11. Kapitel

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"Sie hat ihn wirklich unterkühlen lassen?", fragte ich Lucas perplex. "Ist das nicht gefährlich?"
Lucas zuckte nur die Schultern.
"Sie hat glaube ich sogar sein Blut an einigen Stellen gefrieren lassen. Aber wenn ich es nicht geschafft hätte, hätte sie bestimmt aufgepasst, dass Damien nichts allzu Schlimmes passiert"
Ich stieß ein bitteres Lachen aus. "Na, das ist ja beruhigend"
Lucas grinste. "Tja, du hast dich für die Akademie entschieden. Dann musst du auch damit klar kommen, was sie von dir fordert"
"Du hast ja Recht", gab ich zu und folgte ihm nach draußen. "Aber ich will nicht mein Leben riskieren, nur weil Professor Rutherford einen schlechten Tag hat"
"So unberechenbar ist sie eigentlich gar nicht. Du wirst dich schon noch an sie gewöhnen", versicherte Lucas mir und wollte gerade weiterreden, als er von Damien unterbrochen wurde, der sich ihm mit verschränkten Armen in den Weg stellte.
"Was sollte das?", zischte er wütend und seine Augen wirkten in diesem Moment noch dunkler als zuvor.
"Ich hab keine Ahnung, was du meinst", gab Lucas schulterzuckend zurück.
"Du weißt genau, wovon ich spreche", erwiderte Damien scharf.
Lucas grinste triumphierend.
"Na, du weißt es auf jeden Fall"
Mit diesen Worten ging er einfach an Damien vorbei.
Ich folgte ihm und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
"Was denn?", Lucas zuckte gespielt unschuldig die Schultern. "Ich hab nur die Aufgabe umgesetzt, die Professor Rutherford mir gestellt hat."
Ich hob die Augenbrauen.
"Gut. Sagen wir, ich kenne einfach ein paar magische Tricks", gab er zu.
Dabei beließ er es jedoch.
Als Eve zu uns stieß, ließ sie sich erst einmal über Professor Lightman, den Leiter der Metis, aus, dessen Unterricht anscheinend so einschläfernd war, dass Eve mit dem Gedanken gespielt hatte, sich einfach aus dem Staub zu machen.
Den Rest der Pause verbrachte sie damit, mich über den Ablauf des Elementartrainings auszuquetschen. Von Professor Morgan wusste ich allerdings nur, dass der Unterricht am Mittwoch stattfinden würde und jahrgangsübergreifend unterrichtet wurde. Und zumindest war ich dort nicht alleine mit den älteren Schülern, denn Argon besaß die Elementarkräfte, die bereits seit Jahrhunderten in seiner Familie vererbt wurden. Anscheinend hatte er dieses ganze Zeug auch schon ziemlich gut drauf, denn er ließ spielend leicht eine Flamme in seiner Hand erscheinen.
Eve beobachtete das glühende Feuer mit geweiteten Augen und auch ich stellte fasziniert fest, dass es seine Haut nicht verbrannte.
Wenn ich auch eine so starke Kontrolle über Luft und Wasser bekommen könnte, wäre das wirklich unglaublich. Womöglich hatte Sofía Recht und das würde mich ziemlich mächtig machen.
Andererseits hatte ich aus Versehen einen Sturm in unserer Küche entfacht - so leicht, wie es bei Argon aussah, würde es bei mir also wahrscheinlich nicht werden.
"Ich bin sicher, du wirst deine Kräfte früher oder später auch kontrollieren können", sagte Argon zuversichtlich als er meinen Blick bemerkte.
"Ja, schon. Aber das ist alles trotzdem noch so neu", murmelte ich.
"Und außerdem bin ich nicht sehr geduldig", fügte ich lachend hinzu.
"Also wenn das deine einzige Sorge ist, dann kann ich dir dabei bestimmt helfen", bat er mir mit einem charmanten Lächeln an.
Ich grinste und sah aus dem Augenwinkel, wie Sofía auf uns zusteuerte.
"Hey, Sofía", begrüßte ich meine Patin gut gelaunt.
"Hi, Aline", antwortete sie und nickte den anderen kurz zu. Dann wandte sie sich wieder an mich. "Hast du dich schon gut eingelebt? Kommst du klar?"
Ich nickte. "Ja, ich denke schon. Du wolltest mir doch noch etwas zeigen, das du gefunden hattest...?", fragte ich und konnte meine Neugierde dabei nicht verstecken.
"Ja, soll ich es dir jetzt zeigen?", erwiderte sie.
Ich nickte. "Ein paar Minuten Pause haben wir ja noch"
"Okay. Dann gehen wir jetzt ins Schularchiv."
Wir mussten durch die halbe Schule, um zum Schularchiv zu gelangen und begegneten dabei einigen anderen Schülern, die Sofía allesamt grüßte.
Das Archiv selbst war ein kleines unscheinbares Zimmer, welches sich zwischen Bibliothek und Lehrerzimmer befand.
Außer Dutzenden von Ordnern, ein paar Pokalen und einigen Ehrenurkunden befand sich hier noch eine Fotowand mit Gruppenfotos der Schüler.
Sofía ging zielstrebig auf ein Bild zu.
Nach der Auflösung des Fotos zu urteilen, war es bereits etwas älter.
"Sieh dir das an", sagte Sofía und deutete auf einen Jungen in der zweiten Reihe, der kaum älter schien als ich und eine grüne Sweatjacke trug. Er hatte braune, etwas zerzauste Locken und ein freundliches Lächeln.
"Das ist mein Vater", stellte ich überrascht fest und fuhr mit den Fingern über das Bild.
Unter dem Klassenfoto entdeckte ich einen handschriftlichen Vermerk, der dokumentierte, dass das Foto aus dem Jahr 1998 stammte.
Darunter waren die Namen aller Schüler notiert, die sich auf der Fotografie befanden.
Ich stutzte.
"M. Morgan? Ist das nicht...?"
Sofía folgte meinem Blick und suchte das Bild nach der Leiterin der Artemis ab.
"Ja, ich schätze, das ist sie.", antwortete sie und deutete auf eine Schülerin in der ersten Reihe, die mit ihren eisblauen Augen direkt in die Kamera blickte.
"Moment Mal. Das heißt, es besteht die Chance, dass sie meinen Vater gekannt hat?", fragte ich euphorisch.
"Vielleicht kann sie mir etwas über ihn sagen. Oder über meine Mutter."
Sofía nickte nachdenklich.
"Kann schon sein. Aber ich bezweifle, dass sie dir gegenüber besonders offen sein wird."
Ich zuckte die Schultern und lächelte zuversichtlich. "Ich werde schon etwas aus ihr herausbekommen"

