Kapitel 12

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Leise zog der Wind an ihrem Fenster vorbei. Die Vorhänge wehten durch den schleichenden Luftstrom und Daenyra sah zu, wie die Flammen ihrer Kerzen hin und her tanzten. Die nächsten Tage werden durch die ganzen Feierlichkeiten voller Aufruhr und Spannung sein. Sie genoß die augenblickliche Stille. Die Vermählung zwischen Aegon und ihrer geliebten Freundin Visenya wird wohl das freudigste und herzlichste Ereignis für Daenyra in den letzten Jahren sein werden, so erhoffte sie es sich. Sie würde wohl noch lange Zeit an diese Tage zurückdenken wollen. Plötzlich ertönte ein zorniges Klopfen. Sie eilte zu ihrer Tür, denn es klang sehr dringlich. Ein lautes Knarren hallte durch den kalten, leeren Flur, als sie die Tür öffnete. Dort stand er, mitten in der Dunkelheit.

Es war Aemond.

„Aemond? Was machst du hier?", fragte sie mit zitternder Stimme. „Ich wollte etwas mit dir besprechen.", entgegnete Aemond und schritt fordernd durch ihre Tür. Ihre Blicke trafen sich. Für einen Moment schien die Zeit völlig still zu stehen. Aemond ging weiter, kehrte ihr den Rücken zu und musterte jeden Winkel ihres Gemaches. „Wenn du hier bist wegen dieser Vermählungssache.....", sie presste sich mit dem Rücken an ihre Tür, während sie diese zu schließen versuchte. Das Schloss rastete langsam ein. „...ich bin mir nicht sicher, ob es dir wirklich um mich geht oder ob du das nur gesagt hast, um alle um uns herum zu provozieren." Aemond drehte sich um, ihm lag ein leichtes Grinsen auf den Lippen. Er schaute sie an und setzte sich auf die Kante ihres Tisches. Er faltete seine Hände und blickte sie erwartungsvoll an. Sein starrendes Auge und sein fast zustimmendes Schweigen gaben Daenyra zu verstehen, dass sie weitersprechen sollte. „...Ich interessiere mich nicht für eure Treuesprüche an irgendwelche Häuser oder gar Streitigkeiten untereinander – und ich will auch nicht eine solche Person sein." Sein Kopf neigte sich und er schaute scharfsinnig zur Seite, wobei ihm ein kurzes Lachen entwich. Dann stand Aemond auf und ging langsamen Schrittes auf Daenyra zu. Sie konnte ihren Blick nicht von ihm abwenden, sie war wie gefesselt. Er stoppte erst dann, als er ganz nah an ihren erstarrten Körper herantrat, nur wenige Zentimeter lagen zwischen ihnen. „Weißt du, für einen Mann mit nur einem Auge, sehe ich dennoch ziemlich viel." Er hob seinen rechten Arm und presste seine Hand gegen die Tür, nur unweit von ihrem Kopf entfernt. Daenyra verlor sich in seinem Auge. Sie konnte sich nicht bewegen und hielt den Atem an. Noch nie zuvor war ihr jemand so nah gekommen – noch nie hatte sie ein solch starkes Gefühl von Ohnmacht.

Aemond wandte sich ihrer rechten Gesichtshälfte zu und flüsterte ihr mit sanfter Stimme ins Ohr: „Zum Beispiel wie du mich ansiehst, seitdem du hier bist.....", Daenyra schloss die Augen und atmete schwer ein, so als ob sie ertappt wurde. „...Oder wie dein Blut gerade in deinen Adern pulsiert, wenn ich mit dir spreche. Glaub mir, ich weiß genau, was für eine Person du sein willst." Daenyra öffnete ihre Augen. Das Atmen fiel ihr nun weniger schwer. Sie konnte endlich wieder einen klaren Gedanken fassen, als er seinen Kopf wieder von ihrem Ohr abwandte. Aemond stand da und schaute sie noch immer regungslos an. „Du kennst mich nicht im Geringsten.", erwiderte Daenyra erbost, fast schon trotzig. Der junge Prinz sah auf den Boden, seine Hand nach wie vor gegen die Tür gepresst. Das Schweigen war unerträglich. Als sie ihre Worte aussprach, erklomm sie unmittelbar ein Gefühl von Reue. Sie befürchtete, etwas Falsches gesagt zu haben. Aemond zog seinen Arm zurück und wandte sein Augenlicht wieder Daenyra zu. „Mhhm...", grummelte er und lachte zuweilen mit einem Grinsen. „...Ich mag dich, du bist anders als alle Anderen. Und ich werde noch herausfinden, wieso." Er öffnete die Tür und warf ihr einen letzten Blick zu. Dann ging er in Richtung Flur, seine Schritte ertönten leise in der Dunkelheit der Nacht.

Daenyra löste sich aus ihrer Starre und schaute ihm zögernd nach. Plötzlich stoppte Aemond für einen Moment und blieb wie angewurzelt im Flur stehen. Der Wind heulte und wehte sein Haar zur Seite. Sie hörte ein sanftes Ausatmen. Aemond drehte seinen Kopf zu seiner linken Schulter und sprach: „Ich habe es auch gesehen......draußen am Wehrholzbaum....". Daenyra schluckte panisch und stand schockiert in dem Rahmen ihrer Tür. Es fühlte sich an, als ob das Blut in ihren Adern zu gefrieren drohte. Als er weiter ging, schaute sie ihm nach und stand noch eine ganze Weile bewegungslos da.


Die Kinder der SchattenKde žijí příběhy. Začni objevovat