18. August 2047

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Das fünfte Serum hatte Kieran nicht sonderlich gut vertragen. Tagelang hatte er sich unter Schmerzen gewunden und sich übergeben. Fluchend war Professor Kim zwischen den zahlreichen Geräten hin und her gewuselt, bis sie wütend einen der Monitore vom Tisch gefegt hatte. Er war ihr Prachtstück. Nur zu oft hatte er mitbekommen, wie sie vor den anderen Wissenschaftlern mit ihren Fortschritten an ihm angab.

Glücklicherweise waren die Schmerzen irgendwann abgeklungen und auch die Übelkeit war verschwunden. Sobald seine Beschwerden ihn verlassen hatten, hatte er sich auch deutlich stärker gefühlt.

Das alles war bereits mehrere Wochen her und nun war Professor Kim sich sicher, dass sie ihn nicht beschädigen würde, wenn sie ihn wieder einmal in diesen großen, leeren Raum steckte. Kieran hasste den großen, leeren Raum. Als er zum ersten Mal dorthin gebracht wurde, hatte er sich die ganze Zeit über versteckt, damit dieses andere kleine Geschöpf ihn nicht schon wieder anfasste und heulte. Seither war er einige Male dort gewesen. Aber niemals mehr war er auf jemand anderen gestoßen. Sie hatten seine Kräfte erforscht. Unter verschiedenen Bedingungen und jedes Mal hatte der Raum anders ausgesehen. Kieran hatte sich als äußerst geschickt herausgestellt, mit seiner Umgebung zu verschmelzen.

„So." Professor Kim klatschte ihren Notizblock auf den Tisch mit den vielen Monitoren. Geduldig wartete er, dass man ihm die Handschellen abnahm und ihn wieder in diesen Raum stieß. „Enttäusch mich nicht, Neununddreißig.", sagte sie und ihr Ehemann schob ihn wieder in den Raum. Hinter ihm fiel die Tür knallend ins Schloss.

Heute war der Raum wieder einmal komplett weiß. Heute wurde keine Umgebung aus der Außenwelt simuliert. Weiß. Immer wieder weiß. Gelangweilt sah Kieran sich um. Was war seine Aufgabe? Schon oft hatte er seine Kräfte demonstrieren müssen. Doch nur ein einziges Mal war der Raum komplett weiß und leer gewesen.

Die Tür am anderen Ende öffnete sich. Kierans Miene verdüsterte sich. Sie würden ihm doch nicht wieder eines dieser Geschöpfe bringen, die seine Größe hatten? Und tatsächlich wurde jemand zu ihm hinein gestoßen. Dieses Mal war es ein kleines Mädchen. Doch es sah ganz anders aus, als der Junge letztes Jahr. Dunkle Augen huschten ängstlich hin und her. Aus der rechten Seite ihres Kopfes ragte ein langes Horn. Dann erblickte sie ihn.

„Wo bin ich?", fragte sie und kam mit vorsichtigen Schritten auf ihn zu. Verärgert presste Kieran seine Lippen fest aufeinander. Er hatte keine Lust hier drauf. Er wollte wieder zurück in seine Zelle. Also überlegte er nicht lange und beseitigte den Störfaktor.

Blut befleckte das Weiß, das endlich nicht mehr nur weiß war. Färbte den Boden dunkel. Das Mädchen hatte ihn nicht kommen sehen. Erstaunt griff sie sich an die aufgerissene Kehle, als habe sie noch nicht verstanden, dass es mit ihr vorbei war. Ihr Körper verstand es vor ihr. Er kippte um und knipste ihre Lichter aus. Das Rot sog sich in ihre Kleidung, verklebte ihr langes braunes Haar.

Zufrieden wandte Kieran sich ab, setzte sich auf den Boden und wartete. Wenn das Mädchen nichts mehr tun konnte, würden die Wissenschaftler keinen Sinn mehr darin sehen, ihn mit ihr hier drinnen eingesperrt zu lassen. Mr. Kim würde die Tür aufschließen und ihn zurück in seine Zelle bringen. Und er brauchte auch gar nicht lange zu warten.

Mr. Kim öffnete die Tür. Doch er war kreidebleich.

Entstehungsgeschichte einer BestieWhere stories live. Discover now