33 Innere Unruhe

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In der Nacht hatte der stürmische Regen der letzten Tage endlich aufgehört. Dennoch schlug kalter Wind bereits in den frühen Morgenstunden des anbrechenden Tages gegen meine geschlossenen Fenster. Mit einer trockenen Scheibe Brot stand ich bereits seit gut zwanzig Minuten an der Fensterbank, die ich gerade erst in der letzten Woche mit nach Rosen duftenden Kerzen verziert hatte. Zugegeben, ich war schrecklich nervös und die in Schatten gehüllte Gestalt, die mich von den gegenüberliegenden Dächern beobachtete, besänftigte meine Nervosität nicht einmal ansatzweise. 
Hayen hatten Thorn nach unserer gestrigen Unterhaltung dazu beauftragt mich nach Sonnenaufgang hinauf zur Bergfestung zu bringen, von wo aus wir aufbrechen wollten. Nun stand er dort und wartete auf mein Signal, dass ich bereit war. "Drachen mit gemischten Blut benötigen wesentlich mehr Zeit um sich zu verwandeln", hatte man mich aufgeklärt, nachdem ich gefragt hatte wofür er denn ein Signal brauchen würde. Aufgrund der Tatsache, dass ich bereits viel zuvor nervös war, hatte ich diese Aussage nicht weiter hinterfragt und Hayens Anweisungen genauso hingenommen wie Thorn. 
"Du bist ja noch hier!" Ich wandte mich zum Türrahmen um, nur um dort Neyla zu sehen. Sie noch vor ihrem Training zu erwischen war mir bisher noch nicht allzu oft gelungen und jetzt da ich hier mit meiner angenagten Brotscheibe stand, einen in Schatten gehüllten Mann in meinem Nacken, konnte ich mich nicht darüber freuen.

"Ja", setzte ich an und deutete flüchtig auf mein dürftiges Frühstück. "Ich wollte noch etwas essen bevor es losgeht und jetzt bekomme ich keinen Bissen herunter."

Neyla nickte verständnisvoll und verzog eine überraschenderweise sehr ernste Miene. Während sie auf mich zuging strich sie sich ihr langes Haar über die Schulter und legte dann beruhigend ihre schlanke Hand auf meinen Oberarm. "Ich weiß leider nicht wie es in dir aussieht, aber ich bin mir sicher, dass alles gut werden wird. Hayen wird euch sicher in deine Heimat bringen, ihr packt deinen Vater ein und schon seid ihr wieder auf dem Rückweg." 

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich wusste sofort, dass Neyla nicht einmal ahnen konnte, wie sehr ihre Worte mir halfen. Meine Freundin hatte recht. Wir würden maximal drei Tage unterwegs sein, da Ultazen weit im Landesinneren lag und von den Bergen beschützt wurde. Und um die Städter nicht unnötig zu beunruhigend oder unerwünschte Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, würden wir sie im Flug überqueren und den Rest des Weges zu Fuß gehen müssen. Der Weg allein war es allerdings sowieso nicht was mich beunruhigte, es war unser Ziel. Nach Monaten zurück nach Ultazen zu kehren würde sich seltsam anfühlen und da vor allem meine letzte Erfahrung in meiner Heimat nicht allzu erfreulich ausgesehen hatte, hatten mich die ganze Nacht über nervöse Bauchschmerzen geplagt. "Seid ihr beide denn auch wirklich in Ordnung damit?", fragte ich schließlich und knabberte zur Ablenkung an dem Rand der Brotkruste. 

"Was meinst du?"

"Naja, Hayen möchte mir erlauben meinen Vater herzuholen ... Aber deine und Liaras Familien werden sicher in den Kriegskonflikt hineingeraten und ...", Neyla unterbrach mich kopfschüttelnd, indem sie ihre Hand hob und mir ein aufmunterndes Lächeln schenkte. 

"Natürlich ist es nicht fair, aber zumindest was uns beide betrifft brauchst du kein schlechtes Gewissen haben. Sowohl Liara als auch ich wissen wie nah du deinem Vater stehst und wir haben letzte Nacht auch noch darüber gesprochen ... Durch unseren Abschied damals trauern wir diesen Leuten überhaupt nicht hinterher. Und außerdem", ein breites Grinsen formte sich auf ihren schönen Lippen, "meine Entführung hier hin hat mich vor meinem Schwieger-Monster gerettet und die Alte kann gerne in der Hölle verrotten." Trotz des scherzhaften Tons in ihrer Stimme, waren es ihr beschwichtigender Blick und das nachsichtige Lächeln auf ihren Lippen, die es mir erlaubten durchzuatmen. 
Dankbar zog ich meine Freundin in die Arme und drückte sie fest an mich. "Und wenn der alte Mann dann hier ist", setzte sie an und erwiderte meine Umarmung mit einem festen Druck. "Dann kann er bestimmt auch endlich gesund werden."

A Dragon's MistressWhere stories live. Discover now