~twenty-five~

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Jocelyns Sicht:

24. Dezember 2019

Die Nachricht hörte sich beunruhigend an und Harrys Reaktion machte es nicht gerade besser. Er saß hinter dem Steuer, umklammerte das Lenkrad und starrte starr geradeaus.

   ,,Harry?“, fragte ich und berührte ihn am Arm.

   ,,I-ich…“, hauchte er angestrengt.

Sein Kopf drehte sich zu mir und ich sah die Panik in seinen Augen. Er ließ das Lenkrad los und fasste sich an den Hals.

   ,,I-ich…“, krächzte er und rang verzweifelt um Atem.

   ,,Harry!“, stieß ich verängstigt aus. ,,Was kann ich tun? Was ist los?“

   ,,Tasche… hinten“, kam es heiser von ihm, während er sich immer weiter verkrampfte.

Ich lehnte mich nach hinten und kramte in der kleinen Tasche, die er aus seinem Haus mitgebracht hatte. Dort fand ich einen Inhalator. Er hatte Asthma?

Schnell reichte ich ihm das Ding und er führte ihn zittrig an seinen Mund. Er atmete tief ein, gleich ein paar Mal hintereinander. Seine Atmung beruhigte sich und er legte den Kopf mit geschlossenen Augen an die Kopfstütze.

   ,,Scheiße, Harry. Was war das?“, fragte ich schluchzend, weil ich mit der ganzen Situation völlig überfordert war.

Er atmete noch einige Male tief ein und wieder aus.

   ,,Ich habe Panik bekommen und dann-…“, er räusperte sich, klang heiser. ,,Dann schlägt immer das Asthma zu.“

   ,,Ich hatte so Angst.“ Weinend vergrub ich mein Gesicht an seiner Schulter.

   ,,Hey, Süße. Ist doch alles gut gegangen. Du hast das toll gemacht. Alles in Ordnung“, redete er beruhigend auf mich ein.

Harry umfasste mein Kinn mit den Fingern und zwang mich dazu, ihn anzusehen. Er lächelte mich sanft an und drückte dann seine Lippen auf meine.

   ,,Alles wieder gut?“

Ich nickte und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Harry schaltete in den nächsten Gang und fuhr weiter, als wäre nichts gewesen. Sein Handy lag im Fußraum, doch ich dachte gar nicht daran, dieses miese Teil aufzuheben.

Den Rest der Fahrt grübelte ich darüber nach, was dieser Louis meinte. Und wer er war. Hatte Livy nicht immer von ihm gesprochen, wenn sie von Harrys alter Band geschwärmt hatte? War er einer seiner alten Bandkollegen?

Irgendetwas musste vorgefallen sein. Etwas Schlimmes, dass Harry schon von seiner Stimme eine Panikattacke bekam.

Ich musterte die Umgebung. Überall waren Bäume und Felder. Hier war es so anders als in London. Nach einem langen Waldstück eröffnete sich uns ein Dorf. Nicht groß, aber hübsch. Wir fuhren an einer schönen Brücke vorbei, direkt ins Dorf.

Ich las das Ortsschild. Holmes Chapel. 5669 Einwohner. Harrys Heimat. Es war mittlerweile schon fast Abend und wir waren beinahe vier Stunden gefahren. Harry bog am Ende der Hauptstraße in ein kleineres Wohngebiet ein und hielt schließlich vor einem hübschen Haus.

   ,,Tja, da sind wir“, seufzte Harry und sah mich an.

   ,,Ich muss zugeben, ich bin ein wenig nervös“, murmelte ich verlegen.

Daraufhin legte er mir seine Hand aufs Bein.

   ,,Keine Sorge. Mum und Gemma waren ganz begeistert, als ich ihnen von dir erzählt habe.“

   ,,Sie wissen, dass wir…“

   ,,Dass wir zusammen sind? Ja, ich habe es ihnen gestern am Telefon gesagt“, meinte Harry grinsend und küsste mich auf die Wange.

Dann öffnete er die Fahrertür und stieg aus. Ich tat es ihm gleich und klammerte mich an seinen Arm, während wir zur Haustür gingen. Er sah mich aufmunternd an, bevor er klopfte.

