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Elena

Er hat geblufft, wie ich gesagt habe. Miro ist auf mich angesprungen wie ein Hund, der ein Leckerli bekommt. Ich habe ihn fest im Griff gehabt, ihn zappeln lassen. Er hatte seine Hände in meinen Haaren vergraben und mich immer wieder leise verflucht. Innerlich habe ich mich totgelacht. Noch eben war er ein Alphatier gewesen, jemand, vor dem man Angst haben musste. Aber jetzt hatte ich ihn voll im Griff. Er war mir ausgeliefert, was ihm nicht gefiel. Immer wieder hat er versucht, die Kontrolle zurückzuerlangen, aber Fehlanzeige. Ich habe extra langsam gemacht, um ihn zu ärgern. Mir doch egal, wie scharf er darauf war.
»Biest«, keucht er, zieht meinen Kopf an den Haaren zurück. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, drücke mich mit den Händen von deinen Knien ab.
»Wette gewonnen«, säusle ich leise, wische mir erneut über die feuchten Lippen. Ich kann nicht fassen, dass ich das wirklich getan habe. Stolz macht sich in mir breit. Ich habe mich nicht unterkriegen lassen, habe ihm gezeigt, was er missen werden muss. Er sieht gut aus, sehr attraktiv, aber sein Temperament nervt mich gehörig.
Miros Hände umgreifen meine dunklen Haare stärker, er zieht mich näher, beugt sich hinab. »Doch kein graues Mäuschen, hm?«, raunt er fragend.
»Habe ich nie gesagt.«
»Es kam aber so rüber.«
Schulterzuckend versuche ich, meinen Kopf aus seinem Griff zu befreien. »Lass mich, ich habe getan was du wolltest«, verlange ich. Es reicht mir. Ich will endlich aussteigen und zurück zu Lynn. Ob sie noch im Club ist? Der große Russe grinst, fährt mir mit dem Daumen über meinen verwischten Lippenstift. »Den solltest du vielleicht vorher entfernen, Lämmchen«, rät er mir spitz.
Gekonnt ignoriere ich den dämlichen Spitznamen, drücke mich von ihm und richte mein Kleid wieder. Es war etwas verrutscht. Ich sinke zurück in den Sitz ihm gegenüber, schaue zu, wie er seine Hose wieder schließt. Dabei stibitze ich mir das Stofftaschentuch vom Sitz neben ihm und wische mir den restlichen Lippenstift aus dem Gesicht. Im Fenster spiegelnd kann ich erkennen, dass er nun vollständig weg ist.
»Willst du mir jetzt sagen, wohin es geht?«, frage ich erneut nach. Was er vorhat weiß ich nicht. Nur das dumme Schmunzeln auf seinen Lippen lässt mich nichts Gutes erahnen. »In den Club, mein Bruder wartet sicher schon«, rückt er endlich mit der Sprache heraus. Sein Bruder? Was hat der denn mit der Sache zu tun? »Wieso er? Hat er Lynn angerührt? Ich schwöre dir, wenn-«
»Komm mal runter Lämmchen. Er hat auf sie aufgepasst. Sicher haben die beiden sich etwas vergnügt in der Zeit, mehr nicht. Ihr sollte es gut gehen«, versucht er sich zu beruhigen. Seine doofen Sprüche helfen nur nicht.
»Wenn ihr auch nur ein Haar gekrümmt wurde...«, warne ich ihn. Diesmal ist er es, der die Augen zu Schlitzen verengt. »Hör mal zu, Elena. Flieg nicht zu hoch, der Aufprall wird zu hart werden. Bis jetzt bin ich äußerst sanft mit dir umgegangen, was nicht meinem Naturell entspricht. Also zügle dein loses Mundwerk, oder ich muss es dir wieder stopfen!«, donnert er, sodass mir ein kalter Schauer über den Rücken läuft. Eiskalt wird es im Wagen. Sein angsteinflößender Blick fixiert mich, macht mich unfähig zu sprechen. Miro wirkt gefährlich und einschüchternd auf mich.
»Verstanden?«, fragt er barsch nach.
Ich muss mir auf die Zunge beißen, um nichts Falsches zu sagen. Denn der Miro der sich mir gerade präsentiert, würde mich sofort wie den Angreifer, hinrichten lassen. Das kann ich in seinen eiskalten Augen erkennen. Er zeigt nie Erbarmen.
»Verstanden«, piepse ich, überkreuze die Arme beleidigt vor der Brust und wende mein Gesicht ab. Ich kann es kaum erwarten, hier wegzukommen. Nur Lynn brauche ich noch, dann können wir zurück ins Hotel. Hoffentlich hat sie die Tasche nicht verloren, die ich ihr vorhin gegeben habe.
Mist, da fällt mir ein das mein Handy verloren gegangen ist.
»Fuck«, nuschle ich leise vor mich hin.
»Was ist?«
Beschämt senke ich meinen Kopf ab. »Ich habe mein Handy verloren. Verdammter Mist...«, stöhne ich auf, vergrabe mein Gesicht in den Händen und schließe die Augen. Ich brauche doch ein Handy, ohne bin ich hier in Sankt Petersburg völlig aufgeschmissen! Weder die Telefonnummer von Lynn kenne ich auswendig, noch würde ich mich ohne Maps hier zurechtfinden. Es ist doch wirklich zum Verzweifeln. Und ein neues Handy kostet viel zu viel. Ich könnte mir die Haare ausreißen.
Miro erwidert nichts. Das Auto hält zehn Minuten später an. Mir wird die Tür von einem der Wachen geöffnet, die den Mann von der Bar erschossen haben. Ich erkenne ihn wieder. Es ist der, der Miro begleitet hat, als ich in ihn hineingelaufen bin.
»Danke«, bedanke ich mich leise und steige aus. Wie ich erkenne, befinden wir uns in einem Hinterhof, den ich noch nie gesehen habe. Der kühle Beton unter meinen Füßen fühlt sich nicht gut an. Morgen werden sie bestimmt wund sein. »Deine Schuhe«, ruft der Russe zum Glück aus dem Wagen. Er hatte sie die ganze Zeit? Verflucht nochmal.

Still nehme ich sie ihm ab, streife sie mir umständlich über die Füße. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlt es sich gut an, Schuhe zu tragen, besonders die mit Absatz. Ein Seufzen entflieht mir, was auch Miro nicht verborgen bleibt. Er hält neben mir an, schiebt die Hände in das Futter seiner Anzughose und nickt auf die Tür zu.
»Komm schon«, fordert er mich drängelnd auf. Ich folge ihm, lasse mir von den Muskelprotzen, die für ihn arbeiten die Tür offen halten. Durch einen langen, geräuschreduzierten Flur kommen wir in die Halle. Die Partygäste feiern ausgelassen, mir kommt der Laden noch voller als vorhin vor.
Als würde er das Mercury besitzen, marschiert er an den Menschen vorbei, die sich in zwei Teilen, sobald sie ihn sehen. Ich frage mich, ob sie ihn kennen. Ihre überraschten und sowohl eingeschüchterten Blicke entgehen mir nicht. Meiner wechselt zu überrascht, als er sich zu mir umdreht, den Arm nach mir ausstreckt und mich neben sich zieht. »Du hängst hinterher, das mag ich nicht«, lässt er mich wissen, drückt mich vor sich als wir an einer Treppe ankommen. Verwundert steige ich sie hinauf, spüre seine Augen auf meinem Hintern hängen. So ein Idiot.
Auf der Empore angekommen holt er schnell wieder auf, lenkt mich am Arm in Richtung einer Sitzgruppe. Durch das bunte Licht, das den Raum erhellt, erkenne ich Lynn nur schwach auf dem Schoß eines Mannes sitzen. Sie hat mir den Rücken gekehrt, knutscht ihn wild ab.
Miro räuspert sich neben mir, bleibt zwei Meter vor den beiden stehen. »Wir sind wieder da«, lässt er ihn wissen. Genervt schiebt der Mann meine beste Freundin zur Seite, schaut grimmig auf.
»Man lass es mich doch zu Ende bringen«, nörgelt er. Die Stimmen der beiden ähneln sich. »Nichts da, die beiden werden jetzt gehen«, beschließt er über unseren Kopf hinweg und zieht meine beste Freundin grob auf die Beine. »Hey du Ar- Elena, da bist du ja!«, lallt sie betrunken und torkelt auf mich zu. Die Blondine fällt mit kichernd in die Arme. »Wo warst du? Ich habe dich gesucht, aber da ist dieser charmante Aldaro aufgetaucht«, versucht, sie mir nuschelnd zu erklären.
»Eldaro süße. Mit einem Eee«, ruft er und erhebt sich vom Sofa.
Erleichtert drücke ich meine beste Freundin an mich, atme tief ein. Ich bin so froh, dass nichts passiert ist und es uns beiden gutgeht. Die Sache hätte böse ausgehen können. Ich bin froh, dass ich noch lebe. Ein bisschen dankbar, dass Miro mich gerettet hat.
»Alles Gut. Er hat Recht, wir sollten gehen«, spreche ich zu Lynn. Seufzend entfernt sie sich von mir, schmeißt sich das letzte Mal diesem Eldaro an den Hals, um ihn zu küssen. Dabei fressen sie sich fast gegenseitig auf.
Sein Bruder schaut genervt zu mir, streicht sich über die Haare. Man merkt, dass er keine enge Beziehung zu ihm hat.
»Das reicht jetzt! Du musst dich weiter um deinen Club kümmern, sonst ist es nächste Woche meiner du Schlappschwanz«, ruft Miro drohend, seine Stimme trieft nur so von Ernsthaftigkeit. Moment, der Club gehört ihm? Deswegen war der Türsteher dabei und wir sind durch den Hintereingang. Miros Bruder leitet das Mercury. Jetzt scheint alles Sinn zu ergeben.
Die beiden reagieren nicht.
»Eldaro!«, donnert Miro ungezügelt, schubst ihn ein Stück zurück. Er löst sich widerwillig von meiner besten Freundin, schiebt ihr etwas zu. »Ruf mich an, wenn du Zeit hast, damit wir es beenden können«, zwinkert er charmant. Lynn beißt sich erregt auf die Unterlippe, nickt wild. »Das werde ich!«, ruft sie über die laute Musik, lässt sich von mir aus dem Club schleifen.
Mir ist egal, ob die beiden Russen uns anstarren. Ich kann es kaum erwarten, hier endlich weg zu sein und sie nie wieder zu sehen. Im Hotel werde ich erschöpft in mein Bett fallen, morgen früh wird mir wahrscheinlich alles wehtun.
Während des gesamten Weges zurückgeht mir Miro nicht mehr aus dem Kopf. Sein Stöhnen als ich mit ihm gespielt habe, sein Griff in meinen Haaren, um meinen Kopf tiefer zu drücken. Dazu seine Augen und das charmante grinsen. Ich kann das Gefühl nicht beschreiben. Nur eines weiß ich sicher, mein Körper will mehr von ihm.

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