Kapitel 20

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BRUNO

Ich stellte gerade die kleinen Pappaufsteller auf, damit die Ratten sich für ihre Telenovelas bereit machen konnten, als es an die Tür klopfte. Die Ratten sahen auf und schnupperten neugierig in der Luft, also stand ich auf und ging zur Tür. Lia hatte mir vorhin erzählt, dass die Kerze gestohlen worden war und ich hatte gehört, dass Mamá mich verdächtigte, sie geklaut zu haben. Das enttäuschte mich noch mehr, als die Tatsache, dass sie mir überhaupt zutraute, jemals etwas zu stehlen. Und aus Rache würde ich doch erst recht nichts klauen! Ich wollte ja nicht einmal Rache nehmen! Darüber hinaus war ich wirklich enttäuscht darüber, dass der Rest meiner Familie mich nicht einmal ansatzweise vermisste und es beinahe schon zu genießen schien, dass das schwarze Schaf der Familie endlich weg war. Nie wieder würde ich aus den Wänden kommen, ganz sicher nicht. Wenn meine Familie glücklicher war, wenn ich weg war, dann würde ich hier bleiben. Ich liebte meine Familie zwar über alles, aber wenn sie glücklicher war, wenn ich weg war, dann würde ich eben hier bleiben. Die Kinder und Lia konnten mich ja einfach besuchen kommen, wann immer sie wollten. Ich öffnete die kleine Holztür und wurde sofort stürmisch von den Zwillingen und Lia umarmt. Ich musste unwillkürlich lächeln und drückte meine Mädchen an mich. Wie sehr ich es doch vermisste, neben Lia im Bett zu liegen und sie zu umarmen! Aber ich wollte nicht, dass mich jemand draußen sah und wieder für Ärger sorgen, also blieb ich besser hier hinten in meinem Versteck.
"Hey, ihr drei", sagte ich und schob sie langsam von mir weg, während ich den Mädchen über die Haare strich und Lia einen Kuss auf die Wange gab. Luna hielt mir einen Teller voller Tapas hin.
"Wir haben dir Frühstück mitgebracht, Papá", sagte sie, ich lächelte sie an und nahm ihr den Teller ab.
"Danke, meine Süßen", erwiderte ich und stellte den Teller auf den kleinen Tisch.
"Wann kommst du wieder nach Hause?", fragte Estrella traurig nach. "Ich will endlich wieder mit dir spielen! Und ich will mal wieder bei dir schlafen! Ich vermisse dich!" Ich seufzte und drückte meine jüngste Tochter an mich. Ich vermisste sie auch ungemein, aber ich konnte nicht mehr rauskommen. Ich konnte es einfach nicht.
"Ich kann nicht mehr nach Hause, princesa. Alle wollen mich von hier weghaben und wenn sie das glücklich macht, dann bleibe ich hier. Aber ihr könnt immer herkommen, habt ihr gehört? Ihr dürft nur keinem etwas von meinem Versteck sagen", antwortete ich ihr und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor ich mich in meinen Sessel sinken ließ. Meine Ratten kamen derweil zu mir und kletterten auf meine Schulter.
"Aber wir sind traurig, wenn du nicht da bist! Sind unsere Gefühle etwa egal?", fragte Estrella traurig nach, ich schüttelte schnell den Kopf.
"Natürlich nicht, mi vida! Aber weißt du, ich habe so etwas schon durchmachen müssen, als ich in eurem Alter war. Ich kann das einfach nicht noch einmal! Ich muss hierbleiben, auch, wenn es mir das Herz bricht, nicht immer bei euch sein zu können", erklärte ich und hob meine Töchter zu mir auf den Schoß. "Eure Gefühle werden mir nie egal sein, hört ihr, mis amores?" Sie nickten nur und vergruben ihre Köpfe an meiner Schulter. Ich sah Lia an, doch die schüttelte nur den Kopf, bevor sie sich den kleinen Hocker nahm und sich zu uns setzte. Sie lehnte ihren Kopf an meine Schulter und seufzte leise.
"Ich vermisse dich auch, mi corazón", sagte sie leise und sah mich an. "Ich weiß nicht, wie lange ich noch ohne dich leben kann. Entweder, du kommst wieder zurück oder ich komme zu dir in die Wand, aber lange halte ich das wirklich nicht mehr aus."
