3. Kapitel •

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Mason

"Wir müssen im Morgengrauen angreifen. Wir können uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Solange sie uns nicht erwarten, sind wir noch im Vorteil", erkläre ich den Männern und Frauen, die sich in unordentlichen Reihen vor mir aufgebaut haben. Sie sind wahrlich ein trostloser Haufen.

Alle nicken zustimmend.

Zwar bin ich nicht ihr Alpha, denn genau genommen sind wir auch kein richtiges Rudel. Vielmehr eine Bande Ausgestoßener, die sich aus der Not heraus zusammengetan haben. Trotzdem pulsiert das Blut eines solchen durch meine Adern und sie gehorchen mir deshalb in den meisten Fällen widerspruchslos.

Es gefällt mir kein bisschen.

Das zeigt doch nur, wie schwach sie sind. Geboren nur, um zu dienen. Allzeit dazu bereit, sich einem Stärkeren unterzuordnen. Das macht sie vielleicht zu guten Soldaten, denn Befehle befolgen können sie hervorragend. Aber wenn ich nicht selbst jedes noch so winzige Manöver im Voraus haargenau durchplanen würde, wären wir schon längst hoffnungslos verloren.

Das ist also die Bürde des Alphagens, von der mein Vater immer gesprochen hat.

Ich wünsche mir so sehr, dass sich auch endlich mal jemand anderes traut, das Wort zu ergreifen. Seine Ideen kundtut. Oder zumindest eine eigene Meinung hat. Aber Tag für Tag werde ich wieder aufs Neue bitter enttäuscht. Das war in meinem alten Rudel zwar nicht anders, aber bei den Rudellosen ist es noch so viel schlimmer. Sie haben sich selbst aufgegeben und es würde mich nicht wundern, wenn einige von ihnen sogar an ihrem eigenem, unantastbarem Recht zu existieren zweifeln würden.

Natürlich würden sie so etwas vor mir niemals offen zugeben. Dafür haben sie einfach zu viel Angst - wobei, sie nennen es Respekt - vor mir und wissen außerdem, dass ich Schwäche verabscheue. Obwohl doch gerade so eine Offenbarung wohl endlich mal von Mumm zeugen würde. Touché.

Indem ich ihnen lediglich den Rücken zudrehe, entlasse ich die kleine "Kriegergruppe". Ich habe keine Lust mehr, mich heute noch mit auch nur einem einzigen von ihnen weiter zu beschäftigen. Ich will sie nicht mal mehr ansehen müssen, um die müden und verzweifelten Ausdrücke in ihren Gesichtern nicht wahrzunehmen. Gesichter, welche mich dann im Traum verfolgen, wenn wieder einmal jemand von ihnen gefallen ist, weil er im entscheidenden Moment im Kampf gezögert hat.

Wie gerne will ich ihnen helfen, aber sie lassen es mit ihrer hoffnungslosen Art ja überhaupt nicht zu.

Dabei sollte doch eigentlich viel eher ich derjenige sein, der keinen Sinn in unserer Sache sieht. Schließlich bin ich der Herrscher, dem sein rechtmäßiger Platz geraubt wurde. Und trotzdem stehe ich hier und kämpfe. Tag für Tag. Und ich habe nicht vor, irgendwann damit aufzuhören.

Bis in den Tod, schwöre ich mir zum gefühlt tausendsten Mal und schließe dabei kurz meine Augen. Tief einatmen, Mason. Du schaffst das.

Plötzlich durchströmt ein lieblicher Duft meine Nase und ich halte vor Schreck kurzzeitig den Atem an. Für einen Augenblick unfähig dazu, mich von der Stelle zu bewegen, nehme ich die auf mich zulaufenden Schritte der sich mir annähernden Störenfriede nur noch am Rande wahr. Ich fange mich allerdings zügig wieder. Wir befinden uns im Krieg. Und Unachtsamkeit kann auch mir den Kopf kosten.

Ich drehe mich zu der Gruppe um und analysiere in Windeseile die sich mir bietende Lage. Meine Schwester ist mit ihren Leuten von der Patrouille zurückgekehrt. Und sie haben mir jemanden mitgebracht. Eine unbekannte Wölfin. Ihr Fell ist schneeweiß, mit unzähligen hellgrauen Sprenkeln darin geschmückt. So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Ich lasse mir meine Überraschung natürlich nicht anmerken. Doch zweifellos ist es ihr Duft, der Dank einer starken Brise nun noch um einiges intensiver zu mir herüber weht.

"Wer ist das?", frage ich so emotionslos, wie möglich. Meine Tonlage verrät nichts von dem Sturm, welcher gerade tief in meiner Brust tobt.

Was ist denn verdammt nochmal mit mir los?

"Wir haben sie auf der großen Lichtung gefunden. Es geht ihr nicht gut, deshalb haben wir sie mitgebracht", schildert die blonde Frau in der Mitte zügig die Situation.

Die Männer zu Rondas Seiten halten ihre Köpfe gesenkt. Trotzdem erkenne ich die Furcht auf ihren jämmerlichen Fratzen. Fast muss ich lächeln, weil sie so dämlich aussehen, wie sie da so ängstlich vor mir kauern. Als würden sie nur darauf warten, dass ich es zu Ende bringe. Meine Schwester ist meistens die Einzige, die sich überhaupt traut, mir in die Augen zu schauen. Selbst sie ist allerdings nicht besonders mutig. Trotzdem tut sie es, vielleicht auch nur deshalb, weil sie die Ältere von uns beiden ist.

"Bringt sie in meine Hütte. Ich kümmere mich alleine darum", verkünde ich, auch wenn ich weiß, dass sie damit nicht gerechnet haben.

Bryce Kopf schnellt hoch und ich kann die Verwirrung von seinen Augen ablesen, obwohl er nicht direkt zu mir sieht.

"D-du willst sie gleich töten, Mason? Wir wissen nicht, ob sie von unseren Feinden geschickt wurde. Es wirkte eher so, als ob sie sich verlaufen hätte", versucht Ronda mich dennoch zu beschwichtigen. Ich rechne ihr den Versuch hoch an, auch wenn ihre Stimme dabei leicht zittert.

Aber von Töten habe ich ja auch noch gar nichts gesagt.

Auch wenn es klar ist, dass sie dies annehmen. Verhöre finden bei uns nämlich normalerweise öffentlich in großer Runde statt.

"Ich sagte: Bringt sie in meine Hütte!", wiederhole ich mich deshalb eine Spur energischer und bin überzeugt davon, dass sie daraufhin Folge leisten werden. Keiner wagt es, mir ein zweites Mal zu widersprechen. Nicht einmal Ronda, deren Gesichtsausdruck nun ziemlich betrübt wirkt.

Ich sehe dabei zu, wie sie die mysteriöse Gestalt zusammen in die Richtung meines Wohnsitzes tragen und erlaube mir noch, einen Augenblick in einsamer Ruhe zu verharren.

Dann mache auch ich mich auf den Weg zu meiner Hütte, in welcher die bewusstlose Wölfin jetzt bereits liegen sollte.

Dann wollen wir mal herausfinden, was du hier zu Suchen hast, Fremdling.

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Und, wie gefällt euch das erste Kapitel aus Masons Sicht? Mögt ihr ihn oder ist er euch eher unsympathisch?

Schreibt mir eure Meinung gerne in die Kommentare! :)

Amara & Mason ~ Alpha Der RudellosenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt