Kapitel 3

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CARLA

Einige Tage später war es endlich soweit - Luca würde kommen. Ich war bereits vor dem Sonnenaufgang wach gewesen und konnte es kaum erwarten, ihn endlich zu sehen. Ich rannte durch das ganze Haus, wischte vereinzelten Staub weg und überlegte mir, schon einmal Frühstück für alle zu machen. Ich war zu aufgeregt, um etwas zu essen, aber meine Familie würde sicherlich etwas essen wollen, also machte ich mich in der Küche zu schaffen. Ich war zwar definitiv nicht die beste Köchin, aber ich hatte tía Julieta früher sehr viel beim Kochen geholfen und konnte daher zumindest ein kleines Frühstück mühelos vorbereiten, ohne das Haus abzubrennen. Nicht so wie Papá. Als er uns vor Jahren mal mit einem Frühstück überraschen wollte, waren wir von Schreien und einem starken Geruch von Rauch wach geworden. Tía Pepa hatte es regnen lassen müssen, um das Feuer in der Küche zu löschen. Seither war es Papá verboten worden, den Herd auch nur ansatzweise anzufassen. Das war wahrscheinlich auch besser so - zu unserer eigenen Sicherheit. Ich hatte zum Glück Mamás Fähigkeit zum Backen und Kochen geerbt, sodass ich mir keine Sorgen darum machen musste, das Haus abzufackeln. Mamá konnte perfekt backen, besonders ihre Kekse waren jedes Mal einfach nur perfekt. Man musste sich nur beeilen, um welche zu bekommen, da Papá und Camilo sonst alle verputzt hatten, bis wir überhaupt wussten, dass es Kekse gab. Ich machte mich daran, etwas Frühstück zu machen, als ich plötzlich Schritte hinter mir hörte. Ich drehte mich um und sah tía Julieta hinter mir stehen.
"Du bist schon wach, Carla?", fragte sie verwirrt nach. "Normalerweise bin ich morgens immer alleine."
"Ja, ich konnte nicht mehr schlafen und dachte mir, dass ich schon mal Frühstück machen kann", antwortete ich ihr, worauf sie lächelte.
"Du bist wohl sehr aufgeregt, deinen Luca endlich wiederzusehen, was?", fragte sie lächend nach, ich nickte.
"Ja, sehr. Ich hab schon das ganze Haus geputzt und kann trotzdem nicht schlafen, weil ich das Gefühl habe, dass es immer noch nicht perfekt genug ist. Nichts gegen dich, Casita", antwortete ich, worauf Casita nur mit den Fensterläden schlug. Sie nahm es mir nicht übel. Tía Julieta lachte.
"So ging es mir früher auch, mach dir keine Sorgen. Außerdem glaube ich nicht, dass Luca sich das Haus ansehen wird! Er hat sowieso nur Augen für dich, Carla. Glaub mir, es kann rein gar nichts schiefgehen", beruhigte sie mich.
"Ich weiß, ich bin einfach nur unendlich aufgeregt!", erwiderte ich nervös, sie lächelte mich an.
"Das glaube ich dir gut und gerne", meinte sie. "Und so ein bisschen Aufregung ist doch auch gut. Da ist nichts Schlimmes dran."
"Sag das mal meinem Herz! Ich habe einen Puls von dreihundert! Auf die Dauer kann das unmöglich gesund sein!", wandte ich ein, während ich versuchte, mein immer schneller klopfendes Herz zu beruhigen, das sich aber zu verselbstständigen schien. Tía Julieta lachte.
"Ja, auch das ist völlig normal, du bist eben verliebt. Sollte es zu schlimm werden, kommst du zu mir und ich gebe dir eine Arepa, ja?", erwiderte sie, ich nickte.
"Ja, mach ich, tía", stimmte ich schnell zu.

