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Gierig schaufelte mein Gegenüber die Pasta in sich rein, als hätte er tagelang nichts gegessen. Ich hingegen ass wie es sich für einen zivilisierten Menschen gehört, nämlich genau gleich wie mein bester Freund es tat.

«Schmeckt's?», die Frage war überflüssig von meiner Tante und das wusste sie auch.

«Jap», antwortete James trotz allem und nickte eifrig.
Der Rest des Abendessens verlief relativ schweigsam, die einzigen Geräusche waren das des Kühlschranks und das überaus nervige Schmatzgeräusch, das von James herkam.

Als es langsam dämmerte, verabschiedete sich der Grünhaarige von uns beiden und verliess unser Haus. Nicole beschloss zu übernachten, da meine Eltern immer noch nicht heimgekehrt waren und ich zog mich in den oberen Stock zurück.
Ausgiebig duschte ich an jenem Abend, bevor der Rest meiner abendlichen Routine folgte und ich anschliessend müde in mein Bett fiel.
Morgen ist Samstag und das Alphatreffen und dann ist am Sonntag schon der Mateball, hoffentlich geht alles gut.
Warum brauche ich überhaupt ein Kleid? Schliesslich wird es eh keiner sehen.

❥︎ ❥︎ ❥︎

Gerne würde ich behaupten, meine Eltern hätten mich aufgeweckt und die Sonnenstrahlen hätten mein Gesicht gekitzelt.
Doch es war mein schriller Wecker, der mich aus dem Schlaf riss.
Mit einer trägen Bewegung brachte ich das Gerät zum Schweigen und stand sofort von meinem Bett auf, sonst wäre ich nicht aus den Federn gekommen.
Müde schleppte ich mich zu meinem Kleiderschrank und suchte mir eine Jeans und einen schlichten, jedoch schicken Pullover heraus.
Meine langen, schwarzen Haare flocht ich zu einem Zopf und zum krönenden Abschluss putzte ich mir noch fix die Zähne.
So stand ich wenig später noch halb im Traumland am Fuss der Treppe und wartete auf meine Väter.

«Morgen Rea», begrüsste mich Darwin und ich lächelte ihn an, nur um gleich darauf herzhaft zu gähnen.

«Morgen Dad», erwiderte ich und konnte ein weiteres Gähnen nicht unterdrücken.

«Na na, werd schön wach. Schliesslich solltest du beim Treffen nicht bei jedem zweiten Satz gähnen müssen», lachte Ethan hinter seinem Mate, dem er gleich darauf einen Kuss gab und dann auch zu mir kam, um mir einen Guten-Morgen-Kuss zu geben.

«Matchatee sollte das hinkriegen», meinte ich und bewegte mich in die Küche, wo ich mir schnell einen Matchatee zubereitete, den ich dann anschliessend in einen wiederverwendbaren To-Go Becher goss.

Triumphierend hielt ich das Getränk in die Höhe, das Zeichen an meine Eltern, dass wir aufbrechen konnten. Denn das Treffen würde bei Tyler im Rudelhaus stattfinden. Nicole hatte sich, so wie ich sie kannte, schon im frühen Morgengrauen zurück zu Tyler teleportiert.
Also machten wir uns auf zu Tyler. Darwin sass vorne auf dem Beifahrersitz, während Ethan am Steuer sass und ich machte es mir hinten in der Mitte der Rückbank bequem.

Zu Tyler's Rudel nahmen wir diesmal nicht die übliche Strecke, sondern eine andere, schönere. Sie führte viel länger an Feldern und Wäldern vorbei, wir kamen gar nicht erst in einem anderen Dorf an, sondern wir fuhren so viele kleine Umwege, dass wir schliesslich nur auf Landstrassen zu Tyler's Dorf fanden.