"Lia, du kannst nicht zu mir kommen! Du musst bei den Kindern bleiben, außerdem braucht die Familie dich!", wandte ich sofort ein.
"Und dich auch!", widersprach sie mir sofort. "Du glaubst gar nicht, wie traurig Mirabel ist, seitdem du weg bist! Ihr nichts zu sagen, zerreißt mir das Herz! Sie vermisst ihren tío sehr!" Ich seufzte. Ich wollte Mira nicht traurig machen, aber ich konnte nicht mehr rauskommen. Und sie würde auch sehr gut ohne mich klarkommen, da war ich mir sicher. Das Nähen konnte sie auch von ihrer Mutter lernen und dann war sie bestimmt auch gut versorgt.
"Das tut mir wirklich leid für sie, aber du weißt genau, dass ich hier nicht weg kann!", wandte ich ein und sah sie niedergeschlagen an. "Es tut mir leid, Lia, wirklich." Sie seufzte und nickte nur, als es wieder an die Tür klopfte. Bevor ich etwas sagen konnte, kamen Carla und Luca rein.
"Papá, Carlos hatte recht! Da waren schwarze Gestalten auf Pferden im Wald! Wir wollten ihnen folgen, aber wir haben ihre Spur am Fluss verloren! Sie haben bestimmt das Dorf ausgeraubt! Wir finden sie, Papá, versprochen! Und dann können wir allen beweisen, dass du nichts getan hast!", erzählte sie aufgeregt, worauf ich Lia ansah. Sie wirkte genauso überrascht von den Neuigkeiten wie ich.
"Und was wollt ihr jetzt tun?", fragte Lia neugierig nach. Carla sah Luca an, doch zuckte dann die Schultern.
"Das wissen wir noch nicht, um ehrlich zu sein", gab Luca zu.
"Wir dachten, dass du vielleicht eine Vision haben könntest, Papá. Dann wüssten wir vielleicht, wie die ganze Sache ausgeht oder was wir tun könnten", schlug Carla vor, aber ich schüttelte sofort den Kopf.
"Nein, amor, tut mir leid. Ich komme hier nicht raus und nach meiner letzten Vision, will ich meine Gabe auch nicht mehr einsetzen. Ich kann das nicht mehr, Carlita. Tut mir leid, aber ihr müsst das alleine schaffen", lehnte ich ab, worauf Lia mich ansah.
"Bruno, wir wollen dir helfen! Aber du musst uns helfen, dir zu helfen! Alleine ist das für Carla und Luca viel zu gefährlich!", wandte Lia ernst ein, aber ich schüttelte den Kopf.
"Lia, es tut mir ja leid, aber ich mache keine Visionen mehr! Nie wieder! Nicht nach der letzten Vision!", wehrte ich ab, worauf die Kleinen mich ansahen.
"Aber wie sollen wir dir dann helfen, Papá?", fragte Luna unsicher nach.
"Ihr könnt mir nicht helfen, princesas. Aber es ist lieb, dass ihr es versucht", antwortete ich ihr und lächelte sie beruhigend an. Carla sah mich entschlossen an.
"Wir werden dir helfen, Papá! Und wir fangen damit an, diese Gestalten wiederzufinden und uns einen Plan auszudenken! Du wirst nicht mehr lange hierbleiben müssen, das verspreche ich dir!", erwiderte sie und kam zu mir, um mich zu umarmen, ich erwiderte die Umarmung und gab meiner ältesten Tochter einen Kuss auf die Wange.
"Danke, mi amor, das ist wirklich lieb von dir. Passt aber auf euch auf, ja? Ich will nicht, dass ihr verletzt werdet", bat ich, sie nickte und ließ mich langsam wieder los.
"Werden wir nicht, versprochen. Wir schaffen das schon und du bist bald wieder hier raus", meinte sie.
"Können wir mitkommen?", bat Luna aufgeregt. "Wir wollen dir helfen, Carla!"
"Das ist lieb von euch, aber es wäre besser, wenn ihr noch ein bisschen hierbleibt, ja? Wir spielen mit euch, sobald wir zurück sind, versprochen", lehnte Carla ab, die zwei nickten nur. Ich musste lächeln. Carla war wirklich eine tolle Schwester. Womit hatte ich nur so tolle Töchter und so eine wundervolle Ehefrau verdient?

Ich brauche dich, Bruno 5 - Verzweifelte Hoffnung Where stories live. Discover now