9. Kapitel

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Auf dem Weg zu den Aushängen, auf denen die Zimmerverteilung angegeben war, lief Lucas zu mir herüber.
"Du bist also eine Artemis. Hätte ich mir ja denken können", murmelte er.
"Ich hab noch nicht mal wirklich eine Ahnung, was das jetzt für mich heißt", gab ich lachend zu.
"Ich fühle mich hier so seltsam. Viel überforderter als an jeder anderen neuen Schule..."
Lucas nickte verständnisvoll.
"Du bist ja auch nicht nur aus einem anderen Reich, sondern direkt aus einer anderen Welt"
Er wandte sich zu den Aushängen der Metis. "Na dann, Aline. Wir sehen uns dann morgen"
"Bis dann", erwiderte ich und ging zu den Aushängen der Artemis herüber, um meine Zimmernummer herauszubekommen.
"Ey, kannst du nicht aufpassen?!", schnauzte ein großer, durchtrainierter Typ mich an, als er in mich hinein lief.
"Tut mir leid. Aber vielleicht solltest du erstmal aufpassen, wo du lang läufst", erwiderte ich.
"Wie bitte?", zischte er und musterte mich mit seinen nahezu schwarzen Augen, die ihm ein etwas bedrohliches Auftreten verliehen.
"Ich denke du hast schon gehört, was ich gesagt habe", entgegnete ich und wollte an ihm vorbei gehen. Doch da packte er mich auf einmal fest an der Schulter und drückte mich gegen die Wand. Das musste man ihm lassen - der Typ hatte wirklich Kraft!
"Hey, Damien! Lass sie los.", rief eine Stimme hinter dem Muskelprotz, woraufhin dieser sich umdrehte.
"Was willst du, Shadow? Misch dich nicht in Angelegenheiten anderer ein"
Der Junge hinter ihm zuckte die Schultern. "Dann lass sie los - oder wir beide haben ein Problem", erwiderte er gelassen.
Wütend zog der Typ - anscheinend hieß er Damien - die Augenbrauen zusammen. Einige Sekunden starrte er mich noch wütend an, dann ließ er mich los und machte auf dem Absatz kehrt.
"Wow. Der ist ja ziemlich aggressiv drauf", sagte ich lachend zu meinem Retter.
Dieser hob bloß eine Augenbraue und blickte abschätzig an mir herab.
"Ich denke nicht, dass du in der Position bist, zu urteilen"
Überrascht blickte ich ihn an.
"Okay...? Naja, trotzdem danke", murmelte ich.
"Du solltest lieber lernen, dich selbst zu verteidigen", antwortete der dunkelhaarige Junge abweisend.
Entnervt verschränkte ich die Arme.
Was sollte das denn bitte?! Erst half er mir und dann behandelte er mich wie seine Feindin?
"Ich kann mich selbst verteidigen!", rechtfertigte ich mich. "Und wenn du hier bist, um blöde Sprüche zu reißen, kannst du gleich wieder zu deinem Kumpel gehen"
Ich musterte ihn ebenfalls von oben bis unten.
"Wenn du mich entschuldigst", sagte ich und steuerte an ihm vorbei.
Was der Typ konnte, konnte ich schon lange!
Schnaubend überflog ich die Liste der Artemis und fand meinen Namen hinter der Zimmernummer 13.
Bereits auf dem Weg zu meinem Zimmer verlief ich mich zwei Mal und verfluchte innerlich meinen schlechten Orientierungssinn.
Als ich dann auch noch direkt vor meiner Zimmertür von einem zierlichen Mädchen mit wilden, roten Locken über den Haufen gerannt wurde, wagte ich zu bezweifeln, dass dies ein schöner Neuanfang werden würde. Ich machte mich schon darauf gefasst, wieder angeschnauzt zu werden, da begann das Mädchen plötzlich lauthals zu lachen.
Ich grinste.
"Alles okay?", fragte sie immer noch lachend. "Tut mir leid, ich bin manchmal etwas stürmisch."
Ich winkte schmunzelnd ab.
"Schon okay. Ich wurde heute nur schon etwas häufiger umgerannt."
Sie lächelte mitleidig. "Oh nein, sag bloß nicht von diesem großen, arroganten Typ mit den braunen Haaren und diesen super unheimlichen Augen!"
"Schätze schon", erwiderte ich.
"Soweit ich weiß, heißt er Damien"
Das Mädchen nickte.
"Ja genau. Einer der Nyx. Aber mach dir nichts draus. Der ist wohl immer so"
Ich lachte. "Na dann. Schätze mal, er und ich werden nicht gerade beste Freunde werden"
"Also wenn du dich bei ihm rächen willst, bin ich jeder Zeit dabei!", versicherte die Rothaarige.
"Gut zu wissen, dass ich hier eine Verbündete habe", antwortete ich. "Du bist auch eine Artemis, oder?"
Sie nickte mit einem stolzen Grinsen. "Jep. Zimmer 13. Und du?"
Ich lächelte überrascht. "Cool. Dann bin ich wohl deine Zimmermitbewohnerin"
"Na dann, hereinspaziert", erwiderte sie und öffnete gut gelaunt die Zimmertür.
"Ich bin übrigens Eve"
"Aline."
Lächelnd betrat ich das kleine, in verschiedenen Rottönen gestrichene Zimmer, in dem zwei Betten an den gegenüberliegenden Wänden standen. Auf einem der Betten lag bereits ein halbgeöffneter Koffer, aus dem eine Unmenge an Klamotten herausquoll.
In der Ecke des Zimmers befand sich ein Schrank, auf dem zwei weitere Taschen von Eve standen. Das kleine Fenster war relativ hoch angebracht, sodass der Raum selbst bei Tageslicht nicht sehr hell sein würde. Dafür brannte in einem kleinen Glaskasten ein Feuer, welches das Zimmer in ein gemütliches Licht tauchte.
"Warst du nicht die, die als Letzte aufgerufen wurde?", fragte Eve, während sie mehrere Kakteen auf dem Schrank deponierte.
"Ja, leider", antwortete ich lachend.
"Ich dachte schon, ich werde gar nicht mehr aufgerufen."
"Ach mach dir nichts draus. Meine Großcousine war auch die Letzte, die aufgerufen wurde. So bleibst du den Leuten wenigstens im Gedächtnis", erklärte Eve.
"Will ich das denn?", hakte ich irritiert nach.
"Natürlich.", versicherte mir meine neue Mitbewohnerin. "Du willst doch gute Chancen haben"
Bevor ich jedoch nachfragen konnte, wobei ich gute Chancen brauchte, hatte Eve bereits das Thema gewechselt.
Da ich ziemlich erledigt von der Autofahrt, der Zeremonie und dem Abschied von meiner Tante war, zog ich mir nur schnell ein übergroßes T-Shirt mit einem Aufdruck von AC/DC über, bevor ich innerhalb der nächsten Minuten einschlief.

