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Der nächste Tag vergeht ereignislos. Um ehrlich zu sein, vergeht die nächste Woche ereignislos. Keiner von uns beiden hat die vergangenen Nächte auch nur mit einer Silbe erwähnt. Außer, das wir noch immer im selben Bett schlafen, passiert auch nicht viel zwischen uns. 

Wir liegen meist nur ruhig nebeneinander. Kein Körperkontakt, keine Umarmungen, keine Küsse. Ich weiß, um ehrlich zu sein nicht, was los ist. Habe ich mir diese Gefühle und diese Situationen zwischen uns nur eingebildet?

Habe ich etwas falsch verstanden?

Außerdem habe ich das Gefühl, dass George mir aus dem Weg geht. Sobald er ausgeschlafen hat, steht er sofort auf und mischt sich unter die anderen. Ich meine, ich will definitiv, dass alle mehr miteinander machen, auch George. Doch so wie er mir aus dem Weg geht, ist schon etwas merkwürdig.

Auch Nick scheint das bemerkt zu haben, denn er sprach mich einmal darauf an, ob es Probleme geben würde zwischen uns.

Ich konnte ihn nicht so richtig antworten. Ich weiß einfach selbst nicht, warum die Situation so komisch geworden ist.

Doch ich habe vor, ihn heute darauf anzusprechen. Ich kann nicht mehr so weitermachen. Was auch immer ich gemacht habe, ich will es bereinigen. Aber am wichtigsten ist, ich will ihn nicht verlieren.

Heute Abend ist wieder ein Community-Stream mit allen im Haus geplant. Also werden wir alle für ein paar Stunden zusammenhocken und dann wahrscheinlich müde ins Bett fallen. Endlich mal wieder eine Gelegenheit, wo wir zur selben Zeit ins Bett gehen. Also hoffentlich kann er mir dann nicht entkommen.

Ich habe mich heute dazu bereit erklärt für alle zu kochen und das ist genau das, was ich gerade mache. Wil hilft mir, während die anderen im Wohnzimmer den Stream vorbereiten. Auch George ist mit im Wohnzimmer, von der Küche aus habe ich einen guten Blick auf ihn. 

Gerade unterhält er sich mit Phil und Karl über irgendwelche Einstellungen der Kamera. Er sieht so fröhlich aus, wenn er mit den anderen zusammen ist. Ich wünsche mir, das könnte er auch mit mir. 

"Du hast Gefühle für ihn."

Das war keine Frage von Wil, sondern eine Feststellung. Von ihm habe ich auch nichts anderes erwartet, um ehrlich zu sein. Ich schaue ihn kurz von der Seite an und konzentriere mich dann wieder auf mein Schneidebrett. 

"Er hat Gefühle für dich."

Wieder ist es keine Frage, sondern eine ganz normale Aussage, die Wil tätigt. Doch diesmal kann ich ihn da nicht zu hundert Prozent zustimmen. Wie kann ich, nachdem ich mir langsam nicht einmal mehr sicher bin, dass das alles wirklich so passiert ist wie ich es in Erinnerung habe. 

Diesmal schaue ich Wil nicht an und schneide einfach weiter die Tomaten. Ich möchte eigentlich gerade nicht darüber sprechen. Es ist schon nervenaufreibend genug, dass wir gleich den Stream haben und ich dann später das Gespräch geplant habe.

"Du merkst aber schon, dass er Gefühle für dich hat, oder?"

Ich seufze, lege das Messer auf das Brett und drehe mich zu Wil um. Mit einer Augenbraue nach oben gezogen, schaue ich ihn an und warte darauf, dass er weiter spricht. Zum einen will ich nicht wissen, was er mir zu sagen hat, zum anderen will ich gern eine zweite Meinung haben.

Mittlerweile kenne ich Wil schon ziemlich lange und habe mit ihm auch die ein oder anderen ernsten Gespräche geführt. Ich weiß, dass er nichts beschönigt und mir immer die Wahrheit sagt. Auch wenn er immer so witzig und unbeschwert in den Videos und im Call zu sein scheint, ist er sehr empathisch. Man kann sich definitiv auf ihn verlassen.

"Clay, du musst doch sehen, dass er dich mag. Oh Mann, er mag dich nicht nur, er ist hin und weg von dir. Aber irgendwas ist in den letzten Tagen passiert bei euch. Vor einer Woche, als ich euch in der Küche erwischt habe, schien alles noch in Ordnung. Doch jetzt ist etwas anders. Was ist passiert?"

Er hat es also mitbekommen. Aber das heißt, wenn er es mitbekommen hat, dann vielleicht auch die anderen.

Ich schaue auf den Boden und versuche meine Gedanken zu sammeln. Was soll ich Wil jetzt sagen? An sich denke ich das gleiche wie er. Zumindest hoffe ich, George fühlt genau das gleiche wie ich. 

Doch wie kann ich mir da denn sicher sein, wenn wir noch nicht einmal darüber gesprochen haben? Außerdem geht er mir ohnehin gerade aus dem Weg. Demnach kann ich Wil da nicht zustimmen.

"Clay..."

Sofort schießt mein Kopf in die Höhe, als ich seine Stimme höre. George steht wie bestellt und nicht abgeholt im Türrahmen. Seine Hände hält er verkrampft hinter seinen Rücken. Er hat zwar meinen Namen gesagt, dennoch schaut er wenn dann nur Wil oder den Fußboden an.

Da keiner von uns etwas sagt, erklärt sich Wil bereit, den nächsten Schritt zu machen. 

"Was ist los, George?"

Erschrocken über die plötzliche Unterbrechung der Stille, zucken wir beide zusammen. Im selben Moment schauen wir zu Wil und anschließend uns selbst an. Daraufhin senkt George zwar wieder seinen Blick, beginnt dennoch zu sprechen. 

"Ich wollte fragen, ob ihr dann so weit seid. Wir sind fertig mit den Vorbereitungen. Der Stream kann anfangen."

Mein Blick hängt immer noch an George und seinen Lippen. Meine Gedanken schweifen zu der Nacht, an der ich diese Lippen auf meinen gespürt habe. So weich. Seine Haut auf meiner. Meine Hände auf seinem Körper.

"Wir sind in ein paar Minuten fertig. Sag den anderen, dass sie sich schon mal im Wohnzimmer einfinden können."

George nickt kurz und dreht sich um. Wir sind wieder allein in der Küche. So langsam erwache ich auch wieder aus meiner Starre. Ich stütze mich an der Küchentheke ab und atme ein paar mal tief durch. 

Wil hat noch nichts gesagt, weshalb ich langsam meinen Kopf hebe und ihn anschaue. Er steht gegen den Kühlschrank gelehnt da, mit seinen Armen verschränkt vor der Brust. Sein Blick ist nicht abwertend. Er schaut mich einfach nur fragend an.

"Du musst echt was machen, Clay. Das kann so nicht weitergehen."

"Ich weiß. Ich weiß."

Damit drehe ich mich um und rutsche an der Kücheninsel nach unten. Sobald ich sitze, lasse ich meinen Kopf in meine Hände fallen. 

Verdammt!


Ende

DreamnotfoundWhere stories live. Discover now