~Kapitel 12~

353 17 3
                                    

~Realität~

"Hilfst du mir bitte", fragte mich Mallory, als sie mich auf dem Flur oben abfing. Verwirrt sah ich sie an. "Bei was denn?" "Coco", bekam ich nur zur Antwort und willkürlich musste ich stöhnen. Diese Ziege. Was wollte sie jetzt schon wieder? Miesgelaunt folgte ich meiner Freundin in das Schlafzimmer der Prinzessin. Gallant und Coco waren im Bad an ihrer Frisur zu Gange. "Ein Meisterwerk", sagte Gallant und tätschelte sich selbstverliebt auf die Schulter, als er Cocos Frisur im Spiegel betrachtete. "Ja, das ist dir gut gelungen", gab sie zu und kicherte kurz.  Sie schaute an mir vorbei. "Was machst du denn da?", verlangte sie zu wissen und Mallory schreckte sofort von ihrem Schrank zurück. Ich drehte mich um. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie weggetreten war. Müde lehnte ich mich an den Türrahmen und blickte Coco und meine Freundin abwechselnd an.

"Ich wollte nur nach Schuhen für den Maskenball für mich gucken", rechtfertigte sie sich. "Diese hier hattest du schon seit Jahren auch vor der Apocalypse nicht mehr an." "Das ist egal!", fauchte die Diva wütend, ließ sich aber wieder in den Stuhl vor dem Kosmetikspiegel nieder.  "Außerdem wirst du die ja wohl sowieso nicht brauchen", stichelte sie weiter und Gallant lachte gekünstelt. Ich verdrehte die Augen, während Mallory die Schuhe auf den Boden stellte und zu mir kam. "Und wie siehst du denn überhaupt aus?" Cocos Aufmerksamkeit hatte ishc nun auf mich gerichtet. Gelangweilt schaute ich sie an. Ich hatte immer noch keine Gelegenheit gehabt, mich umzuziehen oder wenigstens meine Haare zusammenzubinden. "Ach Gott, pass lieber auf, dass man dich nicht mit den Zombies von da draußen vertauscht", feixte sie und ihre Augen blitzten. "Sonst wird Ms. Mead dich untersuchen müssen." Sie lachte schallend auf. Ein giftiger Blick von mir reichte, das sie das Thema wechselte.

"Also mir ist klar, dass ich in die Schutzzone kommen werde", sagte sie und schaute sich selbstherrlich im Spiegel an. Gallant stützte sich auf die Lehnen ihres Stuhls und wartete auf ihr Urteil. "Wie kannst du dir da so sicher sein?", fragte er. Schon fast entrüstet drehte sie sich zu ihm um. "Hallo?! Wie könnte er denn bitte mich nicht auswählen? Ich bin die perfekte Kandidatin, um die Menschheit am Leben zu erhalten. Und außerdem verlief mein Interview sehr gut, auch wenn ich sagen muss, dass mir dieser Langdon etwas komisch vorkommt." Mein Körper verkrampfte sich unwillkürlich. "Mein Gespräch war auch sehr erhellent", scherzte Gallant mit ihr, während er sich noch eine Haarnadel schnappte. Beide schienen sich sicher zu sein, dass sie die Auserwählten für die Schutzzone waren.

"Dann ist bei euch auch etwas Komisches passiert?", fragte Mallory neben mir und wir alle sahen sie überrascht an. Was war denn in die gefahren? Die beiden hatten doch nur gescherzt, doch sie meinte es ernst. Vielleicht hätte ich ihr doch genauer zuhören sollen, als sie mir von dem Gespräch erzählt hatte. "Was soll denn passiert sein?", fragte Coco mit hochgezogenen Augebrauen.  "Ich habe das Feuer im Kamin zum brennen gebracht", sagte Mallroy schüchtern. Verwirrt sah ich sie an. So kannte ich sie gar nicht. "Das ist nichts Besonderes." Coco sah sie herablassend an. "Das kann jeder." "Nein, so meinte ich das nicht", meine Freundin schob sich die Brille wieder nach hinten auf den Nasenrücken.  "Es ist explodiert. Die Flammen waren im ganzen Raum."

"Was? Hast du etwas eine Kerze umgeworfen?" Coco kicherte, während Gallant sich wieder an ihren Haaren zu schaffen machte. "Nein, ich habe nichts gemahct. Es war eher so ein Gefühl. Ich glaube mein Verstand hat das verursacht", sagte sie langsam und schämte sich offensichtlich für ihre eigenen Worte. Coco und Gallant brachen in schallendes gelächter aus. Am liebsten hätte ich beiden eine geknallt. Mallory sah kurz zu Boden, dann zu mir. Ich nickte ihr aufmunternd zu. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich mich zu sehr mit meinen eigenen Problmen beschäftigt hatte, anstatt auch nur für eine Sekunde die meiner besten Freundin anzuhören.  "Gut, wenn das wahr ist, dann zeig es uns", forderte Coco sie auf. Ich blickte zwischen ihnen hin und her. "Na los, dort ist ein Kamin, machs nochmal." Mallory sah verunsichert das Feuer an, dann fixierte sie es. Nichts passierte. Ich ließ die Schultern hängen. "Na, wusste ich es doch", feixte Coco zu Gallant und ging zurück ins Badezimmer.

~Erinnerung~

Ich war immer noch in dem Gruselhaus mit Michael und der Horrorfilm war echt nicht der beste, den ich gesehen hatte. Ich wusste nicht mehr, wann ich eingeschlafen war und wie. Doch jetzt reiste ich in meiner Traumwelt umher, bis ich plötzlich keine Luft mehr bekam.

Ich war wach, hellwach und röchelte. Ich rang nach Luft, doch ich bekam keine. Panik überkam mich. Ich hatte das Gefühl, meine Lungen würden schrumpfen. Ich schlug die Augen auf und wehrte mich mit allem was ich hatte. Voller Schock starrte ich Michael ins Gesicht. Er kniete über mir und würgte mich zu Tode. Sein Blick war leer und voller Schmerz. Tränen liefen seine Wangen hinab. Es war als wäre er taub für alles was passierte. Ich kratzte ihn, schlug und trat. Sein Griff war zu stark.

Plötzlich sprang er von mir runter und starrte geistesabwesend seine eigenen Hände an. Ich keuchte  und sog so viel Sauerstoff wie möglich in meine Lungen. Mein ganzer Körper schien lahmgelegt worden zu sein und mein Hals tat weh, als wäre ein Laster darüber gefahren.  Voller Panik schaute ich den jungen Mann einige Sekunden lang an. Ich umklammerte meinen eigenen Hals, immer noch voller Angst.  Er schaute mich an, lange. "Es tut mir leid", sagte er leise und starrte wieder seine Hände an.

In dem Moment, wo ich realisierte, was passiert war, sprang ich auf und rannte aus dem Zimmer, bloß weg von Michael. Ich riss die Haustür auf und sprintete raus in den Garten. Mein ganzer Körper zitterte und ich sah nur noch verschwommen.  "Arien", hörte ich eine Stimme hinter mir, doch es war mir egal. Der Boden war matschig. Es hatte die ganze Nacht geregnet, das tat es immer noch. Die Regentropfen durchnässten nach wenigen Sekunden meine Klamotten und Haare. Meine Schritte wurden immer schwerer und langsamer, bis ich schließlich auf die Knie sank. Meine Beine wollten mich nicht halten, in meinem Kopf ratterte es, um das eben Geschehene zu verarbeiten. Ich zitterte. Ich wollte weg, weg von Michael, weg von diesem Haus.

"Arien." Ich erschauderte, als ich seine Stimme ganz nah an meinem Ohr hörte. Sie war rau und bebte. Meine Haare klebten an meinen Wangen und meine Kleidung hatte sich mit Wasser vollgesogen, sodass sie doppelt so schwer war wie vorher. Ich schluchzte und wollte mich einfach nur fallen lassen. Meine Angst war so real wie noch nie zuvor. Vorsichtig berührte er mich an der Schulter. Ich ließ es zu. Langsam stand ich auf und drehte mich um.

Der Mann stand vor mir, nah, sehr nah. Ich bildete mir schon ein, ich konnte sein Herz schlagen hören. Ich wollte weglaufen, nein ich musste, ich sollte weglaufen, doch es ging nicht. Meine Beine wehrten sich gegen diesen Instinkt. Ich wehrte mich dagegen. Ich wollte nicht weglaufen, nicht vor ihm. "Es tut mir leid", sagte Michael und Tränen rollten über seine Wangen, ohne dass er eine Miene verzog. Doch bei mir war es nicht anders. Ich spürte die Tränen und die Gefühle, doch konnte nicht danach handeln.

Sein heißer Atem brannte auf meiner Haut wie Feuer und seine Nähe brachte mich um den Verstand. Seine Hände umschlossen mein Gesicht. Ich wollte ihn davon abhalten, doch es ging nicht. Ich erschauderte, als er mich an sich heranzog. Wassertropfen lösten sich von seinen nassen Strähnen. Er lehnte seine Stirn gegen meine. Ich umschloss seine Hände mit meinen. Gefühle, die ich niemals zuvor wahrgenommen hatten, durchströmten mich, wie ein eisiger Fluss. Ich hörte nur noch ihn langsam atmen und die sanfte Melodie des Regens um uns herum.

"Ich werde nicht weglaufen", hauchte ich ihm zu und sein Griff wurde fester. Mein ganzer Körper und meine Stimme zitterten. Vor der unegwöhnlichen Kälte, vor starken Gefühlen wie Angst und vor seiner Nähe. Was machte er mit mir? Meine Brust hob und senkte sich. Ich spürte weiterhin seinen heißen Atem auf meiner Haut zum Kontrast zu dem kalten Wasser, das mich umhüllte. Er hielt mich fest, in seinen Armen. Ich wusste nicht, warum, doch ich wollte nicht, dass es endete.

Evil AntichristWhere stories live. Discover now