Wasser

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EMMA

Der Aufprall schmetterte Emma in den Sicherheitsgurt und sie konnte spüren, wie zwei Rippen brachen. Dann kam das Wasser. Es strömte durch die geborstene Windschutzscheibe hinein und stieg rasend schnell höher... was bedeutete, dass das Autowrack rasch immer tiefer in die tosenden Fluten des Rheins versankt. Emma schrie nur einmal kurz auf, dann zwang sie ihre Panik zur Ruhe und dachte blitzschnell nach.
Auch wenn ihr erstes Rudel sie permanent eingesperrt hatte, war sie nicht weltfremd...
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Die junge Frau spürte, wie ihre Wölfin aufsteigen wollte um ihren Menschen zu retten. ‚Noch nicht!!!' dachte Emma und drängte ihr Seelentier zurück. Sie wandelte einen Fingernagel in eine scharfe Wolfsklaue und durchtrennte rasch den Gurt. Dann packte sie ihren kleinen Rucksack - sie hatte noch nie etwas für Handtaschen übrig gehabt - und zog die Riemen fest. Das Wasser reichte ihr bereits bis ans Kinn, Emma warf schnell einen prüfenden Blick auf Beta Christian Leiner. Sein Kopf hing in einem unnatürlichen Winkel zur Seite.

Sein Tod berührte sie nicht. Genauer gesagt, sie hatte den Drecksack wie die Pest gehasst. Der Beta hatte zu der Sorte Mensch gehört, die sich am Leid anderer Leute aufgeilte. Kaum hatten sie das Anwesen der Blackfords hinter sich gelassen, war der Bastard rechts ran gefahren und hatte ihr das Missfallen des Hamburger Alphas zum Ausdruck gebracht. Mit wohl platzierten Faustschlägen und Tritten in den Bauch, versteht sich. Durch Emmas Intervention war das wichtige Geschäft mit dem Blackford Rudel geplatzt, indem sie der gewählten Gefährtin und Mit-Omega Alia das Leben gerettet hatte. Somit hatten die Drillingsalphas nicht Emma als nächste Luna, sondern natürlich Lia gewählt. Die Frau, die sie bereits seit Jahren liebten.
Emma hatte den Blackfords nie gesagt, dass sie deren Rudel quasi für die Übernahme durch das riesige Hamburger Rudel hatte vorbereiten sollte. Dieser Plan war natürlich nun auch buchstäblich den Rhein runter und Emma begriff, dass sie hier die einzigartige Möglichkeit hatte, ihr Leben selbst in die Hand zunehmen. Dazu musste sie nur überleben... Leichter gesagt, den just in diesem Moment überspülte das Wasser ihren Kopf. Die junge Frau wartete, bis das Auto den Grund des tosenden Flusses erreichte, dann stemmte sie die Wagentür auf. Jetzt, da der Druck ausgeglichen war, ließ sich das verdammte Ding endlich aufschieben. Der Wagen wurde von wirbelnden Trümmer getroffen und durch den Schlamm des Flußbettes geschleudert. Emma glitt aus dem Wrack und stieß sich mit aller Kraft ab. Sie schnellte an die Oberfläche und tat einen lebensrettenden Atemzug. Sofort wurde die Omega wieder von den Wellen und Stromschnellen unter Wasser gedrückt, während der Fluss sie rasend schnell mit sich riß.

Emma wußte hinterher nicht mehr, wie lange sie gegen das Ertrinken kämpfte... doch irgendwann wurde die junge Frau in einer Flußbiegung nahe genug am Ufer vorbei getrieben, dass sie sich an den starken Zweigen einer Trauerweide festklammern und sich allmählich Stück für Stück aus dem Wasser ziehen konnte...
Hustend und röchelnd kroch die rothaarige Omega an Land. Sie war zerschlagen und völlig ausgekühlt, da spürte sie wie durch Nebel, dass langsam ihre Wölfin aufstieg. Mühsam und zitternd zog Emma sich aus, ließ den kostbaren Rucksack neben sich auf den Boden gleiten und wandelte sich in ihre kleine rote Wölfin. Diese zog die Kleidung und den Rucksack unter die Trauerweide, die ihr das Leben gerettet hatte, rollte sich totmüde zusammen und schlief augenblicklich ein.

