Kapitel 54

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Kielan

Gelangweilt lehne ich an einer Backsteinmauer in Downtown und warte auf meinen Bruder. Meine Lederjacke trage ich wie immer lässig offen und meine dunklen zerrissenen Jeans passen perfekt in das Bild des Nachtlebens. Ich habe Nick versprochen ihn zu begleiten, also halte ich Wort, auch wenn ich mir bessere Dinge vorstellen könnte. Neben mir dröhnt die Musik aus dem Eingang des Clubs. Vor dem Eingang hat sich eine riesige Schlange gebildet, die nur von einem Türsteher kontrolliert wird. Einer von vier Clubs für heute Nacht, die Nick mit meiner Hilfe beliefern muss. Dass mein Dad ihn da so reinzieht und ihn wie ein Soldat am Puls arbeiten lässt, ist eine heftige Nummer. Sowas gibt es in unseren Familienstrukturen eigentlich nicht. Aber sich dagegen zu wehren, wäre sinnlos. Eine Zeit lang hingegen dem nachzugeben, ein mögliches Übel.
»Wollen wir arbeiten oder hängst du heute nur ab?«, schmunzelt mich mein Bruder an, der gerade um die Ecke kommt. Ähnlich aussehend wie ich. Irgendwie komisch, dass wir beide keinen großen Wert auf Kleidung legen und trotz dessen in einem ähnlichen Look auftreten.
Wohl wissend, dass ich meinen Bruder damit ärgern kann, wuschele ich ihm durch sein gegeltes kurzes Haar. »Alter, das mache ich für dich«, sage ich belustigt.
»Hör auf mit dem Scheiß«, knurrt er. »Vier Clubs, und ordentlich Stoff den wir unterbringen müssen. Das wird eine lange Nacht, KK.«
»Das stimmt«
»Hast du deinem Mädchen geantwortet?«, bohrt Nick nach.
Ich schüttle den Kopf und lege ihm meine Hand auf die Schulter, bereits auf dem Weg Richtung Eingang. »Nope, und das ist auch kein Thema für heute Abend.«
»Mhm.«

Wir passieren den Türsteher, der Nick kurz abklatscht und gehen an der Schlange vorbei in den Club. Leichte bekleidete Frauen tanzen aufreizend hinter Glasscheiben. Es ist dunkel bis auf das Strobolicht. In der Mitte des Clubs steht eine runde Bar, die von allen Seiten erreichbar ist. Nick geht direkt auf die Kellnerin zu und verwickelt sie ihn ein Gespräch, sie kennen sich und Nick weiß, was er tut. Ich hingegen lehne mich so lange an die Bar und nehme dankend ein kostenfreies Bier entgegen. Meinen Bruder behalte ich im Auge, den Rest kann er super selbst erledigen, denke ich mir.

In der Menge entdecke ich ein Mädchen mit dunkelblonden, langen Haaren. Kurz stockt mir der Atem. Doch als sie sich umdreht, entweicht mir die angestaute Luft. Alter, ich muss mich in den Griff kriegen. Jetzt habe ich schon Wahnvorstellungen, dass ich Allie hier in dem Club treffe. Die Menge tobt zum aktuellen Song von Macklemore. Nick gibt mir kurz Bescheid, dass er die privaten Separees oben beliefern muss und ich folge ihm unauffällig die Treppen in die erste Etage. Auch hier können wir problemlos passieren, ich halte bei dem Türsteher an. Es ist Sergej, ein Russe, wir kennen uns seit meiner Anfänge.
»Hey Mann, wie geht es dir?«, flöte ich in plauder Laune während Nick schon weitergeht und seinen Job erledigt.
»Prima, kann mich nicht beklagen. Und dir? Wir haben uns ja ewig nicht gesehen.«
»Gut, gut. Ich begleite Nick heute. Er hat ein paar Dinge zu erledigen«, erkläre ich und weiß, dass ich es gar nicht weiter ausführen muss. Sergej weiß genau, wie das hier läuft.
»Wir müssen irgendwann mal wieder zusammen feiern. Das war früher so ein Spaß, Kielan. Erinnerst du dich, als wir damals das Separee gebucht haben? Oh, man. Ich hatte den Kater meines Lebens«, prustet er mit russischem Akzent.
»Klar, das machen wir. Gib mir deine Nummer.« Er fängt direkt an zu diktieren und ich tippe schnell seine Nummer ein. Nick ist bereits auf dem Rückweg und kommt neben mir zum Stehen. »Hi Sergej!«, begrüßt er unseren Bekannten und wendet sich dann mir zu. »Ging schneller als gedacht, aber wenn man die Leute kennt, ist es eigentlich echt easy. Wir können weiter, dann sind wir vielleicht nicht ganz so spät heute fertig«, berichtet er und stupst mich an der Schulter an.
»Alles klar. Sergej war schön dich zu sehen, ich melde mich!«. Wir wenden uns ab und verlassen den ersten Club. Draußen wartet bereits unser Fahrer, der uns in den nächsten Club bringen wird.

