Die dunkle Ruine

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Schnell lief ich den Spuren der Orks hinterher, stets bedacht ungesehen und leise zu bleiben. Ich wollte das Überraschungsmoment auf meiner Seite haben, weshalb ich mich bemühte in den Schatten der kahlen Bäume zu bleiben. Warum war es hier eigentlich so kahl? Die Bäume waren stumpf und grau, ohne Blätter, wie die Büsche und andere Sträucher. Kein Leben lief mit über den Weg, sodass es einen Unheimlich vorkam, dass es so ruhig war. Der Düsterwald - ehemals Grünwald, wie Thranduil und Legolas erzählten - sah an vielen Orten ebenfalls so aus. Vielleicht war es eine Krankheit, die die Umgebung verpestet?

Ein lautes Röhren ließ die Bäume erschüttern, sodass ich mich hinter den nächsten Baum warf und den Bogen fest umklammerte. Es war nicht weit von mir, stellte ich fest, als ich mich vorsichtig an das grässlich, laute Geräusch anpirschte, wobei meine Hände schrecklich schwitzten.

Im Schatten eines Dornbusches gekauert, spähte ich auf eine dunkle Festung, die in einiger Ferne vor mir lag. Ich glaubte dort große Schatten sich bewegen zu sehen.
Die Orks? Oder jemand, nein etwas Anderes?
Ich wollte es lieber gar nicht wissen, hier schienen alle möglichen Ungeheurer zu lauern, sodass ich es mir nicht gestattete weiter zu denken. Es würde mich nur unnötig ablenken.

Mein Magen zwickte schrecklich vor Aufregung und meine Glieder schmerzten vom aufgestauten Adrenalin, als ich weiter auf die erhöhte eingefallene Festung zu schlich. Ich glaubte ein leises Flüstern im leichten Wind zu hören, als ich den verlassenen Torbogen erreichte. Sofort überrannt mich ein Schauer. Selbst Thal, als einzige Ruine, war deutlich angenehmer gewesen, als dieser verlassene Ort. Warum mussten sich immer solche Kreaturen an schaurigen Orten niederlassen?

Langsam spannte ich einen Pfeil in den hölzernen Bogen, ehe ich kurz lauschte und mich umsah. Jedoch war das Grölen und die Schatten verschwunden. Vielleicht waren es nur Bäume gewesen, die sich bewegt hatten... und das Grölen von irgendeinem großen Tier... einem Bären vielleicht. Hoffentlich. Ich hatte es mir vielleicht alles nur eingebildet und war auf den Kopf gefallen oder ich hatte mir zu viel von dem Dorwinion Wein im Zelt des Königs genehmigt und war eingeschlafen. Doch, als ich mir in meinen Arm kniff, um hoffentlich aufzuwachen und festzustellen, dass ich bereits in einem herrlichen, weichen Bett lag, geschah
nicht.

Das Gewicht auf meinem Herzen erschwerte sich, doch ich wagte mich weiter in die Ruine hinein. Die steinernen Wände wurden immer höher, als ich die Stufen höher Schritt und bei jedem Geräusch zusammenzuckte.
Wo haben sie ihn hingebracht?
Ein heulender Windzug fegte durch die Gassen, die ich entlangging, ehe ich leise Stimmen vernahm. Hastig sah ich mich um, doch es war niemand zu sehen. Im Augenwinkel glaubte ich eine der großen Statuen blinzeln zu sehen, die den Weg säumten. Ich beschloss jedoch nicht weiter hinzusehen, als ich ein leichtes Kopfneigen einer weiteren Staute zu sehen glaubte. Ich musste verrückt sein... meine Aufregung musste meinem Kopf einen Streich spielen. Ich schluckte schwer, als ich leise weiter schlich. Was war das nur für ein schrecklicher Ort?

  Ich glaubte eine Bewegung hinter der nächsten Ecke wahrzunehmen, weshalb ich schnell innehielt und so leise wie möglich mich ihr näherte. Ich wagte einen kurzen Blick um die Überreste des verfallenen Gebäudes, welches mit Kletterpflanzen überwuchert war.

  Doch dort war niemand. Bildete ich mir alles ein oder war dort wirklich ein Schatten gewesen, der sich bewegte? Ein weiteres Säuseln ließ mich herumfahren, als es lauter wurde, und sofort stolperte ich Rückwarts, als ich eine vermummte, in schwarzen Gewändern gekleidete Gestalt am  anderen Ende des Ganges, hinter mir, erblickte.

  Schmerzvoll landete ich auf dem Hintern, als ich über meine eignen Füße stolperte. Ich rappelte mich auf, schnappte nach Luft, ehe ich versuchte den Bogen zu spannen und einen Pfeil nach der Gestalt zu schießen. Doch er verfehlte sein Ziel und fiel scheppernd einige Schritte neben ihm auf den Steinboden. Gefährlich langsam drehte es den Kopf zur Seite und starrte den Pfeil und dann wieder mich an. Rote Augen blitzten auf, als es mit großen Schritten auf mich zukam, wobei ich erneut versuchte einen Pfeil einzuspannen und schoss. Wieder daneben, auch wenn es nur wenige Zentimeter waren. Nun jedoch war es zu nah, als das ich einen erneuten Versuch wagen konnte, weshalb mir nur noch eine Möglichkeit offen stand. Flucht.

Schnell drehte ich mich auf dem Absatz um und rannte weiter in die Ruine hinein. Wobei ich ihm meinen Rücken zu wandte und es sich als den größten Fehler herausstellte. Sofort ergriff mich eine Krallenhand am Kragen, ehe ich auch nur um die nächste Ecke verschwand und riss mich auf den steinernen Boden zurück. Scheppernd ließ ich den Langbogen fallen, wobei ich auch meine Pfeile aus dem Köcher verlor und sie alle auf die Steine rollten. Schnell griff ich nach einem und rammte es der Dunkelheit hinter mir in die Gewänder. Ein kalter Luftzug ging von der Gestalt aus, als es zurückwich und losließ.  So griff ich erneut nach den Pfeilen, um mich herum und erhob mich, ehe ich ihm so schnell, dass ich es kaum wahrnahm, in seine Brust rammte. Weiter wich es zurück, ehe es sich in seine eigene Dunkelheit wandte und spurlos verschwand, als hätte es ihn nicht gegeben.

  Kalter Schweiß rann mir die Schläfen hinab, doch ich wischte sie weg. Mit verräterisch laut schlagendem Herzen sammelte ich nun die verstreuten, restlichen Pfeile auf und stopfte sie zurück in den Köcher auf meinem Rücken, ehe ich nach dem Langbogen griff.

  Ich haderte mit mir, als ich überlegte, ob es die Sache wirklich Wert sei und, ob ich nicht lieber umdrehen sollte. Ich war definitiv keine große Hilfe und konnte mir eben nur mit unbeholfener Not helfen. Konnte ich also wirklich glauben, dass ich Calmacil vor den dunklen Kreaturen retten konnte? Vermutlich wäre es besser, wenn ich verschwand und Hilfe holte. Ich müsste mich nicht darum kümmern und konnte besseren Leuten die Arbeit überlassen. Doch war es dann schon zu spät? Wie lange würde ich brauchen, um Hilfe zu suchen, würden sie mir überhaupt helfen?

  Nein, ich konnte das Risiko nicht eingehen. Ich wäre ein erbärmlicher Feigling, wenn ich mich jetzt abwandte und ihn zurückließ.
  Er hatte mir schließlich auch geholfen.

  So lief ich nun weiter durch die scheinbar endlosen Ruinen. Wissend, dass die Statuen aus einst hellen Mamor mir hinterher blickten, wissend, dass ich vielleicht den nächsten Tag nicht überstehen würde, wenn ich zu unbedacht vorging.

  Langsam kam ich dem Inneren der Ruine näher. In der Ferne erkannte ich Umrisse eines ehemaligen Innenhofes, der nun in dickem Nebel lag. Ein fauliger Gestank trat in meine geschärfte Nase, sodass ich davon ausging, dass es die Orks waren, die dort lagerten und sicher auch er, hoffentlich noch lebend, bei ihnen war.

  Gerade hockte ich mich in die Nähe des Innenhofes hinter einen großen Stein, um mir einen Überblick zu verschaffen, doch ein lautes Rauschen über mir ließ meinen Blick zum grauen Himmel werfen. Ein riesiger Vogel kreiste über der Ruine, nicht weit von mir, und ließ einen lauten Schrei aus. Seine schwarzen Augen funkelten und sein weißes Gefieder schien in der Dunkelheit zu strahlen. Staunend hielt ich den Blick gen Himmel, er war so groß... Ich hätte schwören können, dass es mich anblickte, doch er war bereits in Richtung des verdorrten Waldes verschwunden, sodass ich meine Aufmerksamkeit wieder auf meine Umgebung und den Innenhof richtete.

Thranduil FF || DIE BESTIMMUNG - Mond und SterneWhere stories live. Discover now