-Kapitel16-

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Triggerwarnung: Anxiety und Mental Illness

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Der Fernseher ging ohne Probleme an. Mehrere Tage waren nach dem ersten Abend mit Oliver vergangen. Mehrere Tage oder waren es schon Wochen? Ich hatte kein Zeitgefühl mehr. Jeder Tag glich dem anderen. Ich hatte innerhalb dieser Tage ein einziges Mal wieder entfernt von ihm gesessen und Fast and Furious angeschaut. Ich wusste ich hätte jeden Tag den Fernseher nutzen können. Genügend Streaming Angebote gab es. Ich hätte mich zwischen Joyn, Amazon, Netflix und Sky entscheiden können. Oliver war weg. Schon seit einigen Stunden. Unten hörte ich nur wie der Aufzug manchmal auf ging. Wahrscheinlich war es Axel. Axel war wirklich ...nett zu mir? Er hatte nicht wie Oliver ein höhnisches grinsen. Er war freundlich zu mir mit einer bestimmten Distanz. Ich glaube er hatte vielleicht sogar Mitleid gegenüber mir empfunden. Ich hatte ein paar Stunden auf dem Balkon verbracht, doch dann zog ein Gewitter auf. Ich wusste nicht was ich tun konnte und somit hatte ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer gemacht. Ich zappte im Fernsehen herum, bis ich The Simpsons fand. Eine Folge die ich schon oft gesehen hatte. Ich setzte mich noch immer ein bisschen steif auf das Sofa. Irgendwann tat mein Rücken weh und somit lehnte ich mich etwas zurück und sank in das weiche Sofakissen hinein. Marge eröffnetet ihr Gym nur für Frauen. Nach der Folge zappte ich enttäuscht weiter, bis ich auf der Tagesschau landete. Ich schluckte urplötzlich hatte ich das Gefühl. Das Gefühl, wenn du etwas Verbotenes tust. Das Gefühl, als ob alle Augen auf dir liegen. Die Blicke die sich in deinen Hinterkopf brennen. Doch es war bei mir nicht so. Ich tat nichts verbotenes, trotzdem musste ich mich umdrehen absolute Stille und nur ein Licht von der Deckenlampe erschien. Stille. Stille. Susanne Daubners Gesicht erschien. Nach einer Meldung über die Einigung der Koalition bezogen auf den Asylstreit erschien es. Das Gesicht. Ich erkannte sie zunächst nicht. Sie war mir fremd, für ein paar Sekunden, bis ich ihr Gesicht wirklich sah. Ihre blauen Augen, ihr Lächeln, ihr Gesicht was so voller Leben war. Das Foto war in der Sommersonne aufgenommen wurden. Die Augen waren leicht zugekniffen. Ich hatte das Gesicht oft genug betrachten können. Im Spiegel, in der Spiegelung der Schulfenster, in der Handy Kamera. Ich sah in mein Gesicht. Ich sah mich, bevor ich realisieren konnte, was unter meinem Bild stand wurden Ausschnitte von einem gewissen ermittelnden Kommissar gezeigt. Sein Gesicht verschwamm. Ich hörte keine Worte von ihm. Nur ein dumpfer Schmerz erfüllte mich. Er breitete sich in meinem ganzen Körper aus. Nur das Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Das Gefühl, wenn alles stehen bleibt. Meine Eltern wurden gezeigt. Meine Mama wurde gezeigt. Sie war dünner geworden und die leblosen Augen meines Vaters erschreckten mich. Für gefühlt eine Minute starrte ich auf den Bildschirm, bevor ich es spürte. Die welle voller Angst. Mein Atem explodierte. Meine Schultern zuckten bebend. Ich musste aufstehen. Ich musste weg. Ich musste atmen können. Ich ging schnurstracks in das Zimmer. Das Zimmer in dem ich so viele Stunden verbracht habe. Es rauschte in meinem Kopf. Ich hörte nur die Stimme von Susanne Daubner. Sie ist seit über 25 Tagen spurlos verschwunden. spurlos verschwunden. verschwunden. Verschwunden. Die Worte hallten in meinem Kopf. und dann die Augen meiner Mutter. Die Augen der Frau die ich über alles vergöttere. Wie sie in die Kamera sahen. Ich sah in ihnen Angst. Hoffnung und Wut. pure Wut. Ich spürte diese Wut. Ich spürte den puren Hass, den ich auf ihn verspürte. Und dann konnte ich es nicht kontrollieren. Meine Hand raste rasant hervor. Die ersten Bücher fielen heraus. Schmerz durchzuckte meine Hand. Dann gab es keinen Halt mehr. Wie von allein riss ich die Bücher aus den ganzen Regalen. Ich schmiss sie heraus und ja der Schmerz. Er tat gut. Besser als jemals. Ich wollte den Schmerz fühlen. Schmerz, der nicht an den Schmerz herankam, den ich seit Wochen spürte.

Danach kam der Umbruch. Eine urplötzliche Sekunde nachdem ich mit bebenden Schultern sinnlos herumstand. Was hatte ich getan? Meine Hände waren rot. Sie zitterten. Sie waren mit kleinen Kratzern übersehen. Sie zitterten, jedoch nicht mehr vor Wut sondern Angst. Ich spürte meinen Atem nicht mehr und dann schrie ich. Schrie ich wie ich noch nie geschrien habe. Bis jetzt weiß ich nicht ob ich geschrien habe, ob überhaupt ein Ton herauskam und dann spürte ich die Hände um meinen Körper. Sie versuchten mich zu beruhigen, doch es gelang ihnen nicht. Ich wollte der Person, die mich unterbrach beim Schreien weh tun. So sehr weh tun. Ich kratzte und versuchte meinen Oberkörper zu befreien. Lass mich. Lass mich in meinem Schmerz, dachte ich mir. Lasst mich doch... doch alle Kraft wich aus meinem Körper. Ich glitt zu Boden. Heiße Tränen rinnen über mein Gesicht. Meine Sicht verschwand und ich schluchzte ohne Unterbrechung. Der Oberkörper hinter mir hielt mich fest an sich gepresst. Bevor ich fassen konnte, was ich da tat verlies mich die letzte Kraft. Ich sackte zusammen und lehnte mich schluchzend an den Körper. Ich hatte verloren. Hatte verloren. Hatte meine Familie und mein altes Leben verloren. Die warme Hand strich federleicht meine Haare aus dem Gesicht, während ich weiter weinte. Ich wünschte mich zurück. Wünschte die Hand meiner Omi, die über meine Haare strich. Wollte die Umarmung von Lizzy oder Marie. Wollte ihren Duft einatmen, doch es war eine Illusion. Nur eine Illusion. Ich sah vor mir nur den Berg an Büchern. Sie waren nicht da. Sie werden niemals wieder hier sein.

Der Männerkörper hielt mich. Er hielt mich wahrscheinlich mehre Stunden lang. Oliver hielt mich. Die ganze Zeit.

Promises are forever, arent they?Where stories live. Discover now