Tyler hatte es wie meine Väter gemacht, er hatte ein bereits bestehendes Dorf mit seinem Rudel besiedelt. Im Dorf waren also nicht nur seine Rudelmitglieder, sondern auch normale Leute.
Dadurch waren die Rudel nicht so abgeschottet von aller Welt und beispielsweise Menschenrechte waren, besonders in den Köpfen der Alten, präsenter.
Denn besonders bei den älteren Mitgliedern kam es immer wieder vor, dass sie Unterwürfigkeit von Frauen erwarteten, einfach, weil sie mit dieser Art von Denken aufgewachsen waren.

Wir kamen vor dem grossen Rudelhaus Tyler's an und die Autotür zu meiner rechten wurde geöffnet und ich stieg mit meinem Tee in der Hand aus. Seelenruhig trank ich mein Gebräu mit einem Strohhalm, während ich lässig auf das Rudelhaus von Tyler's Rudel zulief.
Kaum hatte ich geklingelt, wurde die Tür auch schon energisch aufgerissen und Tyler stand dort.

«Andrea! Schön dich zu sehen», begrüsste er mich und zog mich in eine warme Umarmung, die ich nur zu gern erwiderte.

«Deine Aura, Schätzchen», flüsterte er ganz leise und nah bei meinem Ohr und sofort konzentrierte ich mich auf meine Ausstrahlung, ehe ich ihn wieder losliess.

«Es ist schön auch dich zu sehen, Onkel Tyler», führte ich unsere Begrüssung fort und lächelte ihn strahlend an, bevor ich ins Haus trat.

Das Zuhause von Tyler war schön, es war in viel Waldgrün gehalten und verströmte eine beruhigende Atmosphäre. Alles war in grün. Der Samt auf den Sesseln, die schweren Vorhänge, das Sofa und auch der weiche Fussbodenbelag.

«Ich habe gehört, wie jemand hereingekommen ist, wer ist denn da?», ertönte eine dunkle Stimme, die mir kurz einen Schauer über den Rücken laufen liess.
Erhobenen Hauptes wandte ich mich der Person zu und blickte ihr direkt in die Augen.

Mein blondhaariger Onkel trat neben mich, «Das sind die Alphas und ihre Tochter vom Whitetree-Rudel. Darwin, Ethan und Andrea», stellte er uns dem Fremden vor.

«Aha, und bist du denn schon vergeben?», mit seinen Blicken versuchte er mich zu durchbohren, er suchte anscheinend nach etwas in meinen Augen, nach was wusste ich nicht.

«Selbst wenn, haben Sie denn etwas dagegen einzuwenden?»

«Nein, natürlich nicht. Aber, entschuldige die direkte Frage, du bist kein Werwolf, oder?», das hatte er also versucht durch meinen Blick herauszufinden.

«Nein, ich bin ein Mensch.»

Er nickte und ich wusste er fragte sich, warum ich dennoch eine stärkere Aura als ein Mensch besass. Doch auch dafür hatte ich eine Erklärung.

«Dadurch, dass ich von einem Alpha und einem Luna aufgenommen wurde und das Rudel mich respektiert, habe ich eine gewisse Machtausstrahlung.»

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Das Meeting verlief reibungslos, obwohl ich mich insgeheim fragte, wo der Sohn des fremden Alphas geblieben war.
Allerdings fragte ich nicht.
Was mich etwas beunruhigte, war die Art und Weise, wie der fremde Alpha mich beobachtete. Als warte er darauf, dass ich einen Fehler beginge oder mich verwandeln würde, obwohl er wusste, dass ich ein Mensch war und das somit nicht möglich oder wahrscheinlich war.

'Glaubst du, er weiss von mir?', fragte ich Ethan im Stillen, als wir das Rudelhaus verliessen.

'Warum meinst du?'

'Weil er mich zuerst so angeschaut hat, als würde er etwas an mir suchen und dann als ich ihm gesagt habe, ich sei ein Mensch, da hat er mich mit seinen Blicken regelrecht verfolgt. Es war, als würde er nur darauf warten, dass ich mich aus Versehen verwandle', erklärte ich und ein mulmiges Gefühl beschlich mich.

Reagan -Little Ruler-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt