SECHS UND FÜNFZIG

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Seit Stunden saß ich im Regenbogenraum und starrte ins Leere. Mein Rücken lehnte an der kalten Wand. Mein Blick fuhr über die verschiedenen Farbschichten des Regenbogens. Eddies Tränen hingen mir nicht aus dem Kopf. Die Trauer in seiner Stimme. Sein Verlust. Er hatte mich verloren, wusste nicht ob ich noch lebte. Doch er hatte mich gespürt. Er hatte mich gestern gespürt. Vielleicht gab es ihm ein wenig Licht. Mein Kopf dröhnte und ich spürte wie mein Körper nach seiner Nähe schmerzte. Nach ihm. Nach uns. Eine einzelne Träne lief meine Wange hinab und tropfte auf die Nummer an meinem linken Handgelenk. Ich war nur eine Nummer. Die Nummer eines Projekts. Herab gestuft und als Gegenstand gehalten. In diesem Moment öffnete sich die Flügeltür und mein Besitzer trat herein. Freudig kniete er sich vor mich. Reglos starrte ich weiter an die Wand hinter ihm. Als blickte ich direkt durch ihn hindurch.

„Ich habe die Lösung gefunden."

Langsam sah ich ihm in die grauen Augen. Leichte Fältchen legten sich um seine Lider. Man sah ihm sein Alter an, doch auch die vielen Nächte die er in seinem Büro verbrachte.

„Ich weiß, wieso du plötzlich all das kannst. Wieso du plötzlich bist... wie Elf."

Er konnte ihren Namen kaum aussprechen. Scheinbar schien sie Wunden in ihm ausgelöst zu haben. Doch ich hakte nicht weiter nach. Wartend zog ich eine Augenbraue an. Doktor Brenner legte seine Hand an meinen Knöchel und ich zuckte kurz zusammen. Doch er strich nur sanft über meine Narbe.

„Der Schnitt des Mindflayers. Er verbündete sich mit dir. Doch als er vernichtet wurde, erlosch diese Verbindung."
„Aber wieso-"
„Du wurdest gebissen, oder nicht?"

Langsam kamen mir die Bilder. Als ich im Upside Down war, vor einigen Tagen, Wochen, Monaten. Eine Fledermaus biss mich als ich versuchte zu fliehen.

„Eine Fledermaus."

Doktor Brenner nickte zufrieden. Als wäre ich ein kleines Kind welches, das erste Mal eine schwere Rechenaufgabe lösen konnte.

„Die Fledermaus verbündete sich mit dir. Vermischte deine DNA mit der DNA des Upside Downs. Alles was es dort gibt, jedes Monster, jede Gestalt... alles wurde erschaffen von ihm."
„Von wem?"
„Du bist ihm schon begegnet."

Vecna. Leise flüsterte ich seinen Namen und der Doktor nickte.

„Deswegen bist du hier."
„Ich verstehe nicht."
„Du bist keine Gefangene, Nova."

Ein Schauer lief über meinen Rücken als er zum ersten Mal meinen Namen aussprach.

„Ich möchte dich trainieren, deine Kräfte stärken. Du wirst gegen ihn kämpfen. Du wirst ihn töten."

Doktor Brenner senkte kurz den Blick und presste seine Lippen aufeinander bevor er mich wieder besorgt ansah.

„Oder er tötet uns."

Mir blieb die Luft weg und ich versuchte alle Informationen auf einmal zu verarbeiten.

„Wir sind getrennt von ihm. Durch das Upside Down."
„Er erschafft Portale. Immer und immer mehr. Er tötete weitere Menschen, so wie eure Mitschülerin. Er sammelt an Kraft. Für den finalen Kampf."

Meine Gedanken kreisten so schnell, dass ich vermutete mich übergeben zu müssen. Doktor Brenner erzählte mir weiter von dem Plan, von dem großen Plan wie ich Vecna aufhalten sollte. Doch ich schweifte immer weiter ab. Meine Gedanken drehten sich um einzelne zusammenhängende Wörter.

Er erschafft Portale. Er tötet weitere Menschen.

Meine Freunde, meine Familie. Eddie. Ich musste zu ihnen. Wenn Doktor Brenner der Meinung war, ich könnte Vecna besiegen. So würde ich es alleine schaffen müssen. Er würde nicht mit mir gehen. Ins Upside Down. In der vergangenen Zeit hatte er mir alles beigebracht was ich wissen musste, auch wie ich dieses Wissen intensivieren konnte. Ich würde es auch alleine schaffen, mich zu stärken. Elfi wäre bei mir. Steve wäre bei mir. Sie alle wären es. Eddie wäre es. Ich musste ihn beschützen. Wer konnte ahnen, wer als Nächstes dran sein würde. Doch musste ich an seiner Seite stehen, so wie ich es versprochen hatte. Doktor Brenner hatte ihn nicht mehr gegen mich in der Hand. Eddie war auf der Flucht, so wie meine Freunde. Sie saßen nicht mehr im Keller vor dem Computer. Sie konnten nicht mehr kontrolliert werden. Sie waren frei. So war ich es auch. Das Druckmittel war fort. Doktor Brenner sprach weiter auf mich ein während ich bereits einen Entschluss gefasst hatte. In dieser Nacht würde ich ausbrechen. Ich würde ausbrechen und auch wenn ich dabei sterben sollte. So hatte ich es wenigstens versucht. Lieber starb ich bei dem Versuch Eddie zu retten, als ihn sterben zu lassen mit dem Gewissen nichts dagegen unternommen zu haben. In meinem Kopf bildete sich eine Idee nach der Anderen. Ich ging sämtliche Optionen durch die ich hatte. Doch schien jede einzelne vollkommen waghalsig. Fast schon wahnsinnig. Lebensmüde. Ich musste es versuchen. Für meine bedingungslose Liebe Eddie gegenüber. Doch vorher würde ich genau diesen Menschen aufsuchen. Ich würde erneut Wandern. Ich würde wandern in diesen dunklen Raum. Eddie sollte wissen das ich auf dem Weg bin, dass ich ihn suchen werde. Ich wollte ihn noch ein einziges Mal sehen, wer wusste schon ob ich diese Nacht überleben sollte. Vielleicht würde ich sterben. Sehr wahrscheinlich würde ich sterben. Doch war es in Ordnung. Ich war im reinen mit mir. Mit dem Gedanken Eddie zu retten. Mit dem kleinen Funken an Hoffnung vielleicht bald wieder in seinen Armen zu liegen.

HELLFIRE || Eddie Munson FanfiktionWhere stories live. Discover now