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Als die Sonne ihre ersten Strahlen durch die Baumwipfel des Düsterwaldes warf, hatte Legolas es nicht mehr ausgehalten und war aufgestanden. Gedanken hatten ihm den Schlaf geraubt und er hatte sich die ganze Nacht unruhig in seinem Bett hin- und hergewälzt. Schließlich hatte er beschlossen, dass er den Morgen genausogut bei der Elbin verbringen konnte.

Hunger verspürte er noch nicht und so saß er bald am Krankenbett der Elbin. Die Neugier plagte ihn, er wollte endlich wissen, woher sie kam und was ihr zugestoßen war. Er musterte sie aufmerksam, als könnte das seine Fragen beantworten, doch schließlich musste er einsehen, dass er nichts tun konnte, außer zu warten.

Die Elbin war blass und sah in dem großen Bett beinahe zerbrechlich aus, doch Legolas wusste, dass sie hier in den besten Händen war. Die Heiler hatten ihm versichert, dass sie es schaffen würde, die Verletzungen waren nicht lebensbedrohlich. Sie brauchte nur Ruhe, dann würde es ihr bald besser gehen. Und hoffentlich würde sie dann aufwachen.

Legolas seufzte und lehnte sich auf dem Stuhl nach hinten, um eine bequemere Position zu finden. Als er gestern seinem Vater berichtet hatte, hatte dieser wie üblich scheinbar gelangweilt seinem Bericht gelauscht und befohlen, sie wenn sie wieder wach war, in den Thronsaal zu bringen.

Legolas stützte den Kopf in die Arme, während er wieder die Elbin ansah. Hoffentlich erlaubte sein Vater, dass sie hierbleiben durfte... Nachdenklich atmete er aus, während er seinen Blick nicht von den feinen Gesichtszügen der Elbin wenden konnte. Irgendwas war in ihrem Gesicht, was er nicht erklären konnte. Was ihn hoffen ließ, sie würde bleiben. Vielleicht, weil sie so friedlich aussah, so als würde sie einen schönen Traum haben.


Eine plötzliche Bewegung der Elbin riss Legolas aus seinen Gedanken. Sie wachte auf! Mit einem Satz war der Elb auf den Beinen und beugte sich zu der schmalen Gestalt. Der friedliche Ausdruck auf ihrem Gesicht war verschwunden, stattdessen verkrampfte sich ihr Körper. Sie schien Angst zu haben, ihre Augen waren noch geschlossen, aber ein leichtes Stöhnen entwich ihren Lippen, als hätte sie Schmerzen. Sie bewegte sich krampfhaft und in ihrem Gesicht trat ein Ausdruck von Angst und Schmerzen.

Besorgt sah Legolas sie an. Vorsichtig hob er seine Hand, berührte sie sanft an der Schulter, um sie zu beruhigen. Keine Sekunde später zuckte er jedoch wieder zurück, als die Elbin angsterfüllt wegzuckte und plötzlich aufschrie: "Nein! Tu ihm nichts! Vater! NEINNNN..." 

Bevor Legolas reagieren konnte, schlug sie mit einem Mal die Augen auf. Panisch blickte sie Legolas an, wie ein Tier, das gejagt wird. Der Elb erstarrte unter dem Blick, ehe er scharf die Luft einzog. Diese Augen. Ihre Augen waren von einem intensiven Blau, doch was Legolas so in seinen Bann zog, war der Ausdruck darin. Trotz der Angst, die ihr ins Gesicht geschrieben stand war in ihren Augen ein Ausdruck, den Legolas nicht deuten konnte. Ihre Augen funkelten leicht, und in diesem Funkeln lag ein Licht, das den jungen Elb die Luft anhalten ließ. Etwas Warmes... Liebe... Mitgefühl...Barmherzigkeit...

So etwas hatte Legolas noch nie gesehen...

Das Keuchen der jungen Elbin rief ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. Sie starrte ihn angsterfüllt an und keuchte: "W-wer seid ihr?" Ihre Stimme zitterte, während sie ihre zierlichen Hände in das Bettuch krallte. Legolas schluckte, um seine Stimme wiederzufinden und blickte die Elbin nun etwas ruhiger an.

"Ich bin Legolas Grünblatt. Ich habe euch im Wald gefunden, ihr wart schwer verletzt." Die Elbin sah ihn mit großen Augen an, die Verwirrung war ihr ins Gesicht geschrieben. "Wo... wo bin ich?" Langsam entspannte sich der Elb und ein leichtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Er antwortete: "Ihr seid im Düsterwald, im Waldlandreich des Königs Thranduil." Als die Elbin nichts erwiederte, musterte Legolas sie nun seinerseits neugierig. "Und... wer seid ihr?" Die Elbin sah langsam auf, ihr Atem hatte sich wieder etwas normalisiert, auch wenn sie immer noch verschreckt aussah. Mein...mein Name ist Lùana. Ich komme aus..." 

Ihre Stimme versagte und der verrwirrte Ausruck in ihrem Gesicht machte einem Ausdruck von Entsetzen breit, als sie Legolas mit weit aufgerissenen Augen ansah. "Nein, nein, bitte! Bitte nicht!", wimmerte sie leise, sie schien sich an etwas zu erinnern. Sie wollte sich aufrichten, doch die plötzliche Bewegung ließ den Schmerz in ihrer Hüfte neu aufflammen und sie fasste sich an den Verband. "Nein...Nein bitte nicht!" Ihre Stimme wurde zu einem leisen Keuchen und in ihren Augen schwammen Tränen.

Eilig kniete sich der Elb neben das Bett, seine Augen besorgt auf die Elbin gerichtet. "Beruhigt euch!", sagte er leise aber bestimmt und drückte die Elbin wieder sanft in ihr Kissen. Die Elbin wehrte sich nicht und ihre Augen trafen auf die des Prinzen. "Was ist geschehen Lùana?"

Der Körper der Elbin zitterte leicht, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. Ein leises Schluchzen verließ ihren Mund, ehe sie zitternd ausatmete. "Ich...ich komme aus Lichttal. Es liegt viele Meilen weiter im Süden. " Nun sah sie Legolas wieder an. "Wie waren nur wenige Elben, niemand wusste von unserer Existenz, wir lebten in Frieden mit allen um uns. Mein Vater, Inglor, war ein guter Mann. Er bewahrte den Frieden und liebte sein Volk." Wieder wurde ihr Körper von einem Schluchzen geschüttelt. Sanft legte Legolas ihr die Hand auf die Schulter, darauf bedacht, sie nicht zu erschrecken. "Erzählt weiter", bat er vorsichtig.

Lùana sah ihn an und nickte leicht, ehe sie tief durchatmete. "Wir hatten Frieden, bis... bis die Orks kamen. Mein Vater wollte mit ihnen verhandeln, doch sie waren hinterhältig. Sie griffen uns nachts an und brachten alle um. Frauen, Männer, Kinder... " Sie klammerte ihre Hände in die Leinendecke, dann schluchzte sie: "Auch meinen Vater haben sie getötet..." Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie zu Legolas aufsah. "Er schrie mir zu, ich solle fliehen und ich... ich ritt mit meinem Pferd davon, so schnell es ging." 

Verzweiflung und Schmerz erfüllten ihren Blick, sie waren fast fühlbar für den Elbenprinzen, der sie erschüttert ansah. "Sie haben brachten ihn um... Er ist tot..." Sie schluchzte laut auf und ihr Körper sank kraftlos in das weiche Kissen, ehe sie ihr Gesicht mit den Händen bedeckte.

Einen Moment war Legolas wie erstarrt, unfühig zu handeln. Dann atmete er tief aus und flüterte: "Das...das tut mir fuchtbar leid..." Einen Moment zögerte er, dann legte er der Elbin vorsichtig die Hand auf den Kopf und strich über ihr weiches Haar, um sie zu beruhigen.

Es dauerte eine ganze Weile, bis die Elbin sich wieder etwas beruhigt hatte. Sie schluckte und sah Legolas aus feuchten Augen an. "Danke", murmelte sie und sah ihn dankbar an.

Der Elb lächelte leicht, ehe er aufstand. "Gerne. Und jetzt solltet ihr euch umziehen, wir müssen euch meinem Vater vorstellen. Wenn ihr Hilfe benötigt, ruft nach einem Heiler. Ich komme in einer halben Stunde wieder vorbei und hole euch ab." Er zeigte auf einem Stapel Kleider und stand auf, um den Raum zu verlassen. 

"Euer Vater?" Der Prinz blieb stehen und wandte sich zu der Elbin, die ihn verständnislos anblickte. "Ja, König Thranduil ist mein Vater", meinte Legolas lächelnd, dann drehte er sich um verließ den Raum, damit sich die Elbin umziehen konnte.

Nachdenklich blickte Lùana dem Prinzen nach, ehe sie sich vorsichtig aufrichtete und versuchte, sich anzuziehen.






Ein Herz aus EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt