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Elena

Erschöpft findet mein Kopf seinen Platz in Miros Armen. Die letzte Stunde haben wir nicht viel geredet, sondern miteinander geschlafen. Es war so gut wie gestern Nacht, hat mich in den Katharinenpalast zurück katapultiert wie ein Flashback.
Ich höre sein Herz klopfen, schließe im Schein der gedimmten Lampen die Augen und lege meine Hand auf seinen Brustkorb. Mein Herz macht einen Satz. Ich fühle mich geborgen bei ihm. Seine Hand liegt auf meinem Rückgrat, hält meinen Körper an seinem. Und obwohl es noch fünfundzwanzig Grad draußen sind, fröstle ich wegen der Klimaanlage. Ich ziehe die dünne Decke bis zum Kinn, atme tief ein und aus.
»An was denkst du?«, murmelt er mir fragend in die Ohren. Ich seufzte wohlig. »An nichts. Ich fühle mich einfach gut«, gestehe ich. Sein Brustkorb bebt unter seinem gedämpften Lachen. »Das könnte vielleicht an mir liegen«, vermutet er stichelnd. »O, liegt es garantiert...«, wispere ich säuselnd. Meine Finger malen Linien auf seiner Haut, kreisen über die Stelle seines Herzens. »Da bin ich ja beruhigt«, flüstert er. Sogleich schiebt er sein Gesicht in meine Haare, küsst meinen Kopf, die Stelle hinter meinem Ohr und schließlich meinen Hals. Mir entflieht ein leises Lachen, als er mich mit seinen Lippen kitzelt.
»Nicht!«, schmunzle ich, umgreife sein Gesicht sanft. Aber er lässt sich nicht daran hindern weiterzumachen.
Miro dreht mich auf den Rücken, beugt sich wieder über mich und lässt seine Hände über meinen nackten Körper wandern. »Du bist unglaublich Elena...«, nuschelt er gegen meine Haut. Meine Augen klappen benebelt von seinem herben Geruch nach Aftershave und Shampoo zu. Der Duft benebelt meine Sinne langsam. Ich drücke mich enger an ihn, meine Hände verfangen sich in seinen dunklen Haaren. Der hübsche Russe küsst meinen Hals hinab über mein Schlüsselbein, nur um seine Lippen wieder auf meine zu legen. Er schmeckt wie vorhin nach Minze und Obst, welches wir noch zusammen gegessen haben.
Ein warmer Schauer läuft mir über die Wirbelsäule, ein kribbeln zieht sich quer durch meinen Körper. Ich keuche auf. Seine Lippen verziehen sich sofort zu einem vielsagenden grinsen.
»Du willst noch eine Runde?«
»Ja«, kommt es wie aus der Pistole geschossen. »Also Gut«, erwidert er gierig und beugt sich ganz über mich.

