~five~

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Jocelyns Sicht:

21. Dezember 2019

Ein Interview also. Ich hatte nicht erwartet, dass Harry doch so erfolgreich ist. Naja, immerhin wohnt er am Princess Park, dachte ich und ließ mich aufs Sofa fallen. Kurz überlegte ich, ob ich Livy anrufen sollte, doch ich hatte Harry ja mein Handy gegeben. Also schnappte ich mir die Fernbedienung vom Wohnzimmertisch und zappte durch die Programme.

Überall liefen Weihnachtsfilme, die ich mochte, doch ich konnte mich nicht entscheiden. Seufzend schaltete ich den Fernseher wieder aus und saß eine Weile einfach nur unschlüssig herum.

Harry telefonierte jetzt schon seit fast einer Stunde. Gefühlt alle fünf Minuten sah ich auf die Uhr. Halb zehn, halb elf. Irgendwann stand ich auf, zog das Sofa aus und winkte kurz in die Küche.

   ,,Nacht“, flüsterte ich Harry leise zu.

Er lächelte warm und winkte. ,,Schlaf gut.“

   ,,Danke, du auch.“

Er wandte sich wieder dem Display zu. Ich ging hoch in mein Schlafzimmer, zog mich aus und fiel dann tot ins Bett. Das war ein verdammt langer Tag gewesen. Lang und anstrengend. Hoffentlich hörte es bald auf, zu schneien, damit Harry nach Hause konnte. Zumal meine Familie bei so einem Schneesturm auch nicht kommen könnte, und das würde heißen, ich müsste das erste Mal in meinem Leben Weihnachten allein verbringen.

Ich dachte über alles Mögliche nach. Darüber, was meine Eltern wohl dazu sagen würden, dass ich einen Fremden in mein Haus gelassen hatte. Wahrscheinlich würde meine Mom ausflippen und mir einen Vortrag über Verantwortlichkeit halten, während Dad die ganze Zeit nur missbilligend den Kopf schüttelte.

Sie hatten genau geplant, wie mein Leben und vor allem mein Mann aussehen sollte. Ich hatte damals keine Lust auf englische Literatur im Hauptfach am College gehabt, es aber zuliebe meiner Eltern gewählt und auch erfolgreich abgeschlossen.

Während meines Studiums hatte ich dann ein Praktikum bei Concours-Publishing und wurde – überraschender Weise – auch fest angestellt. Jetzt hatte ich einen vielversprechenden Job und eine gute Aussicht auf eine Zukunft als Geschäftsführerin.

Fehlte nur noch der Mann im Haus. Schon als Kind hatte Mom mir ihr Ideal eines perfekten Mannes eingetrichtert. Er musste durch und durch ein Gentleman sein. Höflich, nett und zuvorkommend. Am liebsten blond mit blauen Augen, durchschnittlich groß und in meinem Alter. Damals fand ich noch lustig und hatte überhaupt nichts dagegen, dass meine Mom einen solchen Mann an meiner Seite wollte.

Aber seitdem ich in dem Verlag arbeitete, war ich mir da nicht mehr so sicher, ob ich das wirklich wollte. Mein Chef, Ray Concour, passte nämlich perfekt in das Männerschema meiner Mom. Er erfüllte alle Punkte und das Beste war, dass meine Eltern ihn kannten. Ray hatte nach dem Studium, welches er ein Jahr vor mir beendet hatte, gleich im Verlag seines Vaters angefangen und ihn dann vor einem Jahr übernommen.

Ich mochte Ray, keine Frage, aber schon damals auf dem College, als meine Mom und verkuppeln wollte, war er mir zu wenig. Er langweilte mich mit seiner perfekten Gentleman-Art. Klar, ich hatte nichts gegen freundliche Männer, aber er war zu freundlich. Und das gefiel mir nicht. Ich brauchte jemanden, mit dem ich auch ab und zu mal stritt.

Streit und danach die Versöhnung waren für mich ein Grundbaustein einer Beziehung. Neben bedingungsloser Liebe und Vertrauen. Es war wichtig, wie ich fand. Gehörte einfach dazu.

Ich wusste noch, wie meine Mom so davon besessen war, mich mit Ray zusammen zu bringen. Ich schüttelte den Kopf. Das versuchte sie immerhin heute noch.
Irgendwann schlief ich dann endlich ein und träumte von Katzen in Tannenbäumen und Elfen, welche die Geschenke vertauschten.

Am nächsten Morgen wachte ich schon um kurz vor acht auf. Gut gelaunt bereitete ich das Frühstück vor.

If I Could Fly ~A H.S. Lovestory~Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang