18 Schlaflosigkeit

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Das stetige Ticken der kleinen Uhr auf meinem Nachttisch begleitete mich bereits seit etwas mehr als zwei Stunden und da ich auf der Seite lag, konnte ich das Voranschreiten des Sekunden-, Minuten und Stundenzeigers ungehindert beobachten. Auf der kleinen Seitenstraße unter meinem Fenster war es weitgehend still und nur das zwischenzeitliche Vorbeiflattern eines nachtschwärmenden Vogels, so vermutete und hoffte ich unter aller Anspannung zumindest, war von draußen zu hören. Ab und zu wurde durch das gelbliche Licht der Straßenlaterne von unten ein flüchtiger Schatten an meinen Zimmerwänden sichtbar, was nicht wirklich hilfreich war bei dem Versuch endlich einzuschlafen. 
Meine Lider brannten schon und immer häufiger musste ich ein schweres Gähnen unterdrücken. Müde und wach, beides gleichzeitig zu sein war furchtbar aber ich kam einfach nicht zur Ruhe. In den Zimmern links und rechts von meinem war es still und ich hoffte inständig, dass Liara und Neyla besseren Schlaf als ich ergattern konnten als ich selbst. Nachdem Liara so aufgewühlt in ihrem Zimmer verschwunden war, hatten Neyla und ich es nicht gewagt noch länger als nötig im Wohnzimmer miteinander zu reden und waren auf Zehnspitzen an ihrer Zimmertür, gleich oben am Treppenabsatz, vorbeigeschlichen um sie nicht zu stören. Es ging meiner Freundin gar nicht gut und ich wollte mir nicht ausmalen woran genau es liegen konnte. Vielleicht an dieser Umgebung, der unterirdischen Drachenstadt Dragorea oder an dem Geheimnis, dass der erste Offizier des Königs daraus gemacht hatte. Die Stadt war auf den ersten Blick zwar wunderschön gewesen und unsere neue Wohnung war sehr gemütlich, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass wir ursprünglich in die Festung oberhalb des Berges entführt und von unseren Familien getrennt worden waren um dort als Sklaven zu dienen, und ganz plötzlich werden wir in ihre Hauptstadt gebracht und sollen hier friedlich leben? Neyla konnte ihre Vergangenheit leicht zurücklassen und ich, auch wenn ich meinen Vater und Ultazen sehr vermisste, war ich viel zu fasziniert von Hayen und zu enttäuscht von den Bewohnern meiner Heimatstadt, als das ich von hier weg wollte. Aber Liara ... Ihr fröhliches, hübsches Gesicht war verzerrt von der Irritation, die die erneute Umstellung verursacht hatte. 

Allmählich hatte ich wirklich genug und richtete mich mit einem schweren Seufzen in dem breiten Bett mit Federkernmatratze auf. Die dicke Daunendecke raschelte als ich meine Beine unter ihr hervorzog und den Versuch einzuschlafen für diesen Moment hinter mir ließ. Auf nackten Füßen bewegte ich mich also durch das fast leere Zimmer auf den großen Holzschrank, der mit hübschen Rankenmustern verziert war, zu und öffnete ihn in dem Bewusstsein, dass sich darin provisorische Kleider befanden. Alles in dieser Wohnung besaß eine Grundausstattung, die es uns aber überließ, was wir weiterhin aus diesem Ort machen wollten. Beim Besichtigen der Zimmer hatten wir über den Inhalt der Kleiderschränke noch die Stirn gerunzelt, weite und enge Hosen, Hemden, Schuhe und Stiefel. Nicht die üblicherweise femininen Kleider mit Miedern und zusätzlichen Corsagen. Auch keine Unterröcke. Der Gedanke daran eine Hose zu tragen war mir zuerst komisch vorgekommen und ich hatte nicht gewusst ob ich mich darin wohlfühlen konnte. Nun aber war es mitten in der Nacht, bestenfalls früher Morgen und es befand sich niemand auf den mir fremden Straßen. Auf den oberen Regalen lagen weite, weiße Hemden mit leicht bauschigen Ärmeln und darunter enge dunkle Hosen aus festem Leder. Ich griff mir von beidem je eines und entledigte mich meines Nachthemdes, noch bevor ich es mir anders überlegen konnte.
Anstatt mich weiterhin unruhig auf dem Bett hin und her zu wälzen würde ich meine neu gewonnene Freiheit dazu nutzen mich umzusehen, Hosen zu tragen und zumindest bis zum Sonnenaufgang, wenn es den hier überhaupt gab, die Straßen zu erkunden. 
Zuerst zog ich das Hemd an, welches sich weich und federleicht über meine Brüste legte und zum Glück blickdicht war. Ich hatte auch noch keine Unterwäsche und die die ich mitgebracht hatte roch bereits unangenehm und war von mir achtlos in die Zimmerecke geworfen worden. Das Hemd war ein wenig groß, lag beim Herunterziehen sogar über meinem Po aber von oben herab war es nicht hässlich. In diesem Zimmer befand sich noch kein Spiegel, was ich ändern musste unzwar dringend, wenn es in dieser Stadt für Frauen unüblich war Röcke oder Kleider zu tragen. Immerhin würde ich mich dann an eine ganz neue Garderobe gewöhnen müssen. 
In die Hose zu kommen war zu meiner eigenen Überraschung einfach. Sie glitt regelrecht fließend über meine Haut, legte sich eng an meine Schenkel und schmiegte sich wie eine zweite Haut um die weichen Rundungen meines Körpers. Ohne Unterwäsche ein seltsames Gefühl, aber nicht unangenehm.
Bevor ich mein Zimmer weiterhin auf Zehenspitzen verließ griff ich ein augenscheinlich passendes Paar von dunkelbraunen Stiefeln und schlich mich hinaus auf den Flur. Beide Zimmertüren von Liara und Neyla waren fest geschlossen und durch den Bodenschlitz drang auch kein Körnchen Licht. Fast geräuschlos bewegte ich mich über die glatten Holzdielen, bemühte mich die beiden anderen nicht aufzuwecken. Die fremde Wohnung bei Nacht und ohne weitere Lichtquelle als die Straßenlaternen von draußen zu sehen, kam mir jetzt schon unheimlich vor, weswegen ich mich beeilte die zum Glück passenden Stiefel überzuziehen und zur Haustür zu verschwinden. "In der oberen Schublade liegen die Schlüssel." murmelte ich gedankenverloren aus der Erinnerung heraus und zog behutsam an dem Griff der Kommode. Und tatsächlich rechts in einer kleinen Schale aus hellem Holz lagen drei Schlüssel, jeweils befestigt an je einem Anhänger aus verschiedenen Schnitzereien.  Nachdem ich den Schlüssel in der unglaublich nützlichen Tasche meiner Hose verstaut hatte, ging ich durch die Wohnungstür und knirschte mit den Zähnen, da ich genau wusste, dass diese Tür unter Umständen laut genug wäre um die Beiden oben zu wecken. 

A Dragon's MistressWhere stories live. Discover now