Das Unterrichtsfach 'Magische Talente' wurde von Professor Morgan unterrichtet, und so nahm ich mir fest vor, nach der Stunde mit ihr zu reden.
Allerdings war der Unterricht tatsächlich ziemlich interessant - und im Gegensatz zu den anderen Fächern auch an einer praktischen Umsetzung orientiert.
Zuerst hielt uns die Leiterin der Artemis einen kurzen Vortrag darüber, dass wir hier lernen würden, unsere individuellen Kräfte zu kontrollieren und einzusetzen.
Kurze Zeit später durften wir auch schon mit ersten Übungen beginnen.
"Hey, Aline", rief Shadow lässig und schlenderte zu mir herüber.
"Du suchst doch sicher noch jemanden mit Talent, der dir etwas beibringen kann."
Ich verschränkte die Arme, doch bevor ich etwas sagen konnte, sprang Argon für mich ein.
"Tut mir leid, aber sie hat schon einen Trainingspartner"
Seine Stimme strahlte eine gewisse Autorität aus und zeigte deutlich, dass man sich lieber nicht mit Argon anlegen sollte.
"Wie du meinst, Prinzchen", entgegnete Shadow und blickte abschätzig an ihm herab. Die Verachtung, die er für Argon empfand, war ihm deutlich anzusehen.
"Verzieh dich, Shadow", knurrte dieser bloß und wandte sich wieder mir zu.
"Wow. Ihr scheint euch ja richtig blendend zu verstehen", stellte ich sarkastisch fest.
Argon zuckte die Schultern.
"Viele haben ein Problem mit der Herrscherfamilie von Salem."
"Hey, psst. Aline.", flüsterte Kilian hinter mir.
Als ich mich umdrehte, musste ich lauthals loslachen. Auch Argon stimmte mit in mein Lachen ein, als er sah, dass hinter uns plötzlich zwei Personen mit Eves Gesicht saßen.
Der rechten Eve war allerdings deutlich anzusehen, dass es sich nicht wirklich um Eve handelte, da sie Kilians Körper hatte.
Das Ganze sah so seltsam aus, dass es etwas dauerte, bis Argon und ich uns wieder eingekriegt hatten.
"Ist das deine Kraft?", fragte ich Kilian, der nun wieder seine normalen Gesichtszüge angenommen hatte, grinsend.
"Jep. Und irgendwann werde ich es wohl hoffentlich schaffen, mein gesamtes Aussehen zu verändern und das dann über einen beliebig langen Zeitraum", erklärte er stolz.
Gespannt wandte ich mich an Eve.
"Und was ist deine Kraft?"
Sie grinste bloß verschwörerisch und füllte etwas Wasser in eine Flasche.
Anschließend blickte sie konzentriert auf die Flasche und drehte diese dann ruckartig um.
Doch anstatt in einem Schwall auf dem Boden zu landen, kippte das Wasser langsam, wie in Zeitlupe heraus.
"Was...?", fragte ich überrascht.
Eve grinste und holte schnell ein paar Tücher, um das Wasser aufzuwischen, da Professor Morgan ihr bereits strenge Blicke zuwarf.
"Ich kann die Zeit beeinflussen", erklärte Eve, während sie die letzten Wassertropfen vom Boden wischte.
"Wobei sie aktuell erstmal nur einzelne Gegenstände beeinflussen kann", fügte Kilian grinsend hinzu.
"Hey!", protestierte Eve.
"Nicht jeder ist seit Kindertagen mit dem Sohn der Herrscherin von Salem befreundet."
Sie deutete auf Argon. "Ich hatte keinen Sonderunterricht für meine Kräfte. Und früher oder später werde ich damit eine ganze Menschenmasse beeinflussen können - du wirst schon sehen", sagte sie und unterstrich ihre Worte damit, dass sie ihre Haare nach hinten warf.
Kilian lachte leise. "Jaja, ist klar. Du wirst mal super mächtig und wir dürfen dann alle dankbar sein, dass wir mit dir befreundet sind"
Eve nickte ernst. "Genau."
Ich kicherte, als mich Argon plötzlich mit dem Ellenbogen anstieß.
Ruckartig fuhr ich herum und blickte auf einmal Professor Morgan, die sich direkt vor meinem Tisch aufgebaut hatte, in die durchdringenden, blauen Augen.

Academy of Salem Where stories live. Discover now