Viele Stunden später wachte Emma auf, wandelte sich kurz in einen Menschen. Dann breitete sie ihre immer noch nassen Sachen in der Sonne auf dem Gras zum trocknen aus und öffnete den Rucksack. Zum Glück war dieser von ausgesprochen stabiler Machart und nicht nur gutgepolstert, sondern auch noch wasserdicht. Alle ihre Sachen waren wie durch ein Wunder heil geblieben, allem voran der Flakon mit dem wertvollen Kräuterparfüm, welches Alia ihr geschenkt hatte. „für den Fall, dass du entkommen kannst... damit du unsichtbar wirst..."
Auch die kleinen violetten Pillen, die einen Östrus verhinderten waren noch da. Seufzend vor Erleichterung schickte Emma ein kurzes Dankgebet an die Göttin. Dann, nachdem sie noch kurz ihr Portmonee überprüft hatte, packte sie alles wieder ein und wandelte sich wieder. Sie rollte sich um ihre Besitztümer im Sonnenlicht zusammen und schlief wieder ein.
Als Emma das nächste Mal erwachte, fühlte sie sich erstaunlich erholt. Sie wechselte in ihre Menschen-Gestalt und zog ihre endlich trockenen Klamotten wieder an. Dann schulterte Emma den Rucksack und machte sich auf den Weg. Sie verließ sich auf die Instinkte ihrer Wölfin und kam nach einem mehrstündigen Fußmarsch in ein kleines Dorf, das idyllisch sich an die Ufer des Rheins schmiegte.
Langsam schlenderte die junge Frau über die Hauptstraße und fragte schließlich eine ältere Dame: „Guten Tag, bitte... können Sie mir sagen, ob es hier eine Übernachtungsmöglichkeit gibt?" Die Dame lächelte das erschöpfte Mädchen an und sagte: „Da haben haben Sie Glück, mein Kind... ich habe ein Fremdenzimmer zu vermieten.."
„Wirklich? Oh, das ist großartig! Mein Name ist übrigens Emma." Die kleine Omega schluchzte fast auf vor Erleichterung und die Dame hakte sich bei ihr unter. „Kommen Sie, Kindchen! Sie sehen so aus, als ob Sie gleich im stehen einschlafen!"

Die resolute Frau in den späten Fünfzigern stellte sich als Klara Schreiner vor und schloss die Tür zu einem niedlichen Fachwerkhäuschen auf. Sie zeigte Emma das Zimmer, welches zwar nicht groß, dafür aber sauber und liebevoll eingerichtet war. „Haben Sie schon was gegessen, meine Liebe?" fragte Klara, während sie in ihrer Küche herumwuselte. Emma schüttelte müde den Kopf. „Nun dann... machen Sie sich frisch, das Badezimmer ist die Tür an Ihrer rechten und ruhen sich etwas aus. Wenn das Essen fertig ist, werd ich Sie rufen!" Emma sah sie mit dankbar leuchtenden Augen an und tat genau das, was Frau Schreiner ihr geraten hatte. Klara sah dem Mädchen hinterher. Sie war selbst eine Wandlerin und wusste instinktiv, welch ein Schatz hier in ihrem Haus war. Doch Emma hatte erneut Glück. Die ältere Dame hatte selbst eine Omega-Tochter gehabt und diese unter Zwang an ein fremdes Rudel verloren. Und der kleine Rotschopf weckte nun ihre Mutterinstinkte. Klara legte einen Morgenmantel auf das frischbezogene Bett und begann mit der Kartoffelsuppe.

Sie würde die Kleine schon wieder aufpäppeln! Und wer weiß, wenn Emma ihr irgendwann vertraute, würde sie ihr vielleicht auch erzählen, was ihr geschehen war....

EmmaWhere stories live. Discover now