Kapitel 10

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Ich saß mit meiner Mutter bereits im Auto, während sie fuhr.
Sie schien zu bemerken, dass etwas nicht stimmte.

,,Möchtest du Dr. Hill anrufen und mit ihr darüber sprechen, wenn wir bei Tante July angekommen sind?'' fragte sie mich.
,,Nein, mir geht es gut'' antwortete ich ihr, während ich aus dem Fenster schaute und versuchte meine Fassade weiterhin aufrecht zu halten.

,,Es ist in Ordnung, darüber zu sprechen, Clay'' fing sie an.
,,Er war ein sehr wichtiger Mensch für dich, das wissen wir alle'' fuhr sie fort.
Ich sagte darauf nichts und hoffte einfach, sie würde das Thema lassen.

Ich schloss meine Augen, atmete einmal tief durch und schaute sie an.
,,Wie geht es jetzt weiter?'' fragte ich sie und meinte offensichtlich, unsere aktuelle Situation.

,,Ich habe mich von deinem Dad getrennt'' fing sie nun an.
,,Wir werden, bis ich für uns etwas gefunden habe, bei Tante July wohnen'' fuhr sie fort.
Ich seufzte und verdrehte meine Augen.

,,Ich weiß, dass die Situation und auch der heutige Tag dir schwer zusetzt, das tut mir leid'' sie nahm eine Hand vom Lenkrad und legte sie an meine Wange.
,,Du bist ein starker, intelligenter und gut erzogener junger Mann, das schätze ich an dir so sehr'' 

Ihre Worte fühlten sich falsch an, mehr als falsch.
Ich war nicht stark.
Ich war nicht intelligent.
Und gut erzogen war ich auch nicht, denn ich behandelte Menschen oft, sehr oft wie scheiße.

,,Kannst du mir einen Gefallen tun?'' fragte ich sie.
,,Alles mein Schatz'' sagte sie.
,,Kannst du aufhören, immer Tante July zu sagen? Ich nenne sie selbst nur July'' wies ich sie daraufhin.

Sie setzte ein sanftes Lächeln auf.
,,Wenn du mir den Gefallen tust und dich mit George verträgst'' entgegnete sie.
Erneut verdrehte ich meine Augen.

,,Es ist wichtig'' sagte sie.
,,Für wen? Für euch, damit wir uns nicht die Köpfe einschlagen?'' fragte ich.
,,Erstens das und zweitens, weil ihr eine Familie seid'' entgegnete sie.

Familie? George und ich waren alles andere als eine Familie.
Wir waren keine Cousins, wir waren keine Freunde - wir waren nichts und wollten auch nichts miteinander zu tun haben.

,,Das habe ich schon versucht, er will nicht'' erzählte ich ihr.
,,Dann zeig ihm, dass du es ernst meinst'' antwortete sie.
,,Was ernst meine?'' fragte ich.

,,Sein Freund sein zu wollen'' sagte sie.
,,Das hört sich etwas falsch an, Mom'' entfuhr es mir.
,,Ach du weißt doch, wie ich das meine'' lachte sie.

Als wir bei ihnen ankamen, empfing July meine Mutter bereits und lief mit ihr in die Küche, während ich mit Georges Vater Elias noch an der Haustüre im Flur stand.

,,George ist gerade noch in der Schule, er müsste gleich kommen'' sagte er, als würde es mich interessieren.
Ich war froh, dass er noch nicht hier war.
So hatte ich wenigstens etwas Ruhe.

,,Wir sind schon dabei, dir ein Zimmer einzurichten, was aber eine Weile dauern wird'' fing er an zu erzählen.
,,Ich hoffe, es macht dir nichts aus, solange bei George im Zimmer mitzuschlafen'' fragte er nun, woraufhin ich meinen Kopf schüttelte. Ich hatte ja wohl schlecht eine Wahl.

Ich schnappte mir meine Tasche und lief nach oben in sein Zimmer.
Ich setzte mich seufzend auf die Bettkante und schaute mich im Zimmer um, obwohl ich bereits alles kannte.

Als mein Blick auf seinem Kopfkissen landete, fragte ich mich, ob sein Tagebuch noch immer dort lag. Seine Worte, die ich gelesen hatte, wiederholten sich allesamt in meinem Kopf.

Ich fragte mich, ob er etwas Neues über mich hineingeschrieben hatte, weshalb ich es hochhob, um zu schauen, ob es dort noch lag, doch er hatte es verlegt.

Vermutlich besser so.
Ich konnte mir vorstellen, dass er nichts Besseres über mich hinzugefügt hatte.
Wieso sollte er auch?

Alles, was ich gerade sowieso wirklich im Kopf hatte, war Nick.
Es schmerzte einfach.
Egal wie viele Tage, Monate oder Jahre vergingen - dieser Schmerz verging nie.

Als ich George das allererste Mal sah, dachte ich wirklich für einen Augenblick, dass er vielleicht die erste Person sein würde, mit der ich mich wieder einigermaßen anfreunden könnte.

Schließlich sollten wir ja auch so etwas wie Cousins sein.
Daraus wurde jedoch ziemlich schnell nichts, denn wir verstanden uns noch nie wirklich gut.

Wieso genau?
Ich hatte keine Ahnung, um ehrlich zu sein.
Manchmal explodierte schon alles um uns herum, wenn wir uns im selben Raum befanden.


Next chapter: George is coming home B)

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