Kapitel 16

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AMALIA

Ich wachte nachts auf, als die Tür leise ins Schloss fiel. Ich öffnete müde die Augen und sah Bruno ins Zimmer kommen. Er zog sich leise seine Sandalen und den Poncho aus, bevor er auf Zehenspitzen zum Bett geschlichen kann.
"Brunito? Wo kommst du denn her?", fragte ich verwirrt und müde nach, worauf er zusammenzuckte und mich ansah.
"Tut mir leid, amor, ich wollte dich nicht wecken", wich er aus.
"Schon gut, aber wo warst du?", wiederholte ich meine Frage neugierig, während er sich zu mir legte.
"Ich? Nur kurz draußen", antwortete er knapp und gab mir einen Kuss auf die Stirn. "Schlaf gut, mi vida."
"Bruno, wieso versuchst du mich abzuwimmeln? Wo warst du?", fragte ich verwirrt nach und hielt ihn fest, als er sich umdrehen wollte. Er seufzte und sah mich an.
"Ich war im Dorf. Carla und Luca haben erzählt, dass Carlos schwarze Gestalten im Wald gesehen hat und haben dann auf unserer geheimen Lichtung eine schwarze Maske gefunden. Die Lichtung kennt außer uns keiner, die Kette lag unter unserem Fenster und ich wurde zuletzt mit dieser gestohlenen Kette gesehen! Wenn die anderen Dorfbewohner das rauskriegen, verdächtigen sie mich wieder und dann geht das ganze Getue aus unserer Kindheit wieder los! Ich kann das nicht noch mal! Deswegen war ich gerade im Dorf und wollte nachsehen, ob nachts jemand herumschleicht und vielleicht Sachen klaut. Ich hab aber niemanden gesehen, also bin ich wieder nach Hause gekommen", erklärte er. Ich seufzte und strich ihm durch die dunklen Locken, bevor ich ihm einen Kuss auf die Stirn gab.
"Ay, querido! Du machst dir viel zu viele Gedanken! Die Sache mit der Kette ist längst vergessen und niemand glaubt, dass du es warst! Sofía hat sie wahrscheinlich wirklich nur bei einem Spaziergang verloren. Du musst dich nachts also nicht rausschleichen, hörst du? Carlos erzählt oft irgendwelche irren Geschichten, die müssen nicht unbedingt stimmen! Und die Maske könnte auch jedem gehören, wer weiß, wer die Lichtung mittlerweile alles gefunden hat! Du lässt dich viel zu schnell verunsichern, mi vida. Versuch zu schlafen, ja? Es ist alles in Ordnung, versprochen", beruhigte ich ihn. Er seufzte und nickte.
"Ja, du hast ja recht, ich reagiere nur über", gab er zu und nickte, bevor er mir einen Kuss gab. "Gute Nacht, mi vida."
"Gute Nacht."

Am nächsten Morgen weckten die Zwillinge uns gegen sechs Uhr auf - wie immer. Trotz dessen, dass es jeden Tag so war, war ich jeden Morgen davon überrascht, wie viel Energie die zwei schon zu dieser frühen Stunde hatten. Sie hüpften schwungvoll auf unser Bett und zogen uns die Decke weg, worauf Bruno genervt murrend knurrte und sich umdrehte, um sein Gesicht im Kissen zu vergraben.
"Mamá! Papá! Steht auf, wir wollen spielen!", rief Luna aufgedreht, worauf ich die Augen öffnete und meine Töchter ansah. Estrella hüpfte auf Bruno und schüttelte ihn an der Schulter, worauf Bruno sich allerdings nur noch mehr im Kissen vergrub.
"Warum spielt ihr dann nicht draußen?", fragte ich müde nach und zog meine Tochter an mich, in der Hoffnung, dass sie sich einfach zu uns legen und ein bisschen weiterschlafen würde, aber da hatte ich weit gefehlt. Sie machte sich sofort los und begann auf der Matratze herumzuhüpfen.
"Weil wir mit euch spielen wollen!", antwortete Luna. Estrella schüttelte Bruno weiter.
"Papá! Steh auf! Wir wollen spielen!", rief sie.
"Lita, lass deinen Vater schlafen! Wir sind gestern sehr spät ins Bett gegangen!", bat ich.
"Na und? Wir sind aber wach!", wandte Estrella ein. Bruno hob den Kopf vom Kissen und drehte sich so gut er konnte zu seiner Tochter um.
"Lita, princesa, ich hab dich wirklich lieb, aber ich bin sehr müde. Kann das Spielen nicht noch ein bisschen warten?", bat er verschlafen, aber sie schüttelte den Kopf.
"Nein!", antwortete sie entschlossen, er seufzte.
"Na gut, dann nicht. Kommt, wir gehen runter und machen euch erstmal etwas zu essen", willigte er ein, worauf Estrella von ihm abließ und er sich müde aus dem Bett rollte. Ich lachte, als er auf den weichen Boden fiel und sich dann am Bett hochzog. Ich stand ebenfalls auf, damit wir uns anziehen und mit den Kindern zum Frühstück gehen konnten. Sie zogen uns ungeduldig die Treppe nach unten in die Küche, wo Julieta und Alma bereits das Frühstück vorbereiteten.
"Abuela! Tía Julieta! Wir haben Hunger!", rief Luna aufgeregt und quetschte sich zwischen die beiden an die Küchentheke. "Kann ich euch helfen oder können wir erst noch spielen gehen?"
"Geht ruhig spielen", erwiderte Julieta. "Wir brauchen hier noch ein bisschen."
"Ok!" Wir wollten gerade nach draußen gehen, als die Tür aufging. Das halbe Dorf kam aufgeregt hereingestürmt, aber keiner sah auch nur ansatzweise glücklich aus. Was war jetzt wieder passiert? Ich sah meine kleinen Töchter an.
"Hey, ihr zwei, geht doch noch einmal hoch und flechtet euch ein paar Zöpfe, ja?", bat ich, die beiden nickten und gingen nach oben.
"Was ist los?", fragte Alma besorgt nach.
"Was los ist? Frag das deinen Sohn! Er hat uns allen unsere Wertsachen gestohlen!", erwiderte eine Frau aufgebracht. Bruno zuckte erschrocken zurück und ich konnte spüren, wie nervös und traurig er wurde.
"Was? Was soll das bedeuten?", fragte Alma verwirrt nach.
"All unsere Wertsachen wurden gestohlen und die Fenster waren eingeschlagen! Und dein Sohn wurde dabei gesehen, wie er nachts heimlich durch das Dorf geschlichen ist! Und er war der Letzte, der Sofías Kette gesehen hat, bevor sie gestohlen wurde! Und wo wurde sie gefunden? Unter seinem Fenster!", antwortete die Frau wütend, worauf Alma Bruno ansah.
"Mamá, du weißt, dass das nicht wahr ist! Ich würde nie etwas stehlen! Und ich würde auch nie Fenster einschlagen!", wandte er sofort panisch ein.
"Bruno, geh bitte hoch", sagte Alma bloß streng, worauf wir sie geschockt ansahen. Sie glaubte den Bewohnern doch nicht, oder? Das war Irrsinn! Bruno würde nichts stehlen und das hatte er auch nicht!
"Aber Mamá, ich..."
"Geh hoch, wir sprechen gleich darüber!", unterbrach Alma ihm streng, worauf er traurig den Kopf senkte und sich umdrehte.
"Ich kann nicht glauben, dass du mir so etwas zutraust. Ich hasse dich", flüsterte er kaum hörbar, bevor er nach oben ging. Ich sah Alma an.
"Das ist unglaublich! Du weißt genau, dass Bruno nie so etwas tun würde!", wandte ich aufgebracht ein.
"Ich will mir nur beide Seiten der Geschichte anhören", erwiderte Alma ruhig. "Und jetzt lasse ich erstmal die Gemeinde ausreden."
"Du bist unglaublich, Mamá!", sagte Julieta entsetzt und schüttelte den Kopf. "Wir sehen nach Bruno, du hast ihn nämlich gerade sehr verletzt."
"Juli, ich...", begann Alma, aber Julieta schüttelte den Kopf.
"Nein, Mamá. Bruno liebt diese Familie und das Dorf, er würde nie etwas tun, was ihm schadet! Und das weißt du auch ganz genau!", fuhr Julieta sie an, bevor sie mit mir nach oben ging. Wir mussten Bruno dringend beruhigen und das klären, bevor der Rest der Familie davon etwas mitbekam! Dann würde bestimmt ein riesiger Streit ausbrechen und das mussten wir unbedingt verhindern! Vor allem die Kinder sollten davon nichts mitkriegen, das würde sie nur runtermachen. Aber jetzt mussten wir uns erstmal um Bruno kümmern, er war wirklich traurig. Und das konnte ich nur zu gut verstehen! Ich wäre auch niedergeschlagen, wenn meine Mutter solche Sachen zu mir gesagt hätte! Hoffentlich hatte er keine voreiligen Entscheidungen getroffen!

Ich brauche dich, Bruno 5 - Verzweifelte Hoffnung Where stories live. Discover now