Kurze Zeit später stehen wir im nächsten Club. Hier spielen sie den neusten Hip-Hop und auch hier ist die Menge am Toben. »Nick, ich habe Brand. Können wir einen kurzen Stopp einlegen?«, frage ich und nicke zur Bar. »Klar«, sagt er und geht direkt durch. Diese besteht aus hellem Glas, das aussieht wie Eisblöcke. Der Club ist in rotes Licht getaucht und wirkt komplett anders als der erste. Ein echter Hingucker.
»Zwei Bier, bitte«, bestellt Nick für uns. Wir nehmen die Getränke und lassen uns auf zwei Barhockern nieder.
»Das einzig Anstrengende ist die Hitze«, murrt Nick.
Eine Brünette in Nicks Alter gesellt sich zu ihm. »Hi, hast du Lust mir was von deinem Bier abzugeben?«, schnurrt sie und blickt dabei Nick von oben bis unten durchdringend an.
»Sorry, Süße. Ich habe heute leider keine Freizeit«
»Wirklich nicht?«, bohrt sie nach und legt ihre Hand provozierend auf Nicks Knie. Schön zu sehen, dass mein Bruder so begehrt ist. Es macht mir Freude seinen Zwiespalt zu beobachten und ich grinse ich mich hinein.
»Nein, ein anderes Mal«, stellt Nick klar. Die Brünette mit dem engen Top und dem Durst nach Nicks Aufmerksamkeit verzieht sich mit einem Schmollmund.
»Schade, dass die Arbeit wichtiger ist«, lache ich und schlage Nick dabei aufs Knie.
»Aber wirklich, die war nicht von schlechten Eltern.«

Nach gut zweieinhalb Stunden erreichen wir endlich den letzten Club. Es gab zum Glück bisher keine Zwischenfälle. Der letzte Club gehört meiner Familie, also sollte das noch einfacher werden. Wir gehen die Treppen ins Nonu hinauf und werden auch hier freudig begrüßt. Dieser Club ist innen in Weiß gehalten und hat einige Marmor-Applikationen. Der Club zählt zu den Nobelclubs New Yorks, da hier die Elite unterwegs ist. Studenten mit entsprechendem Taschengeld ihrer Eltern. Für unsere Produkte also genau das richtige. Der größte Teil unserer heutigen Arbeit wird hier den Weg an den Mann oder auch die Frau finden. Sobald das erledigt ist, sind wir endlich durch.
»Hi Kielan«, schnurrt Hailey neben mir, die ich aber erst auf den zweiten Blick erkenne. Sie arbeitet für uns und kümmert sich um die Betreuung von Geschäftskunden. Sie ist wunderschön, gertenschlank und hat halblanges mittelblondes Haar, was sie heute zu einem Dutt hochgesteckt trägt. Hailey trägt große runde Ohrringe und ist in ein schwarzes trägerloses Cocktailkleid gehüllt.
»Guten Abend Hailey«, flöte ich und drücke ihr während einer Umarmung einen Kuss auf die Wange. »Du riechst heute aber wieder gut«, flirtet sie ungeniert los.
»Wie immer, Spätzchen. Wir haben noch ein bisschen was zu erledigen, wir sehen uns später noch mal«, winde ich mich aus dem Gespräch und gehe mit Nick weiter ins Innere des Clubs. Dieser ist in mehrere Ebenen aufgeteilt und hat unterschiedlichste Bereiche. Während im unteren Geschoss Hip-Hop gespielt wird, laufen im Erdgeschoss die aktuellen Dance Charts. Auch hier kann man natürlich VIP Bereiche mieten, die ringsherum um die Tanzflächen angeordnet sind. Unten noch mehr Privatsphäre als oben. Nick macht sich direkt auf den Weg, während ich mir vornehme wieder an der Bar im Erdgeschoss zu verharren. Mein Blick gleitet zur Bar und ich entdecke dort Allie. Ich brauch gar nicht lange hinsehen. Sobald ich den Raum betreten habe, war mein Blick fixiert. Fixiert auf ihren Rücken, ihre Rundungen und ihr langes offenes Haar. Verdammt.

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