38. Kapitel

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Als wir uns in einem kleinen Geschäft etwas zu Essen kauften, das von einem 3D-Drucker produziert wurde, aber erstaunlich gut schmeckte, sah ich, dass in der Unterwelt satt mit Bargeld oder einer EC-Karte mit einem Iris-Scan bezahlt wurde.
Professor Morgan zeigte mir außerdem die Entwicklungszentren und Forschungseinrichtungen, von denen es in Salem zahlreiche gab, die Heilstätten - etwas ähnliches wie Krankenhäuser - und die Attraktionshallen, in denen unter anderem Showkämpfe und magische Duelle stattfanden.
Auf dem Weg zum Parkplatz kamen wir an einem riesigen Bildschirm vorbei, auf den einige der Passanten gebannt starrten. Professor Morgan erklärte mir, dass es sich hierbei um die Nachrichten der Unterwelt handelte.
"Finden Sie es fair, dass wir uns bei den Nyx rächen wollten?", fragte ich, als wir weiter liefen.
Professor Morgan seufzte.
"Nun, richtig ist es womöglich nicht. Aber ich kann euch nur allzu gut verstehen... Während meiner Zeit an der Akademie gab es zwei sehr mächtige und auch rebellische Nyx - Zwillinge, bei denen die Kräfte zusammen doppelt so stark sind. Und ich habe mich mit anderen verbündet, um die beiden und später auch ein paar andere Nyx in Schach halten zu können."
"Und was haben Sie dann getan?", hakte ich nach.
Sie zuckte die Schultern. "Die Nyx eingeschüchtert und gedemütigt, wann immer es eine Gelegenheit dazu gab. Wahrscheinlich hätten wir nie damit aufgehört... Aber dann habe ich deinen Vater kennengelernt. Er war vollkommen gegen diese Fehde. Und so haben wir es geschafft, dieses ewige Theater zu beenden", schloss sie.
"Also sind Sie der Meinung, einen Streit mit den Nyx anzufangen, wäre unnötig?", folgerte ich.
"Ihr seid bereits im Streit", erwiderte sie. "Aber was ihr daraus macht, ist eure Entscheidung"
Ich wollte gerade entgegnen, dass mich das nicht wirklich weiterbrachte, als mir auffiel, dass wir beobachtet wurden.
Schon vorhin hatte ich einmal so ein komisches Gefühl gehabt. Doch nun erkannte ich, dass uns die dunkelhaarige Frau, die mich im Café angesprochen hatte, anstarrte.
Sie stand auf der anderen Straßenseite hinter einer Gruppe anderer Unterweltler, doch ihr Blick war starr auf uns gerichtet.
"Da ist die Frau wieder!", rief ich Professor Morgan zu und deutete zur anderen Straßenseite. Doch just in diesem Moment, machte die Frau ruckartig kehrt und lief in eines der Häuser.
Professor Morgan drehte sich irritiert zu mir um. "Welche Frau?"
"Die, die ich im Café getroffen habe", erklärte ich frustriert. "Sie meinte doch, sie wäre eine Freundin von Ihnen. Und jetzt beobachtet sie uns und verschwindet sobald Sie sich umdrehen? Das ist doch kein Zufall!"
Professor Morgan blickte sich verunsichert um.
"Das ist tatsächlich eigenartig... Hast du gesehen, wo sie hin ist?"
Ich nickte und deutete auf das mehrstöckige Gebäude.
"Da ist sie hinein gegangen"
Professor Morgan runzelte die Stirn. "Ein Wohnhaus im Nobelviertel Salems? Ich glaube nicht, dass so jemand mich kennen könnte. Aber ich kann mich später darüber informieren, wer die Besitzerin des Hauses ist und weshalb sie uns beobachtet hat", versuchte sie mich zu beruhigen.
Ich nickte, auch wenn ich der Frau am liebsten hinterher gelaufen wäre und sie zur Rede gestellt hätte.
Den Rückweg zur Akademie verbrachte Professor Morgan damit, mir mehr von ihrer Schulzeit und auch von meinem Vater zu erzählen, wobei ihr Blick immer glasig wurde, wenn sie ihn erwähnte.

In den nächsten Wochen nutzen wir jede Gelegenheit, um den Nyx eins reinzuwürgen. Allerdings mussten wir im Unterricht und an den Wochenenden zahlreiche Rückschläge in Kauf nehmen.
Zwar gab es keine Attacken mehr auf unsere beiden Flügel, sodass sich die Lehrer nun heraushielten, allerdings taten die meisten von uns alles, um uns gegenseitig zu demütigen.
Die Recherche von Professor Morgan brachte uns nur noch mehr Verwirrung. Denn wie sich herausstellte, lebte nur ein älterer Mann in dem Haus, der durch eine schlimme Krankheit keinen Besuch empfangen durfte und dessen Nachbarn berichteten, er halte sich auch strikt an diese Bestimmung, um niemanden aus seiner Familie zu gefährden. Angeblich hatte ihn seit mehreren Monaten niemanden mehr besucht. Ich wurde also entweder langsam verrückt - oder diese Frau wollte einfach nicht gefunden werden.
Mir blieb jedoch kaum Zeit, um weiter über dieses Rätsel nachzugrübeln, da Shadow leider verdammt geniale Ideen hatte, um es uns Artemis heimzuzahlen. Also mussten Argon und ich uns ständig etwas noch Besseres ausdenken.
Gerade, als wir wieder einmal auf Argons Bett hockten und Pläne gegen die Nyx schmiedeten, platzten Kilian und Eve kichernd hinein und ließen sich laut redend neben uns nieder.
"Könnt ihr das Ganze nicht ein bisschen ernster nehmen?", seufzte ich. "Wir versuchen uns hier gerade einen Plan zu überlegen"
Eve kicherte. "Stimmt, ihr seid ja jetzt so wichtig!"
Ich hob die Augenbrauen. "Was soll das denn jetzt heißen?"
"Das soll heißen, dass ihr euch auch mal etwas Freizeit gönnen solltet", schaltete sich Kilian ein, bevor Eve etwas antworten konnte. "Wir sind ja nicht im Krieg. Und diese Streiche gegen die Nyx werden langsam anstrengend."
Ich wollte gerade etwas einwenden, als Argon mir beruhigend eine Hand auf den Arm legte. "Die beiden haben Recht. Wir sollten wirklich mal..."
Weiter kam er nicht, denn wir wurden - mal wieder - durch eine Attacke der Nyx unterbrochen.
Erst ertönte ein lauter Knall, dann Grölen. Eine kurze Stille.
Dann eine mir nur allzu gut bekannte Stimme:
"Auf die Artemis, unsere ach so tapferen Helden! Ein Hoch auf die, denen ihr Privileg bereits in die Wiege gelegt wurde und die deswegen auf uns herabsehen!"
Hastig sprang ich auf und lief in die Eingangshalle unseres Flügels, wo Shadow auf einem der altmodischen Holztische stand und eine bereits halbleere Flasche in die Höhe hielt.
"Auf unser Prinzchen, den künftigen Herrscher von Salem, den heiligen und allzeit noblen Diktator, der uns in ein paar Jahren alle in der Hand haben wird!"
Durch das leichte Taumeln und sein Lallen, erkannte ich, dass Shadow bereits einige Flaschen intus haben musste.
Er zog etwas aus seiner Jackentasche hervor, das ich erst zu spät als Böller identifiziert, zündete es an und warf es auf den Fußboden vor dem Tisch, auf dem er stand.
Wieder ertönte ein Knall.
"Ihr mögt es doch feurig, oder nicht?", fragte Shadow grinsend und ließ seinen Blick über sein Publikum wandern. Er schien die Aufmerksamkeit der anderen zu genießen. Sie schien ihn sogar noch mehr anzustacheln.
"Ah! Da ist ja sogar der Ehrengast", verkündete er, als er mich entdeckte.
"Die treue Untergebene des Prinzen. Sein niedliches Schoßhündchen"
Er wandte sich an Argon, der sich mit verschränkten Armen neben mich gestellt hatte.
"Haben Mommy und Daddy dir nicht genug Anerkennung gegeben? Brauchst du eine Oberweltlerin, die dich bewundert, um dich besser zu fühlen?"
Erschrocken sog ich die Luft ein. Nicht nur, dass mich lange niemand mehr als Oberweltlerin bezeichnet hatte und es mich aus Shadows Mund umso mehr kränkte - er war mit der Bemerkung über Argons Eltern definitiv einen Schritt zu weit gegangen.
"Und was ist mit dir, Aline?", machte Shadow mit seinem Monolog weiter. "Überwindest du mit ihm deinen Schmerz darüber, dass deine Mom dich verlassen hat? Ich meine, was erwartet man auch von einer wie der Morgan?"
"Lass sie da gefälligst raus!", sagte ich laut. "Wenn du wütend auf mich bist, bitte! Aber meine Mutter hat damit verdammt nochmal nichts zu tun!"
Es war das erste Mal, dass ich sie 'meine Mutter' genannt hatte. Erst als ich es ausgesprochen hatte, realisierte ich, wie eigenartig das klang.
"Wie entzückend! Sie verteidigt sie auch noch", rief Shadow gespielt gerührt und nahm einen großen Schluck aus seiner Flasche, während er den Kopf weit in den Nacken legte.
"Weißt du was?! Du solltest mal lernen, wann du deine Klappe zu halten hast!", fuhr ich ihn an und stieg ebenfalls auf einen der Tische.
Als ich mit ihm auf Augenhöhe war, fuhr ich fort: "Möglicherweise haben deine Eltern vergessen, dir das beizubringen!"
Für einen kurzen Moment sah ich einen schmerzlichen Ausdruck in seinen Augen aufblitzen.
"Mir ist ehrlich gesagt vollkommen egal, wieso du so bist. Dieses ganze Theater endet jetzt! Du bist es nicht wert, dass wir Artemis unsere Zeit mit dir vergeuden."
Ich wandte mich an die Nyx, die mich nun überrascht anstarrten.
"Das gilt für alle, die weiterhin versuchen, die Artemis anzugreifen"
Ich warf Argon einen eindringlichen Blick zu. Er verstand sofort.
"Genau! Wer sich weiterhin mit den Nyx herumschlagen will und auf ihre dummen Streiche reagiert, hat es nicht verdient, sich einen Artemis zu nennen", rief er. Dankbar atmete ich aus, denn ich wusste, dass die Artemis auf ihn hörten und es für die Nyx nur eine Demütigung wäre, uns weiterhin anzugreifen.
"Die Vorstellung ist beendet!", verkündete Argon bestimmt und funkelte Shadow dabei wütend an.
Dieser hingegen sprang bloß leichtfüßig von dem Tisch herunter, verbeugte sich hoheitsvoll und verließ erhobenen Hauptes den Flügel der Artemis.

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