Kapitel 5

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AMALIA

Am nächsten Morgen war Bruno irgendwie seltsam. Schon im Bett hatte er sich so fest an mich geklammert, dass ich beinahe etwas Angst bekommen hatte und jetzt beim Frühstück, war er auch noch seltsam drauf. Er näherte sich allen nur extrem langsam und vorsichtig, als würden wir ihm sofort etwas Böses tun. Wieso verhielt er sich so komisch? Was war denn nur los? Er sah die anderen nicht einmal an und obwohl alle aufgeregt durcheinander redeten und sich über ihre Pläne austauschten, starrte er nur trübselig auf seinen Teller und schob sein Frühstück lustlos herum. Ich stieß ihm vorsichtig in die Seite, worauf er erschrocken zusammenzuckte und mich ansah.
"Amor, was ist los? Wieso bist du so trübselig? Ist etwas passiert?", fragte ich besorgt und leise nach, er schüttelte schnell den Kopf.
"Nein, alles gut. Ich habe heute nur so viel zu tun, ich war in Gedanken", antwortete er schnell.
"Viel zu tun? Davon hast du mir gestern gar nichts erzählt", erwiderte ich verwirrt, weil er nichts davon gesagt hatte, dass er etwas zu tun hatte. Eigentlich hatte er frei und wollte sich etwas um die Kinder kümmern! Wieso hatte er auf einmal etwas zu tun?
"Ich muss dir ja auch nicht alles erzählen, oder?", erwiderte er leicht bissig, worauf ich ihn verwirrt ansah.
"Mi vida, was soll dieser Ton? Was ist passiert? Du warst heute Morgen im Bett schon so komisch und wolltest mich nicht mal aufstehen lassen!", fragte ich besorgt nach.
"Ich weiß nicht, was ich im Schlaf mache, Lia", wandte er ein. "Aber... vielleicht könnten wir später mal sprechen?" Ich nickte.
"Natürlich, mi vida", stimmte ich schnell zu und drückte seine Hand.
"Papá, übst du mit uns später wieder lesen?", bat Estrella da, aber Bruno schüttelte den Kopf.
"Tut mir leid, aber ich habe eine Menge zu tun. Wenn ich aber Zeit habe, dann komme ich zu euch, ja? Und dann üben wir", antwortete er, sie nickte.
"Na gut, ok", willigte sie ein, bevor sie sich wieder ihrem Frühstück zuwandte. Alma warf uns einen fragenden Blick zu, ich schüttelte nur den Kopf. Ich wusste nicht genau, was mit Bruno los war, aber ich würde es herausfinden.
Nach dem Frühstück gingen Bruno und ich zurück in unser Zimmer, um in Ruhe miteinander reden zu können. Wir setzten uns auf unser Bett, worauf Bruno sofort meine Hand nahm und sie beinahe schon verzweifelt umklammerte. Was war nur los mit ihm?
"Hör zu, ich... hatte gestern Nacht einen sehr seltsamen Traum, der sich so echt angefühlt hat, dass ich wirklich Angst bekommen habe", begann er. "Ich habe geträumt, dass ich im Dorf war, aber das war wie leer gefegt und total verwüstet. Nirgends war auch nur eine Menschenseele, egal, wo ich nachgesehen habe! Ich bin zurück zu Casita und saß plötzlich in unserem alten Geheimzimmer! Ich habe durch den Spalt in die Küche gesehen und dort saßt ihr alle und habt euch darüber gefreut, dass ich weg war! Angeblich habe ich das Dorf so zugerichtet und ihr habt euch deswegen auch gefreut, dass ich weg bin! Ich hatte solche Angst gestern Nacht, dass ich nassgeschwitzt aufgewacht bin und dich umarmen musste. Ich hatte wirklich Angst! Und ich habe irgendwie ein schlechtes Gefühl, deswegen wollte ich heute Morgen auch niemanden richtig ansehen. Was ist, wenn das eine Vision war und kein Traum? Ich meine, so etwas ist noch nie vorgekommen, aber vielleicht ist es ja möglich." Ich war geschockt von dieser Nachricht. Bruno sollte das Dorf zerstört und wir ihn deswegen verstoßen haben? Niemals! Nie im Leben würde ich die Liebe meines Lebens verstoßen! Und die Kinder und der Rest der Familie auch nicht! Ich umarmte meinen Mann und gab ihm einen Kuss.
"Das war nur ein böser Traum, mi vida querida! Das alles ist nicht wahr gewesen! Wir würden dich niemals verstoßen und du würdest auch nie das Dorf zerstören! Nicht mal ausversehen!", beruhigte ich ihn und nahm sein Gesicht in meine Hände, um ihn anzusehen. "Ich liebe dich, amor. Und es gibt rein gar nichts, was das jemals ändern könnte!" Ich gab ihm noch einen Kuss, den er erwiderte. Als ich mich wieder von ihm löste, seufzte er erleichtert und lächelte mich an.
"Danke, mi querida. Ich liebe dich auch", erwiderte er und lehnte seine Stirn an meine. "Aber glaubst du, ich könnte trotzdem mal nachsehen, ob das alles wirklich passiert?"
"Es ist deine Gabe, Brunito. Ich kann dich nicht davon abhalten, aber ich weiß nicht, ob es so gut wäre, wenn du nachsiehst", erwiderte ich.
"Ich will es aber", meinte er, bevor er aufstand. "Du musst ja nicht mitkommen, wenn du nicht willst." Ich schüttelte den Kopf.
"Doch, natürlich komme ich mit! Vielleicht brauchst du ja meine Hilfe, wer weiß?", beeilte ich mich zu sagen, also liefen wir nach oben in Brunos Visionshöhle, die er mittlerweile nur noch selten benutzte. Aber heute würde sie wohl wieder zum Einsatz kommen. Wir setzten uns in den Sand, bevor Bruno meine Hände nahm und die Augen schloss. Der Sand wirbelte um uns herum auf, bevor Bruno seine Augen wieder öffnete, die nun grellgrün leuchteten. Ich sah mich neugierig im Sand um, um nach seiner Vision zu suchen, die nach einigen Sekunden auftauchte. Sie zeigte Bruno, wie er alleine in seinem Geheimzimmer saß und traurig auf den Boden blickte. Oh nein, dieser Traum war also doch keine Einbildung gewesen! Ich sah meinen Mann an, der ebenso geschockt auf sein Abbild starrte, bis eine Träne über seine Wange lief. Ich umarmte ihn und küsste ihm die Träne von der Wange. Der Sand fiel über uns zusammen und die grüne Tafel erschien, aber ich legte sie sofort zur Seite. "Brunito, das tut mir leid! Ich weiß nicht, was da passiert, aber eines musst du dir merken! Die Kinder und ich werden dich immer lieben, egal, was passiert! Wir werden dich nie verstoßen, hörst du? Niemals! Da kann deine Vision sagen, was immer sie will! Wir lieben dich, und das für immer und bedingungslos!"

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Wieder ein etwas kürzeres Kapitel. Was glaubt ihr passiert? Wird Bruno wirklich alleine sein? Zerstört er wirklich ungewollt das Dorf? Hinterlasst gerne ein paar Kommentare, Feedback und Kritik! :)

Cassy

Ich brauche dich, Bruno 5 - Verzweifelte Hoffnung Where stories live. Discover now