Der Schlüssel drehte sich im Schloss und es wurde geöffnet.

   ,,Harry?“, fragte eine Frau.

Sie war etwa so groß wie ich, hatte lange, braune Haare und grüne Augen. Eindeutig Harrys Mum.

   ,,Harry!“, rief sie und schon wurde mein Freund von mir gerissen.

   ,,Hey, Mum“, begrüßte er sie.

   ,,Ich dachte, du kommst nicht?“

Harry zuckte die Schultern. ,,Wir hatten eine kurzfristige Planänderung.“

Er löste sich von ihr. ,,Wir?“, fragte seine Mum.

   ,,Mum, das ist Joey.“ Harry zog mich hinter sich hervor und legte seinen Arm um meine Taille.

Ich konnte förmlich sehen, wie seiner Mum die Kinnlade herunterfiel. Ihre Augen wurden ganz groß und sie hielt sich die Hand vor den Mund.

   ,,H-hallo. Ich bin Anne“, meinte sie dann mit einem warmen Lächeln.

   ,,Hallo, Anne. Es freut mich, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Jocelyn Marrys“, stellte ich mich richtig vor, nachdem ich den Kloß in meinem Hals losgeworden war.

   ,,Alles in Ordnung, Mum?“, fragte Harry belustigt.

   ,,J-ja, doch schon. Oh Gott“, sie schüttelte ein wenig den Kopf. ,,Ich bin nur gerade so baff. Sie ist… Du bist so wunderschön, Liebes. Und sag doch bitte ‚du‘ zu mir, ja?“

   ,,Danke“, sagte ich verlegen.

   ,,Ey, was’n das für ein krasser Schlitten da drauße-“, rief eine Frauenstimme aus dem Inneren des Hauses. Sie stockte, als sie sah, wer in der Tür stand.

   ,,HAZZA!!“, kreischte sie und sprang sofort in Harrys Arme, der sichtlich Mühe hatte, nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten.

   ,,Gemma“, keuchte er und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

Nach einer ausgiebigen Umarmung ließ Harry sie wieder runter und ihr Blick fiel auf mich.

   ,,Das ist meine Schwester. Verrückt und einzigartig“, lachte Harry.

   ,,Du bist also Joey“, sie hob eine Augenbraue und sah mich abschätzend an. ,,Spaß! Ich bin Gemma. Und nur dass das klar ist, Hazza ist mindestens genauso verrückt wie ich.“
Mir fiel ein Stein vom Herzen, als sie anfing, zu scherzen.

   ,,Hey“, antwortete ich kurz und drängte mich wieder an Harry.

   ,,Na kommt schon rein. Ist doch kalt draußen.“ Anne winkte uns rein.

Harry schob mich vor sich durch die Tür und atmete einmal tief durch.

   ,,Hach, es tut soooo gut, endlich wieder zu Hause zu sein. Und dass du dabei bist, macht es nur noch besser“, gestand er und küsste mich kurz auf die Lippen.

   ,,Uhhh! Zwei Turteltauben“, gackerte Gemma aus dem Wohnzimmer.

Wir folgten ihnen und Harry setzte sich auf eines der Sofas, wo er mich dann einfach auf seinen Schoß zog.

   ,,Du warst viel zu lange weg, Brüderchen.“ Gemma ließ sich neben uns in die Polster fallen und reichte jedem ein Glas Wasser.

   ,,Du hast recht. Obwohl die Tour echt schön ist, brauche ich echt mal ne Pause. Schlägt ziemlich auf die Nerven, die ganzen Mädchen und so“, seufzte er und nahm einen großen Schluck Wasser.

Ich stieß ihm den Ellenbogen in den Bauch.

   ,,Hey“, protestierte er. ,,Du natürlich nicht, Süße.“

Schmunzelnd schmiegte ich mich an seine Brust.

   ,,Und du hattest echt keine Ahnung, wer dieser Dickkopf hier ist?“, fragte Gemma irgendwann.

Ich schüttelte nur den Kopf. ,,Nein, hatte ich nicht. Er hat es mir ja schließlich auch nicht gesagt.“

   ,,Ich hatte jawohl gute Gründe“, mischte sich Angesprochener ein.

If I Could Fly ~A H.S. Lovestory~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt