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Das Klopfen der Türe riss Lùana aus dem Schlaf. Verwirrt richtete sie sich auf. Wo war sie? Ein Blick in das Zimmer in dem sie lag reichte und mit einem Schlag strömten die Erinnerungen wieder in ihren Kopf. Die Flucht. Die Rettung. Der König. Legolas.

Legolas!

Mist, er wollte sie doch zum Mittagessen abholen!

"Einen Moment, ich komme gleich!" Schnell sprang sie aus ihrem Bett - und sank mit einem leisen Schmerzenschrei zu Boden. Ihre Verletzung an der Hüfte hatte sie fast vergessen. "Ist alles in Ordnung?", drang Legolas besorgte Stimme durch die Türe. "J-ja, alles gut". Vorsichtig stand sie auf und versuchte ihre schmerzende Hüfte so wenig wie möglich zu belasten, während sie ins Bad ging.

Als sie eintrat blieb sie erneut unwillkürlich stehen, um den riesigen Raum zu bewundern. Zu lange konnte sie jedoch nicht so verweilen, der Gedanken an Legolas, der auf sie wartete, trieb sie zur Eile an. Vorsichtig lief sie zu dem wassergefüllten Becken, wusch sich das verweinte Gesicht, kämmte und flocht eilig ihre Haare und zog sich schließlich an.

Als sie schließlich die Tür öffnete, empfing das freundliche Gesicht des Elben sie. Obwohl sie erst so kurz hier war, wirkten Legolas blauen Augen und sein Lächeln schon so vertraut, so beruhigend. Als der Elb ihr Gesicht sah, erlosch sein Lächeln und eine Spur Mitleid trat in seine Augen. "Du hast geweint.", stellte er leise fest.

"Sieht man das wirklich so sehr?", murmelte sie verlegen und blickte zu Boden. Sollte sie nicht besser hier oben bleiben? Nicht, dass die anderen Elben sie so sahen. Oder der König...

Legolas unterbrach ihre Überlegungen, nahm sanft ihren Arm und lächelte leicht. "So schlimm ist es nicht. Und wer könnte es dir verübeln..." Eine Welle der Dankbarkeit durchflutete die Elbin als sie in das herzliche Lächeln des Elben sah und ihre Mundwinkel wanderten unwillkürlich ebenfalls weiter nach oben. "Okay.."

Zusammen machten sich auf den Weg in den Thronsaal. Der Elb stützte sie hilfsbereit, während sie schweigend durch die sonnendurchfluteten Gänge gingen.  Als sie an einem der großen Fenster vorbeikamen, sah Legolas gedankenversunken nach draußen. "Hast du heute Nachmittag schon was vor?".

Lùana sah zu ihm hoch. "Nein, warum?"

"Wir könnten in den Wald gehen, wenn du möchtest", schlug der Elb vor und zeigte mit dem Kopf in Richtung des Fensters, durch das man die Bäume des Düsterwaldes sah.

Die Elbin brauchte nur einige Momente zu überlegen, dann entgegnete sie lächelnd: "Gerne, warum nicht?" Es würde bestimmt schön werden. Außerdem konnte sie so vielleicht wenigstens kurzzeitig den dunklen Gedanken entkommen, die sie plagten.

Dankbar sah sie den Elben an. Legolas lächelte zufrieden und führte sie zum Thronsaal.


Dort angekommen setzten sie sich an die lange Tafel, die mit köstlich aussehenden Speisen gefüllt waren. Viele neugierige Blicke folgten der Elbin, die unsicher den Kopf senkte. "Hey, alles gut. Komm, wir holen uns etwas zu essen." Legolas lächelte sie beruhigend an und sie nickte dankbar.

Der Elb reichte ihr einen Teller und so fing sie zögerlich an, diesen zu beladen. Zu ihrem Erstaunen war das Abendessen garnicht so viel anders als das, das sie von Zuhause kannte und schon nach dem ersten Bissen merkte sie, wie hungrig sie eigentlich war.

Nachdem sie fertig gegessen hatte, sah sie sich vorsichtig um. Der Thronsaal war mit dem warmen Licht der Mittagssonne erfüllt und die Blätter an den Ästen sahen aus, als wären sie aus reinem Gold gegossen. Lùana riss ihren Blick davon los und wandte sich statdessen den Elben zu, die in ihrer Nähe saßen.

Langsam verschwand ihre Unsicherheit und nun war sie es, die sich neugierig unter den Elben umsah. Legolas stellte sie den anderen vor und schon bald war sie voll und ganz damit beschäftigt, die neugierigen Fragen zu beantworten, die ihr gestellt wurden. Sie vermied es, über ihre Heimat zu sprechen und Legolas half ihr immer wieder, in dem er das Thema wechselte, wenn er merkte, dass sie sich unwohl fühlte. Doch schon bald hatten die Elben Lùana mit ihrem freundlichen, offenen Wesen ins Herz geschlossen und auch sie fühlte sich immer wohler.

Es waren keine Fremden mehr, das waren Elben wie sie und Legolas. Freunde.

Die Stimmung wurde langsam immer ausgelassener und so plauderten sie einige Zeit lang vergnügt.


Nachdem sie eine Weile dort zusammengesessen hatten verabschiedeten sie sich von den anderen, denn sie wollten ja noch zusammen in den Wald gehen. Sie stand auf und ging mit Legolas in Richtung der großen Tür, als sie plötzlich den Blick des Elbenkönigs auf sich spürte. Während des Essens hatte sie ihn garnicht gemerkt, sein Thron stand ganz am Ende des riesigen Raumes, doch im Augenwinkel sah sie die eisblauen Augen, die sie ansahen. Sie spürte, wie ihr Herz unwillkürlich schneller schlug und sich eine Gänsehaut auf ihren Armen ausbreitete.

Sie schluckte nervös und lief schneller, um den Thronsaal zu verlassen.

Was sie nicht wusste war, dass der König während des Essens immer wieder zu ihr gesehen hatte. Sein Gesichtsausdruck hatte wie immer keine Regung gezeigt, doch er hatte sowohl ihre verweinten Augen, als auch ihren freundlichen und offenen Umgang, sowie ihr helles, schönes Lachen bemerkt. Sie brachte Fröhlichkeit und Wärme in das Schloss und löste in Thranduil ein Gefühl aus, dass er noch nicht deuten konnte. Er wusste nicht, ob er es gut oder schlecht fand, aber er verborg es tief unter seiner Maske, unter seinen ebenmäßigen Gesichtszügen, hinter den stechend blauen Augen, deren Blick nun auf der Elbin lag.

Ohne sich umzusehen, ging Lùana mit Legolas aus dem Thronsaal und als die warme Luft sie umfing und sie die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut fühlte, hatte sie die Blicke des Königs schon fast wieder vergessen.


 Es war ein schöner Tag, und die Sonne schien leicht durch das Blätterdach. Die Vögel zwitscherten und es war so friedlich, dass die Sorgen und Gedanken der Elbin sich schnell verflüchtigten. 

Legolas kannte sich gut im Wald aus, er zeigte ihr versteckte Stellen, an denen man saftige Beeren finden konnte, sie kletterten auf Bäume und ließen ihre Füße im Bach abkühlen. Währenddessen erzählten sie sich Dinge, über sich, über ihre Kindheit und über alles Mögliche. Sie lachten viel, neckten sich und genossen die Zeit. 

Schnell bahnte sich zwischen den beiden eine Freundschaft an, und als sie schließlich auf einer schönen Wiese lagen, lächelten beide glücklich und die Augen der jungen Elbin funkelten. 

Viel zu schnell war der Nachmittag vorbei und die beiden mussten zurück ins Schloss. Legolas brachte sie noch bis zu ihrem Zimmer, dann lächelte er und meinte: "Das müssen wir öfters machen!" Lùana grinste schelmisch und lächte: "Auf jeden Fall! Wenn ich wieder gesund bin, besiege ich dich im klettern!"

Spielerisch stieß sie ihm in die Seite und der Elb entgegnete lachend: "Du kannst es gerne versuchen!" Lächelnd wünschte sie ihm eine gute Nacht, dann ging sie in ihr Zimmer. Als sie sich ein leichtes Nachtgewand übergezogen hatte und auf ihrem Bett lag, überwältigte sie die Müdigkeit und sie gähnte.

Es war ein schöner Tag gewesen. Wirklich schön...

Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen schloss sie sie Augen und schlief langsam ein.




Ein Herz aus EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt