~Kapitel 15~

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~Erinnerung~

Wir trafen uns wieder jeden Tag im Park. Das war die schönste Zeit am Tag. Ich liebte seine Stimme, seine Art, sein Aussehen. Ich liebte ihn. Mittlerweile hatte ich das Gefühl, dass ich dies mehr tat, als es mir gut getan hätte. Meinen Eltern erzählte ich nichts von Michael. Sie hätten ihn kennlernen wollen und irgendwie hätten sie herausgefunden, was mit ihm los war, wie vielen Menschen er schon wehgetan hatte. Und dann würden sie alles daransetzen, mich von ihm fernzuhalten und das wollte ich nicht. Ich wusste zwar weder wozu Michael in der Lage war, noch was er mir antun könnte, dich ich ignorierte das alles. Ich ignorierte die Warnsignale in meinem Kopf, die mich bei jedem Schritt anschrien, ich müsste umkehren, weglaufen, die Polizei benachichtigen. Ich wollte ihm vertrauen. Ich spürte, dass er nicht so war, wie er auf den ersten Moment wirken mochte.

Der junge Mann kam mit schwarzen Stiefeln und einem dunkeln Shirt auf mich zu. So wie immer machte ich auf der Parkbank platz, doch er hatte nicht vor, sich zu setzen. Fragend sah ich ihn an und musste gegen die Sonne blinzeln. "Was ist?" Er schüttelte geistesabwesend den Kopf und sah dann zu meinem Schäferhund. "Ich möchte dir jemanden vorstellen", sagte er nüchtern und schaute wieder mich an. Verwirrt stand ich auf. Laut ihm war ich der einzige soziale Kontakt, den er hatte. Wen konnte er mir dann vorstellen wollen? "Wen?", fragte ich und stand auf. Die Mittagssonne knallte unbarmherzig in mein Gesicht.

"Es ist viel Zeit vergangen. Ich habe mich verändert und du auch", sagte er langsam und kratzte sich kurz am Hinterkopf, als würde er nach den richtigen Worten suchen. "Ich habe in diesem Haus gelebt und da war jemand, der gedacht hat, er könnte mir helfen, direkt nach dem Tod von meiner Nana." Ich runzelte die Stirn. "In dem Haus lebt niemand, Michael. Alle Besitzer sind darin gestorben." "Ja eben", sagte er vorsichtig und seufzte kurz angebunden. "Sie sind sowas wie Geister, die in dem Haus herumspuken." Mir entfuhr ein Kichern. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. "Michael, gehts dir wirklich gut?", fragte ich und grinste unverschämt.

"Ja!", fuhr er mich geladen an. In seinen Augen stand plötzlich Zorn. Loderner, bebender Zorn, darüber, dass ich ihm nicht glaubte. "Ich lüge dich nicht an. Ich weiß, du willst nicht an Übernatürliches glauben, dabei bist du selbst übernatürlich." Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. "Was meinst du damit?" Trotzig starrte ich ihn an, die Arme vor der Brust verschränkt. "Du kannst deine Angst nicht vor mir verstecken. Ich sehe, dass du dich fürchtest. Vor dem, was in dir steckt, vor dem, was du bist. Aber auch vor dem, was ich bin."

Ich sah kurz zu Boden. Er hatte recht. Mehr konnte ich im Augenblick nicht dazu sagen, also schaute ich ihn wieder an. "Damit entschuldigst du also die angeblichen Geister in diesem Haus?" Ich zog eine Augenbraue hoch. "Ich entschuldige gar nichts. Und ich würde sie dir auch zeigen, doch leider sind sie alle momentan nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen, wenn du verstehst, was ich meine." Nein, ich verstand nicht wirklich, was er meinte, doch ein mulmiges Gefühl beschlich mich, dass es etwas mit Mord zu tun hatte. Ich glaubte nicht an Geister und an den ganzen anderen verrückten Mist. Doch auf der anderen Seite würde das Sinn ergeben, abgesehen natürlich von der Tatsche, dass Geister physikalisch gar nicht existieren konnten. Ich war zwar nicht Klassenbeste in Naturwissenschaften, aber meine zwei hatte ich nicht zu unrecht. 

"Du glaubst mir kein Wort oder?" Seine Stimme war plötzlich ruhig und ein wenig traurig geworden. Enttäuscht sah er mich an. Langsam schüttelte ich den Kopf. "Es tut mir leid, aber das klingt total verrückt. Michael, du hast recht. Ich glaube nicht an Übernatürliches..." Er kam einen Schritt auf mich zu. "Dann solltest du lieber damit anfangen", zischte er mir gefährlich ins Ohr, sodass ich von einem seltsamen Schauer der Unruhe erfasst wurde. Meine  Kiefermuskeln spannten sich an. Er war so leise gewesen, dass es mir Angst machte. Er wandte sich gereizt ab und ging. Seine Schritte waren auf dem Gras nicht zuhören, und dennoch hatte ich das Gefühl, sie würden mich verfolgen.

"Wen willst du mir vorstellen?", rief ich ihm hinterher und er blieb wie angwurzelt stehen. Verdammt. Ich verstand mich ja selbst nicht. Jeden anderen Typen hätte ich jetzt einfach ziehen lassen, nach dem Motto: der kommt schon wieder runter. Aber bei Michael war es anders. Alles war bei ihm anders. Ich hatte ein komplett anderes Gefühl, wenn ich in seiner Nähe war. Niemand anderes konnte mir dieses Gefühl vermitteln. Ich konnte es lange nicht zuordnen, doch mittlerweile war ich mir fast sicher: es war das Gefühl glücklich zu sein, das Gefühl, seine Zeit nicht mehr zu verschwenden, als würde es sich wegen jedem einzelnen Moment seiner Gegenwart lohnen zu leben. Es war nicht mehr normal. Doch nicht nur deswegen war es anders. Mir war klar, dass er nicht wie jeder andere frustrierte Mann ein Auto kaputt trümmern oder eine Spielkonsole zerschlagen würde. Ich wusste, dass er einen Weg finden musste, um seinen starken Emotionen einen Ausdruck zu verleihen und das tat er durchs Töten, durchs Verletzen und Chaos anrichten. Doch viel wichtiger waren mir da nicht die Menschen, die zu seinen Opfern werden würden, sondern er selbst. Ich sah, wie es ihn von innen heraus zerstörte, wenn er als gebrochener Junge tötete. Das wollte ich ihm so weit es ging ersparen.

"Du glaubst mir nicht", stellte er trocken fest. "Was hat das dann für einen Sinn?" "Ich muss nicht die ganze Geschichte wissen, Michael", entgegnete ich mit einer kalten Fassade. Ein warmer Sommerwind kam auf und wehte mir einzelne Strähnen meiner Haare mir ins Gesicht.  "Und ich glaube, ich will die ganze Geschichte auch gar nicht wissen. Ich akzeptiere dich so, wie du bist. Mehr brauch ich nicht zu wissen."

Er runzelte die Stirn und leckte sich dann mit der Zunge über die Lippen. "Tust du das wirklich?" "Ja", sagte ich. "Und ich möchte ein Teil deines Lebens werden, Michael." Er sah mich berechnend an, als ob er mir kein Wort glauben würde. "Du hast mir klargemacht, wer ich bin. Das ich mehr bin, als das durchschnittliche Mädchen mit den guten Noten und den vielen Fake Friends."

"Du bist alles andere als durchschnittlich oder normal", sagte Michael und wirkte ein wenig verwirrt. Ich lächelte kurz in mich hinein. "Bitte lass mich, dir helfen. Lass mich deine Freundin sein", ich hielt kurz inne, "bitte lass mich ein Teil deines Lebens werden." Ich seufzte.

"Arien", begann er und ich konnte tatsächlich ein Schmunzeln in seinen kalten Zügen entdecken. "Das warst du schon immer. Seit dem Moment, als du das erste Mal vor meiner Haustür standest und deinen Hund gesucht hast..." Ich hielt den Atem an, mein Herz sprang vor Freude auf und ab. "Komm mit", er bot mir seine Hand an. "Wir gehen."  Lächelnd schloss ich mit meinem Schäferhund auf und nahm seine Hand.

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Hi, ich wollt nur fragen, ob irgendjemand Ideen für den Namen des Schäferhundes hat? Ich würde dann im Nachhinein die Kapitel dementsprechend bearbeiten, weil immer nur "mein Schäferhund" ist jetzt nicht gerade die Sahne auf der Torte... Ähh, ja. Schönen Tag noch :)

Evil AntichristWhere stories live. Discover now