Mein erster Gedanke beim Aufwachen war, dass ich echt total Hunger hatte. Nach einem Blick zu Eves Bett stellte ich fest, dass meine Mitbewohnerin bereits aufgestanden war. Mein Blick wanderte zur Uhr. Es war kurz nach acht. Es gab also schon Frühstück!
Begeistert stand ich auf und kramte in meinem Koffer, den ich gestern nicht mehr ausgepackt hatte, nach etwas zum Anziehen. Nachdem ich in meinem Rucksack ebenfalls Haarbürste und Deo gefunden hatte, machte ich mich auf den Weg zu den Waschräumen.
Es dauerte etwas, bis ich sie gefunden hatte, aber wenigstens war ich alleine.
Ich zog mich also bis auf BH und Unterhose aus und spritzte mir erst einmal eiskaltes Wasser ins Gesicht, um wach zu werden.
"Schicke Unterwäsche", ertönte plötzlich eine Männerstimme.
Erschrocken zuckte ich zusammen und hob dann etwas peinlich berührt den Blick.
In der Tür stand der Junge, der mich gestern vor Damien verteidigt und dann wiederum beleidigt hatte.
"Was willst du denn schon wieder?", entfuhr es mir.
"Wonach sieht's denn aus?", erwiderte er und ging seelenruhig zu einem der Waschbecken.
"Wir haben hier geschlechterübergreifende Waschräume", fügte er hinzu.
"Oh", murmelte ich. Das war jetzt ein wenig unangenehm.
"Aber lass dich nicht stören", grinste er.
Ich warf ihm einen genervten Blick zu und zog mein Schlafshirt wieder über.
"Und warum bist du ausgerechnet hier im Waschraum? Gibt es nicht unten bei den Nyx auch welche?", fragte ich und versuchte meine widerspenstigen Haare zu einem Zopf zu binden. "Ich dachte ihr vermeidet den Kontakt zu den anderen Fraktionen?", fügte ich hinzu und konnte nicht verhindern, dabei etwas abschätzig zu klingen.
Doch bisher waren eben alle hier, abgesehen von den Nyx, nett zu mir gewesen. Vielleicht waren die Vorurteile dieser Fraktion gegenüber ja doch begründet...
"War mir zu voll", entgegnete er schulterzuckend.
"Und du? Du bist nicht von hier, oder? Kommst du aus der Oberwelt?"
"Das geht dich gar nichts an", schnaubte ich.
"Also ja", schlussfolgerte er.
"Dann wird es für dich sicher nicht so einfach hier werden.
Falls du mal wieder von mir gerettet werden musst, sag einfach Bescheid."
Er grinste selbstgefällig, woraufhin ich nur die Augen verdrehte.
"Ich bin Shadow"
"Wie schön für dich"
Ich wandte mich von ihm ab und erklärte die Unterhaltung somit als beendet. Ich hatte wirklich keine Lust, mich bereits so früh morgens über einen selbstgerechten Macho wie ihn aufzuregen.
"Mit T-Shirt gefällst du mir übrigens besser", sagte Shadow, bevor er den Waschraum wieder verließ. "Aber ich bin ja eher Queen-Fan."

Academy of Salem Where stories live. Discover now