~

Ich atme tief aus als ich wieder in den Laken liege. Meine Augen drohen jeden Moment zuzufallen. Müde mahne ich mich selbst, nicht einzuschlafen. Ich muss noch wachbleiben, bevor ich die ganze Nacht durchschlafe.
Miros warmer Arm liegt um meinen Bauch, sein Atem prallt gegen meinen Hals, streift meine Haare. »Was hast du heute gemacht? Erzähl mir von deinem Tag«, bittet er mich leise, streicht meinen Arm hinauf. Mit dem Gesicht zu den großen Fenstern gedreht, nicke ich.
»Lynn und ich waren in der Stadt, ein paar Touristen-Pflichten erfüllen. Souvenirs kaufen und so, du weißt schon«, erzähle ich.
»Mhm, was habt ihr gekauft?«
»Postkarten, Lynn sammelt sie. Ich wollte etwas Typisches, was mich an die Stadt erinnert, aber ich habe nichts gefunden«, erkläre ich ihm seufzend. Ich spüre ihn Schmunzeln. »Du meinst so etwas Kitschiges wie einen Schlüsselanhänger mit Sankt Petersburg darauf?«, lacht er leise. »Ja genau«, lächle ich in die Dunkelheit. »Vielleicht muss ich mich nochmal auf die Suche machen.«
»Was habt ihr noch gemacht?«
»Kaffee trinken, an der Newa sitzen. Lynn wollte später noch weg, sie wollte mir aber nicht sagen wohin, das ist merkwürdig«, bemerke ich. Lippenbeißend drehe ich mich zurück und schaue auf in seine Augen.
»Sie geht bestimmt zu Eldaro, mache dir keine Sorgen«, beruhigt er mich. Er hat recht, trotzdem ist es merkwürdig.
Je länger ich ihn ansehe, desto höher zucken meine Mundwinkel. »Was hast du?«, möchte Miro wissen, da ich ihn nur anstarre. »Nichts, alles gut«, winke ich ab, lege meine Hand an seine Wange. Auch er bringt ein Lächeln zustande, stützt sich auf den Ellenbogen.
»Sieh mich nicht so an«, bitte ich ihn. Seine Augenbrauen schnellen in die Höhe. »Wie sehe ich dich denn an?«, will er unschuldig wissen. Mein Daumen streift über seine Wange. »So als wären wir schon sechzig Jahre verheiratet«, erkläre ich nuschelnd. Als er lacht, bebt sein ganzer Körper im dunklen auf. »Natürlich, dir ist der Sex zu Kopf gestiegen«, scherzt er und drückt seine Lippen sogleich auf meine. In meinem Kopf verdrehe ich die Augen bildlich. Ich öffne die Lippen, gewähre ihm Zugang zu meinem Mund und seufzte entspannt auf, so wie fast immer. Das Adrenalin in meinem Blut wird jedes Mal mehr, desto öfter er mich küsst - wie ein endloser Rausch der Gefühle.
»Versprich mir etwas«, nuschle ich zwischen unseren Küssen. Er brummt leise etwas, das ich nicht verstehe.
»Was denn?«, will er wissen.
»Vergiss mich nicht.«
Dieser Wunsch scheint so simpel und doch so schwer. Die Realität ist, dass ich bald wieder in London bin, und er hier in Russland bleibt. Weit voneinander entfernt. Wie zwei Kontinentalplatten die immer weiter voneinander wegdriften.
Sobald ich meinen Satz beendet habe, unterbricht er unser Geknutsche sofort. Ernst schaut er auf mich hinab, presst die Lippen fest aufeinander und baut Augenkontakt auf. »Das könnte ich gar nicht, selbst wenn ich wollte. Es ist einfach nicht möglich«, spricht er starr. Schluckend schließe ich die Augen. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals.
»Wieso denkst du jetzt daran?«, möchte er wissen. Aufgewühlt drücke ich ihn weg, setze mich auf. Das Gesicht zum Fenster gewendet, der Rücken zu ihm. »Es ist nur... ich mag dich wirklich und der Gedanke an die Zukunft jagt mir Angst ein. Ich will den Kontakt zu dir nicht verlieren«, gestehe ich ihm ehrlich. Meine Schultern sind schon längst abgesunken und mein Kopf Richtung Boden gesenkt. Hinter mir spüre ich das sich bewegende Bett. Dann eine Hand an meiner Schulter. »Ich verspreche es«, versichert er mir zum zweiten Mal. Und ich glaube ihm. Er klingt so festentschlossen und ernst, dass ich ihm einfach glauben muss.
»Und jetzt zieh dich an, ich bringe dich zurück ins Hotel«, beschließt er. Eine halbe Stunde später verlassen wir das kleine Apartment. Als ich vorhin hier angekommen bin, hat er mir erklärt, dass dies die Wohnung seiner Mutter ist, die sie nie nutzt. Und dass er den perfekten Ort für seine gefunden hat. Er will sie mir die nächsten Tage mal zeigen.
»Sollen wir noch etwas essen unterwegs?«, fragt er mich beim hinablaufen der Treppen. Ich schüttle den Kopf, lege eine Hand an das eiserne Geländer.
»Nein, ich bin noch satt vom Sushi«, antworte ich und denke an vorhin. Wir haben eine Platte Sushi bestellt und etwas Wein getrunken. Dies ist zwar schon Stunden her, aber der Hunger ist nicht zurückgekehrt.
»Okay, ich auch.«

Unten begegnen sie ein oder anderen Bewohner des Hauses, obwohl es schon spät ist. Im ersten Stock dann ein betrunkenes Pärchen, was sich gegenseitig festhält und das Schlüsselloch nicht findet. Miro und ich laufen schmunzelnd an ihnen vorbei, er legt seinen Arm um mich als wir an der Haustür ankommen. »Die beiden sind voll wie Haubitzen«, flüstert er mir zu und blickt ein letztes Mal über die Schulter. Kichernd ziehe ich die schwere Eingangstür auf.
Draußen im Freien herrschen noch gute zwanzig Grad. Wie Miro mir erzählt hat, ist dies einer der trockensten und wärmsten Sommer überhaupt. Seit meiner Ankunft hier, hat es nur einmal geregnet und das war am Tag der Feier seiner Eltern in Puschkin.
»Mein Wagen steht gleich da.«
Er lässt den Mercedes aufleuchten, er blinkt zweimal. »Fuck...«, murmelt er auf dem Gehweg. Sein Arm verschwindet von meiner Schulter, er tastet in seiner Tasche herum. Verwirrt sehe ich ihm zu. Was sucht er?
»Meine Uhr liegt nach oben. Geh schonmal zum Wagen, ich hole sie schnell«, erklärt er knapp. Er wirft mir die Schlüssel zu, dreht um, während ich die Straße betrete.
Es ist dunkel, nur die Laternen leuchten den Asphalt aus. Kein Auto kommt, denke ich. Aber binnen weniger Sekunden höre ich quietschende Reifen, reiße die Augen auf und werde erfasst. Mein Körper prallt auf den brüchigen Asphalt, ich höre Miro meinen Namen schreien.
»Elena!«
Sterne tanzen vor meinen Augen, während eine rote Pfütze die Straße unter mir färbt. Das letzte, was ich sehe, sind die getönten Scheiben des Jeeps, der kein Licht anhat. Mein Blut klebt auf der Motorhaube, doch er fährt einfach davon, biegt mit einem Affenzahn um die nächste Kurve, verschwindet in der Nacht.
Ich spüre, wie mein Bewusstsein langsam weniger wird. Ich drifte ab, meine Augenstarren in die Nacht. Alles versinkt in einem endlosen Schwarz.

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