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Sobald ich einen Parkplatz gefunden habe, schalte ich den Motor aus und lehne mich zurück. Genau drei Stunden bin ich einfach nur in der Gegend herumgefahren, bis ich mich dazu entschieden habe, hierherzukommen.

Wenn ich es mir recht überlege, war ich lange nicht mehr hier. Bestimmt vor einem Jahr oder so. Mit allem, was momentan bei mir los ist, hatte ich auch einfach keine Zeit mehr. Keine Zeit für mich. Für meine Gedanken und mich.

Mein Blick wandert zum Beifahrersitz. Ich greife nach meiner Cap und einer Flasche Wasser, die ich immer für Notfälle mit im Auto habe. Mein Handy stecke ich mir in meine hintere Hosentasche als ich aussteige. 

Sofort schlägt mir die salzige Luft des Meeres ins Gesicht. Erst jetzt merke ich, wie sehr ich es vermisst habe am Strand zu sein. 

Früher, also bevor ich diese Karriere hatte, war ich bestimmt dreimal die Woche am Strand. Manchmal war meine Familie mit mir hier, manchmal war ich allein. Um ehrlich zu sein, war ich meistens allein hier. Besonders am Abend, wenn die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwindet und einen unglaublich wunderschönen Himmel zurücklässt. 

Mit einem leisen 'Klick' verschließt sich mein Wagen und ich suche kurz den Strand nach einem kleinen Platz ab, an den sich nicht so viele Menschen aufhalten. Momentan will ich einfach allein sein. 

Die Cap noch weiter in mein Gesicht gezogen, bahne ich mir einen Weg durch den warmen Sand. Sobald ich die kleinen Körner unter meinen Füßen habe, ziehe ich meine Schuhe aus und kremple meine Hosenbeine nach oben. Wenn ich schon am Strand bin, will ich ihn auch mit allen Sinnen spüren. 

Eine Weile wandere ich herum, bis ich nahe einiger Felsen einen guten abgeschotteten Platz finde und mich niederlasse. Die Beine angewinkelt, meine Arme auf den Knien aufgestützt und mit der Wasserflasche nun zwischen meinen Beinen im Sand, lasse ich meinen Blick über die Wellen gleiten. 

Für einen Moment schließe ich meine Augen und lausche einfach nur. Ich kann die Wellen hören, die mal laut und mal leise an den Felsen bersten. Ein paar Möwen fliegen krächzend vorbei. Weit entfernt kann ich ein paar Kinder hören. 

Es tut echt gut mal wieder draußen in der Natur zu sein. Das letzte Jahr war unglaublich anstrengend und nerven zerrend. Ich liebe meinen Job und würde nichts an meiner Situation ändern wollen, doch jetzt hier zu sitzen, zeigt mir, dass ich mir öfter ein paar Pausen gönnen sollte. 

Langsam verliere ich die Relation zur Zeit, als ich den Sonnenuntergang beobachte. Ich zucke zusammen, sobald mein Handy anfängt zu klingeln. Ein Herzinfarkt ist nichts dagegen. Ich lehne mich ein wenig weiter nach vorn, um mein Handy aus meiner Hosentasche zu ziehen. Ein Blick auf den Bildschirm und ich seufze.

Natürlich ist es George. Wer sollte mich auch sonst anrufen! Außer er und Nick hat auch niemand meine Nummer. Jetzt hier seinen Namen zu lesen, erinnert mich auch wieder daran, weshalb ich eigentlich hier bin. 

Ich will nicht sagen, ich bin geflüchtet, aber ich bin geflüchtet. Es kommt auch nicht oft vor, dass dein bester Freund, der noch nicht einmal dein Gesicht kennt, dir verkündet, dass er in ein paar Tagen nach Amerika fliegt. 

An sich freue ich mich natürlich riesig darauf, ihn endlich einmal in RL vor mir stehen zu haben, ihn umarmen zu können und ihn in meiner Nähe zu wissen. Doch ich habe auch unglaubliche Angst. Angst davor, dass er herausfindet, was ich eigentlich für ihn empfinde. 

Das diese Meetup nun so zeitig stattfinden soll, hilft meiner Situation nicht gerade sehr. Jetzt weiß ich einfach nicht, wie ich George gegenüber treten soll. Meine Gefühle sind alle so durcheinander. 

Das erneute Klingeln reißt mich erneut aus meinen Gedanken und ich schaue wieder aufs Handy. Ich bin hin- und hergerissen, ob ich es einfach klingeln lassen oder ob ich den Anruf annehmen soll. 

Doch auch wenn ich es ignoriere, wird er nicht locker lassen. Ich bin sonst immer erreichbar. Besonders, wenn ER anruft.  

Ich hole also noch einmal tief Luft, bevor ich den grünen Hörer antippe. 

Mit den Wellen vor meinen Augen und der Musik, die George im Hintergrund laufen hat, entspanne ich mich langsam wieder. Sobald ich seine Stimme höre, dreht sich die Welt für mich ein wenig langsamer. 

"Clay, mein Flug geht in vier Tagen. Dann können wir uns endlich sehen."

Auch wenn mir die Tränen langsam die Wangen herunterlaufen, kann ich dennoch nur lächeln. 

"Ich freue mich George, ich freue mich schon riesig darauf."



And I would say I love you  


But saying it out loud is hard 


So I won't say it at all 


And I won't stay very long


But you are life I needed all along


I think of you as my brother


Although that sounds dumb


And words are futile devices


(Futile Devices - Sufjan Stevens)

DreamnotfoundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt