35 Rückkehr nach Ultazen

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Unsere Flugstunden hatten sich zu gefühlten Minuten verkürzt, ohne dass ich es bemerkt hatte. Aber der Winkel in dem die Sonne inzwischen über meinem Kopf schien bestätigte mir, wie viel Zeit tatsächlich vergangen war. Ungewöhnlich heiß für diese Jahreszeit und gleichzeitig schrecklich erbarmungslos brannten sich die goldenen Strahlen durch die dicken Stoffschichten an meinem Rücken und trieben mir den Schweiß über den Nacken. Wir waren bereits Stunden lang unterwegs gewesen und die gesamte Zeit war verflogen, noch bevor ich mir ihrer hätte bewusst werden können. 
In einer mehr oder weniger bequemen Lage hatte ich es mir bäuchlings auf Hayens Rücken bequem gemacht und erkundete zum Zeitvertreib den Aufbau seines gewaltigen Körpers. Sehnen und gestählte Muskeln, eine Panzerung aus weißen Schuppen. Nur die Stellen seines Körper, die er viel bewegen musste, waren von einer ähnlichen Hautstruktur überzogen, wie ich sie auch bei Thorn am Morgen bemerkt hatte. Jedoch war Hayens Haut wesentlich dünner und weicher an jenen Stellen als die des Schwarzdrachens.
Neben seinem Gehörn, mit dem er sicherlich problemlos Leue aufspießen konnte, waren seine Flügel jedoch das beeindruckendste an ihm. Ihre Spannweite, Struktur und die Oberfläche seiner Haut, durch die das Sonnenlicht in einem rötlichen Licht durchschien, all das erschien mir immer mehr wie etwas das man als schön beschreiben sollte. Die Furcht vor den Drachen war mir ein Leben lang als etwas sehr rationales vorgekommen.
Sie waren Jäger, Räuber, Bestien mit scharfen Klauen und tödlicher Magie. Doch nun sah ich die Welt aus ihrem Blickwinkel, sah die Wolken, Felder und Gebirge unter mir vorbeiziehen und fühlte mich ungebunden und frei. 
Nur noch wenige Kilometer trennten uns von Ultazen, viel mehr von dem Gebirge an dessen Fuß wir landen würden. Das wusste ich, weil ich zuvor einen Fluss, der jenen Gebirgen entsprang, unter uns entdeckt hatte. Meine innere Anspannung, die sich bereits seit letzter Nacht aufgebaut hatte, war bei dessen Anblick in die Höhe geschossen und hatte mich ruhelos mit den Füßen wippen lassen, bis Hayen mir anbot, dass ich mich doch auf seinem Rücken ausruhen könnte. 
"Ich spüre deinen Herzschlag", raunte Hayen mit der kehligen Stimme seines Drachens. "Du fürchtest dich."

Überrascht blinzelte ich und setzte mich vorsichtig wieder aufrecht hin. "Habe ich denn nicht jeden Grund dazu?" Hayens Schweigen war lang, zu lang und so fuhr ich fort: "Thorn hat mir heute morgen noch erzählt mit wie viel ... Leidenschaft die Menschen mit Rückkehrerinnen umgehen können. Scheiterhaufen, Missbrauch, Mord. Ganz ehrlich, ich bin froh wenn wir wieder auf dem Rückflug sind." Wir überquerten den ersten Teil der Gebirge, in denen sich die Tunnel der Minen hindurchschlängelten. 

"Ich werde nicht zulassen, dass sie auf diese Weise auf dich reagieren", versicherte er mir, genau wie er es am Abend zuvor bereits versprochen hatte. Er würde mich bedingungslos beschützen und die Götter mögen demjenigen beistehen, der Hayens Willen missachten würden. "Auch ich würde vorzugsweise auf die Gesellschaft von Menschen verzichten."

Meine Lippen verzogen sich zu einem belustigten Schmunzeln, während unter uns die Quelle des Flusses vorbeirauschte. "Auf meine Gesellschaft hast du die letzten Tage scheinbar ebenfalls gerne verzichtet." Ich hatte es lustig klingen lassen wollen, aber die Wahrheit hinter dieser Aussage verschärfte meine Worte spürbar.

