20 Kontakt

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Perplex sah ich in die Gesichter der beiden Drachen, deren Mienen ebenfalls ihre eigene Irritation offenlegten. Nach ihrem Alter zu fragen war für mich eine einfache und theoretisch selbstverständliche Frage. Vor wenigen Wochen hatte ich auch Neyla und Liara noch danach gefragt und mich gefreut, dass wir altersmäßig nicht weit voneinander entfernt waren. Nun aber war das Offensichtliche ausgesprochen worden, diese beiden Personen konnten auf keinen Fall im selben Alter sein wie ich. Viel mehr als das käme es mir nun sogar völlig absurd vor sie auch nur im Ansatz um die zwanzig Jahre einzuschätzen. Anders als Kateera hatte Hayen meine Irritation wohl schnell verstanden. Die augenscheinlich junge Drachenfrau setzte allerdings jetzt ihr Glas mit Wasser an die bemalten Lippen und wich meinem Blick in bestechender Offensichtlichkeit aus. "Es ist so dass..." Hayen blinzelte, scheinbar um seine Gedanken zu sortieren. "Der Stoffwechsel eines Drachens ist anders, wesentlich langsamer. Wir werden älter, viel älter als ein wirklich alter Mensch." erklärte er ohne den Kern meiner Frage damit beantwortet zu haben. 

Sowieso unterbrach ihn nun Kateera, die ihr Glas geleert und es wieder auf dem Tisch abgestellt hatte. "Ihr Menschen wisst das doch auch. Meines Wissens nach wurde es immer im ganzen Land verbreitet, wenn ein König gekrönt wurde. Allein daran hättet ihr es merken sollen." Ihr Ton klang fast so als wollte sie sich rechtfertigen, obwohl es da nichts zu rechtfertigen gab.

Allerdings hatte sie damit nichtsdestotrotz recht. Die Herrschaft der Drachenrasse dauerte bereits schon viele Jahrhunderte an und dennoch war Hayen erst ihr drittes, gekröntes Oberhaupt. Und das obwohl ein Drachenkönig bisher immer bis zum Ende seines Lebens regiert hatte. "Das beantwortet allerdings nicht meine Frage." sagte ich und war von meinem forschen Ton selbst überrascht. 

Auch Hayens Augenbrauen schossen in die Höhe, während seine Mundwinkel leicht zuckten. Doch bevor er etwas darauf entgegen konnte wurde die Tür zum Arbeitszimmer ein weiteres Mal geöffnet. Ohnehin hatte ich es nicht bemerkt, dass sie zuvor geschlossen worden war. Schnell zuckte ich zurück und wirbelte von dem breiten Sofa aus herum, um einen Mann im Türrahmen zu entdecken. Groß gewachsen, hager und mit mondweißer Haut. Natürlich erkannte ich ihn sofort, den Angreifer von zuvor. Allerdings hatten sich einige offensichtliche Details an seinem Erscheinungsbild verändert. Das bestechende Rot war gänzlich aus seinen Augen verschwunden und mit einem sehr hellen, wässrigen Blau ersetzt worden. Auch die Schuppen waren aus seinem Gesicht verschwunden, was nicht bedeutete dass seine Knochen weniger herausstachen. Auch der monströs entartete rechte Arm war verschwunden und hatte sich vollkommen zu einem ganz normalen, schlanken Männerarm entwickelt. Das Einzige was noch an die Gestalt, welche sicherlich unter seiner Haut schlummerte erinnerte, waren die pechschwarzen, ledrig glänzenden Male an den Seiten seines Hales. Sie verschwanden in dem weiten, dunklen Hemd, welches den ausladenden Kapuzenumhang abgelöst hatte. Thorn, das war wohl sein Name.
Und ebenjener Mann betrat nun mit gerecktem Kinn das Arbeitszimmer, allerdings nicht ohne es vorher mit seinen Blicken zu scannen. Mit wenigen Schritten seiner langen, schlanken Beine war er an meinem Platz vorbeigegangen und setzte sich nehmen Kateera, die ihn bloß schief angegrinste. "Danke, dass du geklopft hast, Thorn." Hayens goldene Augen schienen ihn mit Blicken erdolchen zu wollen, während Thorn sich bloß zurücklehnte, zwar in seine Richtung aber geradewegs an seinem König vorbei sah. 

"Mehr als fünfhundert." seine Stimme war nun wesentlich menschlicher als zuvor und klang dabei sogar richtiggehend angenehm, auch wenn seine Worte ziemlich harsch heraus gekommen waren. Sie war zwar tief, aber nicht so rau wie die von Hayen, sondern einfach ... angenehm. Da ich mich nicht von diesem Mann angesprochen gefühlt hatte, erkannte ich seine Worte nicht gleich als eine Antwort auf meine zuvor gestellte Frage. "Allerdings betrifft das nicht alle Drachen. Reicht das?" Dieser helle, bohrende Blick landete auf mir und unwillkürlich zuckte ich durch den plötzlichen Augenkontakt zusammen und nickte, ganz so als wäre ich innerlich verstummt. Thorns Blick löste sich von mir und ich entspannte mich wieder etwas. Bei näherer Betrachtung erkannte ich, als er sich zu Hayen umwandte, dass eine tiefe hässliche Narbe sich vertikal über seine überraschend schön geschwungen Lippen zog. Sie war so tief, dass sie seinen rechten Mundwinkel sogar leicht verzerrte, ihn aber scheinbar nicht beim Sprechen behinderte. "Können wir nun zum Geschäftlichen kommen?" Kateeras Kopf schnellte ebenfalls zu Hayen um, was ihre lange Mähne zum wehen brachte. Hayens Lippen blieben jedoch versiegelt. 

A Dragon's MistressWo Geschichten leben. Entdecke jetzt