Bis es endlich Nachmittag war, dauerte es ewig. Ich verbrachte die Zeit am Marktplatz am Brunnen und setzte mich auf den Rand, um auf Luca zu warten. Ungeduldig rutschte ich auf dem warmen Stein umher und fuhr immer wieder mit meinen Händen durch das kühle Wasser, um mich abzukühlen, da die Sonne schon wieder wie verrückt auf mich herunter brannte. Auf dem Marktplatz war nicht viel los, aber Mamá, Papá und meine Schwestern hatten mit tía Julieta einen Stand im Schatten aufgebaut, um ihr dort zu helfen, die Bewohner zu heilen. Selbst die Zwillinge wollten nicht spielen, weil es zu heiß war, sondern halfen lieber tía Julieta, aber ich wollte nur auf Luca warten. Ich wollte mich nicht ablenken lassen und es möglicherweise verpassen, wenn mein Freund hier ankam. Darauf wartete ich schon seit einem ganzen Jahr, da würde ich mich bestimmt nicht von einigen Arepas ablenken lassen! Ich nahm noch einmal etwas Wasser in meine Hände und rieb es mir über das Gesicht und die Arme, um mich zu kühlen. Als ich dabei an die lederne Haut meiner Narbe kam, musste ich unwillkürlich lächeln. Ich hatte mich sehr lange für sie geschämt, aber seitdem ich Luca kannte, war ich sogar etwas stolz auf sie. Er hatte mir zum ersten Mal das Gefühl gegeben, dass diese Narbe etwas Gutes war und er akzeptierte mich so, wie ich war. Das bedeutete mir mehr, als ich es jemals in Worte fassen könnte. Ich schämte mich nicht mehr für meine Narbe, nein, ich trug sie sogar offen und dabei war es mir egal, wie die anderen Bewohner sie anstarrten! Sie gehörte zu mir und meiner Geschichte! Als ich die Huftritte eines Pferdes hörte, hob ich sofort den Kopf. Luca kam die Straße hinabgeritten, worauf ich sofort aufsprang. Kaum, dass er mich sah, begann er zu lächeln, stoppte das Pferd und saß ab. Ich rannte zu ihm und umarmte ihn so stürmisch, dass er beinahe umfiel. Er lachte und drückte mich an sich. Er hatte sich kein bisschen verändert. Seine Locken, sein Gesicht, sein Lachen, sein Geruch... ja, alles war noch genau dasselbe.
"Ich habe dich auch vermisst, mi vida", flüsterte er mir leise zu und schob mich vorsichtig von sich weg. "Und dieses Mal bleibe ich, versprochen." Er zog mich an sich, um mich zu küssen, ich erwiderte den Kuss. Meine Lippen kribbelten und ich hatte Schmetterlinge im Bauch, weil es sich so gut anfühlte, ihn endlich wieder bei mir zu haben. Als wir uns nach einer gefühlt viel zu kurzen Zeit wieder voneinander lösten, musterte er mich und lächelte dann. "Du bist sogar noch hübscher geworden. Wie machst du das nur?" Ich lachte.
"Betriebsgeheimnis", konterte ich grinsend. "Aber ich bin auch froh, dass du wieder hier bist! Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dich vermisst habe!"
"Das geht mir auch so", erwiderte er und umarmte mich, bevor er mir einen Kuss auf die Stirn gab.
"Luca!" Meine Schwestern kamen auf uns zugerannt und schubsten mich von Luca weg, um ihn wild zu umarmen. Er lachte und taumelte zurück. "Und euch wilden Hühner hab ich auch vermisst."
"Wir dich auch! Spielst du mit uns?", bat Luna aufgeregt und sah ihn mit einem Hundeblick an.
"Später, ja? Jetzt bringe ich erstmal mein Gepäck ins Gasthaus und dann komme ich wieder", erwiderte Luca und schob die beiden weg.
"Na gut! Aber beeil dich!", rief Estrella, er nickte.
"Ja, ist in Ordnung, Lita. Ich beeile mich", willigte er ein, also ließen die Zwillinge ihn los und gingen zurück zu tía Julieta.
"Tut mir leid", murmelte ich. "Ich wollte nicht, dass die Zwillinge dich so überfallen."
"Ist schon in Ordnung, damit habe ich sogar gerechnet", meinte er und nahm meine Hand. "Begleitest du mich zum Gasthaus?"
"Natürlich. Ich begleite dich überallhin, auch bis zum Ende der Welt."

Ich brauche dich, Bruno 5 - Verzweifelte Hoffnung Where stories live. Discover now