Während unter uns die letzten Felsformationen vorbeizogen hatte sich zwischen mir und ihm eine unangenehme Stille ausgebreitet. Zäh wie Harz hing sie zwischen uns und ich für meinen Teil hatte absolut keine Idee, wie ich die Situation retten sollte, damit die nächsten Tage nicht schrecklich unangenehm verlaufen würden. Tatsache war, dass ich ihn die letzten Tage über furchtbar vermisst hatte. Sein Fehlen hatte mir ja sogar soweit den Kopf verdreht, dass ich eifersüchtig auf Liaras Glück gewesen war.
Also schwieg ich ratlos und kaute verunsichert auf der Innenseite meiner Wange herum.
Doch zum Glück war Hayen gefasster als ich selbst und setzte schweigend zum Sinkflug an, dabei kamen wir Ultazen bereits näher als wir es vorab geplant hatten. Wärme breitete sich wieder einmal in meinem Inneren aus, als würden Hände über meine Seele streicheln, Finger über meine Arme gleiten und sein Atem meinen Nacken kitzeln. "Ich werde es wiedergutmachen", versprach er in meinem Geist, während seine Klauen über eine allmählich welkende Wiese schrammten. Es stellten sich mir sämtliche Nackenhaare auf und selbst meine Zehenspitzen kitzelten vor Entzücken. Seine Worte hallten in einem hinreißenden Ton in meinem Hinterkopf wider, klangen dabei dunkel und sündhaft süß wie Karamell. 
Die Landung hatte ich längst verpasst und als sich das grelle Licht von Magie um uns aufbaute und der Drachenkörper allmählich schwand, da fand ich mich im nächsten Augenblick in den Armen des Drachenkönigs wieder, dessen goldene Augen einen dunklen Schimmer in sich trugen. Seine Augenringe waren wieder der gesunden Bräune gewichen und sein gestrig trostloser Blick hatte an Stärke zurückgewonnen, hielt mich nun fest in seinem Bann. Ich lag in seinen muskulösen Armen, wie jede Frau wenigstens einmal in ihrem Leben von ihrem Geliebten gehalten werden wollte und ich stellte fest, dass es sich wundervoll anfühlte. 
Wie von selbst legten sich meine in Schwarz gehüllten Arme um seinen Nacken und meine Finger spielten bereits mit den kurz geschorenen Stoppeln an seinem Hinterkopf. Sein Körper hatte sich vollständig verändert, nichts erinnerte mehr an die haushohe Bestie, nur die Wärme seines straffen Körpers an meinem war gleich geblieben. Und sein Gesicht, das meinem so verführerisch nah war, entfernte sich ebenso wenig von mir wie ich. "Wir sollten weitergehen", wisperte er und benutzte diesmal endlich wieder seine gewöhnliche Stimme. Sie fühlte sich immer wie Wärme in mir an, wie Balsam. 
Erst gestern noch hatte ich Liara für ihre Zeit mit dem Mann ihrer Zuneigung beneidet, war eifersüchtig auf die Nähe die sie geteilt hatten und nun war ich mit dem Mann, für den ich vielleicht Gefühle entwickelte, auf einem Feld, lag in seinen Armen und fühlte mich physisch nicht dazu in der Lage mich von ihm zu lösen.
Auch Hayen machte keine derartigen Anstalten, stattdessen gruben sich seine Finger weiter in meine Taille und festigten ihren Griff unter meinen Kniekehlen. Der Wind wehte mir durch mein langes Haar, dessen dunkle Strähnen durch den kräftigen Flugwind mit Sicherheit verknotet und zerwühlt aussehen musste. Allerdings sah sein Blick nicht aus, als würde er etwas unansehnliches betrachten müssen. Vielmehr bannte er meine Augen mit seinen, hielt ihrem Blau mit seinem Gold in einem festen Griff. 
Wir sollten uns in Bewegung setzen, wenn wir den Zeitplan einhalten wollten. Aber es fiel mir unendlich schwer meinem Gesicht seinem nicht zu nähern und meine Lippen zaghaft seine berühren zu lassen. Selbst für mich fühlte es sich zuerst wie eine Frage meinerseits an, eine die ich beantwortet haben musste. Zögerlich berührte ich seine Lippen und spürte ihre Weichheit und Wärme an meinem Mund. Als er den Kuss erwiderte, erlaubte ich mir meine Hand an seine Wange zu legen, die Berührung unserer Lippen zu intensivieren. 
Mein Herzschlag pulsierte unter meiner Brust, verborgen von dem Stoff meiner Kleidung, aber spürbar in jedem Winkel meines Körpers. 
Er fühlte sich absolut herrlichen an mir an, Körper und Lippen wie Puzzlestücke, die sich gefunden hatten. Ich lehnte mich weiter in den Kuss hinein, füllte meine Lungen regelrecht mit seinem Atem als seine Zunge über meine Lippen fuhren und um Einlass baten. 
Tiefe, schwere Hitze baute sich in mir auf und kaum dass ich meinen Mund einen Spalt weit geöffnet hatte, drang seine Zunge in mich ein. Er schmeckte köstlich; rauchig und gleichzeitig süß. Allein sein Geschmack ließ mich mit flatternden Lidern wohlig aufseufzen und trieb meinen Körper noch enger an seinen. Seine Brust hob und senkte sich an meiner und ich spürte die tiefe Begierde, die sich in ihm aufbaute.

A Dragon's MistressUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum