Ein anderer Blickwinkel

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JAX
(1 Std. zuvor)

Jax schmunzelte, als der kleine Rotschopf kopflos nach hinten in die Backstube wuselte. Oli grinste breit und wackelte mit den Augenbrauen. Der Alpha schüttelte die Augen verdrehend den Kopf und folgte der jungen Frau. Als er sie an den Arbeitstisch stehen sah, die Schultern gesenkt, fast so als sei sie besiegt worden... da winselte sein Wolf leise und drängte Jax vorwärts. Sein Mensch sollte das Weibchen in den Arm nehmen und trösten. Sie streicheln, küssen, umwerben, sie zur Gefährtin nehmen, sie begatten, ihr beim Nestbau helf... WOW!
‚Ok, runter Junge! Viiiiiel zu schnell!' dachte der Alpha, während der Wolf beleidigt grummelnd sich niederließ und sauer schnaubte. Jax legte Emma behutsam die Hände auf die Schultern... ihre Wärme unter seinen Fingern, ihr Duft nach ... Kräutern? Wieso eigentlich Kräuter? Sein Wolf hörte auf zu schmollen und dachte sofort darüber nach, die Frau von Kopf bis zu den niedlichen kleinen Zehen abzuschlecken und wie das wohl am besten - und schnellsten(!) - zu bewerkstelligen war...

„Jaaaahaaax?" die nervtötende Stimme von Bianca riß den Mann ins hier und jetzt zurück. Verdammt... wo die Schwester war, war die vertrottelte Freundin Kimberly nicht fern. Allein der Gedanke an die Delta brachte sein Seelentier dazu, sich die nächste Klippe zu fröhlichen Runterhüpfen aussuchen zu wollen. Jax unterdrückte ein Seufzer, strich dem süßen Mädel vor sich zärtlich mit den Fingerspitzen über die Wange - er konnte sie nicht verlassen ohne sie wenigstens kurz zu berühren.
Dann drehte er sich um und ging rasch in den Verkaufsraum, bevor seine zickige kleine Schwester auf den Trichter kommen würde, hinten nach ihm zu suchen. Aaron sah ihm entschuldigend entgegen, Jax zwinkerte ihm kurz beruhigend zu und wandte sich Bianca und (wer hätt's gedacht?) Kimberly zu. Diese trat sofort zu ihm und sah unter bebenden Wimpern in sein Gesicht auf. „Hi Jax... verzeih, ich meinte natürlich: mein Alpha..." Oliver hustete und versteckte so einen halben Lachanfall, während Aaron so aussah, als wolle er seinen Kopf mit einer Wand vereinen.. und das gleich mehrfach!

Kurz darauf tauchte Emma mit den Bestellungen für das Rudel auf und der zweite Beta nutze die Gelegenheit, um damit beladen der Situation zu entfliehen. Bianca wiederum bewies, dass ihre Kinderstube ernsthaft versagt hatte und beleidigte sofort munter drauf los. Und Kimberly, dieses dumme Stück Toastbrot machte natürlich direkt mit, ganz der brave Lemming, der sie nun mal war. Doch dann ging alles so richtig in die Binsen. Bianca genügte sich nicht mehr mit einem kleinen Sticheln, nein, nein... sie fuhr jetzt die großen Geschütze auf. Jax sah, dass die Beleidigung nicht nur unter die Gürtellinie ging, sie verletzte den niedlichen kleinen Rotschopf zutiefst, auch wenn der Alpha deutlich spüren konnte, dass die Erinnerung die da aufstieg, wesentlich schlimmer schmerzte, als der Müll, den das Miststück von Schwester so von sich gab.
Und dann... DANN WAGTE BIANCA AUCH NOCH, DIE KLEINE GEGEN DIE WAND ZU SCHMETTERN, SIE ZU SCHLAGEN?! Und quoll da etwa Blut aus der Schnittwunde auf ihrer Wange?! Jetzt reichte es Jax. Er hatte endgültig die Schnauze voll. „RAUS HIER!" brüllte er Bianca und die schwarzhaarige, hohlköpfige Nervensäge, die sich an ihm rieb an und knurrte in Richtung seines ersten Beta: „Oli, bring sie zum Haus und sag Mutter Bescheid. Ich kümmere mich darum, wenn ich wieder da bin!" Er bekam nicht mit, wie sein grimmig dreinschauender Beta die beiden Bälger aus der Bäckerei trieb.

Jax griff nach einem Tuch und wollte es behutsam auf die Blutung drücken. Doch die traumatisierte junge Frau wollte nichts von seiner Hilfe wissen und warf ihn kurzerhand aus der Bäckerei. Der Alpha bekam kaum mit, wie ihn sein Beta aus der Situation rauszog und kaum hatten sie den Laden verlassen, hörte Jax, wie der Riegel vorgelegt wurde. Wutschnaubend marschierte Jackson auf den Wagen zu, riss die Hintertür auf und fixierte die beiden Delta-Wölfinen mit einem eisigen Blick. Bianca flüsterte: „Jax... es tut mir l.." „Still!" zischte er wütend. „Ich hab genug, Bianca! Du willst dich wie ein arrogantes, verzogenes Balg aufführen? Bitte!!! Dann musst du ab jetzt auch mit den Konsequenzen leben!" Die drei Männer stiegen ein und Aaron trat das Gaspedal bis zum Boden durch. Er bretterte regelrecht und schaffte die Strecke zum Rudelhaus unter 10 Minuten.

Sophie Boldren wartete bereits mit verschränkten Armen vor der Villa und sah zutiefst enttäuscht auf ihre Tochter. „Mama..?" fragte diese zaghaft. Die Luna wies nur wortlos mit hinter sich und sah dann ihren Sohn an. Bianca und Kimberly schlichen ins Haus um auf das Urteil der erfahrenen Frau zu warten. Jax wollte gerade eine Ansage machen, da horchte sein Wolf auf. Nein... kein Geräusch... kein Geruch... ein Gefühl drängte das Seelentier zu Wandlung. Und Jax, schon immer im reinen mit diesem zweiten Teil seiner Seele folgte dem Bedürfnis. Auch seine beiden Betas wandelten sich und gemeinsam stürmten die drei riesigen Wölfe durch den Wald. Bald schon hörten sie es... ein herzzerreißendes Jaulen, Fiepen und Winseln wies ihnen den Weg zu einem schmalen Nebenfluss, mehr ein Bächlein. Und dort lag zusammengerollt ein winziges rotes Wölfchen und jaulte sich die Seele aus dem Leib. Der Schmerz, der von der Kleinen ausging war für die drei Wandler körperlich spürbar und die Seelentiere weinten mit ihr. Die süße kleine Omega litt und die Beschützerinstinkte der Männchen feuerten völlig außer Rand und Band geraten los.

Jax trabte zu der Wölfin und sah, dass sie ihre Zähne in das linke Vorderbein gegraben hatte. Die Augen waren zusammengekniffen und die Atmung mühsam, schwerfällig...
Der Alpha fuhr mit der Nase in ihr Nackenfell, dann beschnupperte er die niedlichen kleinen Ohren und knabberte zärtlich an den Ohrspitzen. Zitterkrämpfe durchliefen den Körper der Omega, daher legte Jax sich hinter sie, zog den Körper mit der Vorderpfote an seine so viel größere, massigere Gestalt und beschnüffelte das verletzte Bein. Sanft leckte er das Blut fort und säuberte so die Wunde. Dabei schnurrte er, um die Kleine zu beruhigen - was auch klappte... zumindest bis Oli sich wandelte Als er sprach, riß seine Stimme die Winzwölfin aus der Trance. Obwohl Jax sein Schnurren verstärkte, drang er zu der völlig verängstigteren Omega nicht mehr durch. Diese zog sich fiepend zurück und wetzte schlussendlich in den Wald davon. Aaron folgte ihr mit kleinen Abstand und Oli raufte sich die Haare. „Scheiße, Jax! Das wollte ich doch nicht! FUCK!!!!" Der Alpha wandelte sich ebenfalls und sah seinen besten Freund an.
„Mach dir keine Gedanken, Oliver. Mein Wolf hat gerade seine Gefährtin gewählt... und ich hab nicht vor sie jemals zu verlieren!"

EmmaWhere stories live. Discover now