß-rote Gewand wehte wild umher unter dem Wind, die Flammen der Fackeln tanzten im eigenen Rhythmus hin und her. Daenyra spürte den kühlen Sand zwischen ihren Zehen, während sie einen Schritt nach dem anderen machte, bis sie direkt vor Aemond stand. Visenya stellte sich neben Aegon und die beiden verschränkten ihre Finger während sie der Zeremonie beiwohnten.

Der Maester sprach auf valyrisch, während er Aemond ein kleines Messer aus Drachenglas reichte. Aemond schnitt vorsichtig die Lippen von Daenyra auf, und diese tat es ihm gleich bei ihm. Mit dem Daumen streiften beide sich über ihre Lippen und bemalten daraufhin mit ihrem Blut ein Zeichen auf die Stirn des jeweils anderen. Danach schnitten sich beide die Handinnenflächen auf und verschränkten ihre Hände, um ihr Blut miteinander zu verbinden. Der Maester wickelte ein rotes Tuch um die verschränkten Hände und reichte Aemond einen Becher mit Wein. Dieser trank einen Schluck, ohne die Hände zu lösen und reichte den Becher weiter an Daenyra. Beide sahen sich innig an, während sie auch einen Schluck trank.

"Durch Blut verbunden zu einem Körper, einem Fleisch und einer Seele. Jetzt und für immer."


Die Kinder der SchattenWhere stories live. Discover now