Kapitel 2

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AMALIA

Ich freute mich darüber, dass Luca wiederkommen würde, Carla hatte sichtlich gelitten ohne ihn. Selbst die Briefe konnten ihren Liebeskummer lange Zeit nicht mindern, aber jetzt würde es hoffentlich besser werden. Ich freute mich wirklich für meine Tochter. So würde sie sicherlich wieder mal richtig glücklich sein. Sie war seit dem Frühstück in ihrem Zimmer verschwunden und räumte es auf, damit alles perfekt für Luca war, während wir mit den Mädchen in Estrellas Zimmer gingen. Sie hatte einen ganzen Schrank voller Bücher in einer Ecke stehen, in denen sie als Kind immer gerne geblättert hatte und jetzt übte sie mit Luna das Lesen damit. Wir setzten uns auf ihren weichen Rasen in ihrem Zimmer, während Estrella sich mit Luna ein Buch aussuchte. Wie erwartet kamen sie mit ihrem Lieblingsbuch zurück - die Abenteuer des mutigen Krokodils Manuel. Ich musste grinsen. Das war klar gewesen! Die beiden wollten so gut wie immer diese Geschichte lesen und so langsam zweifelte ich es an, ob sie damit auch lernten zu lesen. Sie kannten diese Geschichte fast auswendig, sie mussten sie nicht einmal lesen, um zu wissen, was passierte! Aber ich konnte ihnen auch keinen Wunsch ausschlagen, also ließ ich ihnen ihren Willen. Bruno und ich nahmen die beiden auf unsere Schöße und hielten sie fest.
"So, schon wieder Manuel? Ihr habt so viele Bücher, wollt ihr nicht langsam mal etwas anderes lesen? Diese Geschichte kennen wir doch schon auswendig!", fragte Bruno grinsend nach.
"Na und? Das ist aber die beste Geschichte von allen!", wandte Luna begeistert ein. Er seufzte gespielt dramatisch und nickte.
"Gut, dann wird es wieder Manuel", murmelte er. "Vielleicht erlebt er ja dieses Mal etwas anderes."
"Papá, sei doch nicht albern! Bücher ändern sich nicht einfach so!", wandte Luna lachend ein, Estrella nickte.
"Ja, genau! Die Buchstaben bleiben immer gleich!", stimmte sie ihrer Schwester zu. Bruno grinste mich an.
"Wie gut, dass ich euch zwei Mäuse habe! Sonst würde ich doch wirklich denken, dass Bücher sind ständig verändern!", lachte er und gab den beiden jeweils einen Kuss auf die Wange.
"Wir helfen dir doch gerne, Papá!", erwiderte Estrella, ich lachte.
"Aber ganz Unrecht hat euer Papá nicht. Wir haben ein Buch, das sich ständig verändert. Das magische Buch eurer Abuela. Darin stehen alle Gaben unserer Familie beschrieben", meinte ich, worauf die Zwillinge mich neugierig ansahen.
"Wirklich? Wieso hat Abuela nie von diesem Buch erzählt?", fragte Luna neugierig nach.
"Weil das Buch zusammen mit unserer Kerze ein Schatz unserer Familie ist. Sie will nicht riskieren, dass es kaputt geht", erklärte Bruno.
"Und wieso bringen wir dann die Kerze immer mit zu irgendwelchen wichtigen Festen?", hakte Estrella weiter neugierig nach.
"Weil sie auch das Herzstück unserer Gemeinde ist, amor. Wenn also jemand heiratet oder ein Kind getauft wird, bringen wir die Kerze mit, um unsere Verbundenheit auszudrücken", erklärte Bruno ihr. "Bei Mamás und meiner Hochzeit war sie auch dabei."
"So alt ist die schon?", fragte Luna neugierig nach, ich lachte.
"Danke für das Kompliment, mi vida", murmelte ich sarkastisch. "Aber ja, sie ist sogar noch viel älter! Sie ist so alt wie Papá. Auf den Tag genau." Die Zwillinge sahen Bruno an.
"Du teilst dir also deinen Geburtstag mit einer Kerze?", fragte Estrella nach, Bruno lachte und nickte.
"Ja, und mit euren tías. Wir sind schließlich Drillinge. So wie ihr Zwillinge seid", antwortete er.
"Das wissen wir! Aber sich mit einer Kerze den Geburtstag zu teilen, ist doch total cool!", erwiderte Luna aufgeregt.
"Cool? Was ist daran denn cool?", fragte ich verwirrt nach.
"Na, alles! Mit einer magischen Kerze zu feiern, ist toll!", antwortete Luna aufgeregt. "Wir müssen ihr für den nächsten Geburtstag dringend auch ein kleines Partyhütchen basteln!"
"Ja! Und wir benutzen den hübschen Glitzer, den es in der Stadt zu kaufen gibt!", stimmte Estrella ihr aufgeregt zu, bevor wir sie bremsen konnten. Aber Bruno lachte.
"Ganz langsam, princesas. Ihr wollt einer Kerze einen Hut basteln? Würde der nicht sofort abbrennen, wenn ihr ihn über die Kerze haltet?", fragte er nach, worauf die Zwillinge sich ansahen. Dann grinste Estrella.
"Wir können den Hufschmied fragen, ob er einen kleinen Hut aus Eisen macht! Das kann nicht abbrennen!"
"Au ja, das ist eine tolle Idee!", stimmte Luna zu.
"Ihr zwei habt vielleicht verrückte Ideen!", lachte Bruno. "Aber gut, fragt ruhig nach. Vielleicht macht euch der Hufschmied ja tatsächlich einen kleinen Eisenhut für die Kerze. Die Flamme muss aber oben rausgucken, hört ihr? Sonst geht sie vielleicht noch aus."
"Ja, dann wird es eben ein Hut mit Loch! Das sieht dann auch lustig aus!", beeilte Estrella sich zu sagen. "Und das wird dann auch unser Geschenk an die Kerze und unser Wunder!"
"Ihr müsst dem Wunder doch nichts schenken! Seid einfach ihr selbst, das ist Geschenk genug - für jeden von uns. Auch für das Wunder", wandte ich ein und gab den beiden jeweils einen Kuss auf die Stirn. "Mis princesas hermosas, ihr seid ein Geschenk, hört ihr? Es braucht kein anderes Geschenk." Die beiden nickten.
"Ist gut, Mamá", stimmte Luna zu, während sie Estrella das Buch abnahm. "Und jetzt üben wir lesen! Ich fange an!"
"Nein, ich will anfangen!", beschwerte Estrella sich und wollte ihrer Schwester das Buch aus der Hand reißen, aber sie hielt es fest. Ich hielt die Hände der beiden fest.
"Hey, ihr macht noch das Buch kaputt! Ihr braucht euch nicht zu streiten! Das letzte Mal hat Luna angefangen, also ist jetzt Estrella dran! Diese Regel haben wir aufgestellt, schon vergessen?", unterbrach ich den Streit der beiden, worauf Luna das Buch losließ und trotzig die Arme vor der Brust verschränkte.
"Na gut", willigte sie brummend ein. Estrella streckte ihr frech die Zunge raus, worauf Bruno sie streng ansah.
"Estrella, lass das! Das ist nicht nett! Du magst es ja auch nicht, wenn Luna das bei dir macht, oder?", mahnte er, Estrella nickte.
"Ja, tut mir leid", murmelte sie.
"Sehr schön, dann haben wir jetzt unsere Benimmregeln wieder gelernt, ja? Fängst du an, Lita?", fragte ich, sie nickte und schlug die erste Seite des dünnen Kinderbuches auf, das sehr viele Bilder hatte. Wenn Bruno oder ich es ihnen vorlasen, brauchten wir keine zehn Minuten dafür, aber die Zwillinge waren eben noch am Anfang des Lernprozesses und brauchten dementsprechend auch sehr viel mehr Zeit. Meistens eine halbe Stunde, wenn sie noch darüber streiten mussten, wer wie viel lesen durfte. Manchmal waren die beiden beim Lesen wirklich anstrengend! Aber ich liebte meine kleinen Töchter, ebenso wie Bruno, und wir halfen ihnen gerne dabei das Lesen zu lernen. Das war wichtig für sie und Carla hatte jetzt ja keine Zeit, wenn Luca bald kommen würde. Obwohl die Zwillinge sicher auch wieder mit ihm spielen wollen würden, sobald er hier war. Hoffentlich führte das nicht zu weiteren Streitigkeiten ziwschen unseren Töchtern!

Ich brauche dich, Bruno 5 - Verzweifelte Hoffnung Where stories live. Discover now