Michael Langdon

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Ich hatte die Schnauze voll.  Seit zwölf Monaten saß ich hier fest, als Graue. Nicht als Purpurne, nein als Graue. Es war also nicht einmal so, dass ich das hier als Auszeit sehen konnte, nein, ich arbeitete härter, als je zuvor in meinem Leben. Das Essen gab man uns in Würfelform und besonders schmackhaft war es nicht. Seit einem Jahr hatte ich keine Sonne mehr gesehen, kein Regen mehr auf meiner Haut gespürt und auch keinen Wind verflucht,  der meine Haare durcheinander brachte.  Und verdammt, ich vermisste es.

Als beste Freundin von Mallory war ich hier gelandet. Sie war die Assistentin von Coco gewesen und ich hatte das Gefühl, sie war es immer noch. Sie ließ sich von der Furie schickanieren und durch die Gegend scheuchen.  Bei Gott, wie unausstehlich diese Person war. Nicht, dass eine der hier Anwesenden besser wäre, aber naja. Die olle Tante, die eine eigene TV Show hatte ist furchtbar, der andere schwule Typ trauert immer noch um seinen Partner und bezeichnet uns als Kanibalen, weil wir angeblich seinen Freund gegessen hätten und von Gallant mit seiner völlig bekloppten Großmutter will ich gar nicht erst anfangen.  Die einzigen purpurnen, die noch einigermaßen alle Tassen im Schrank hatten, waren das junge Mädchen und der Junge, die für ihren Aufenthalt keine Millionen Dollar bezahlt hatten. Leider liebten sie sich und alle körperlichen Kontakte in diese Richtung wurden von Ms Venable verboten. Ms Venable, eine furchtbar steife Frau, die nur Kälte ausstrahlte. Unsympathie in Person. Ihre Vollstreckerinnen waren da nicht besser, wobei Ms. Mead noch ganz in Ordnung war.

Weitere sechs Monate vergingen. Ms. Venable hatte uns das Essen gekürzt und die beiden Liebenden hielten es kaum noch aus. Wir Grauen hatten mehr Arbeit denn je und die Stimmung sank. Wie jeden Tag waren die Purpurnen nach dem Abendessen zusammengekommen und hörten sich wie jeden Tag das gleiche Lied an. Doch an diesem Abend war etwas anders. Ms. Venable verlangte uns Graue dabei. Das war noch nie vorgekommen, höchstens während des Abendessens.

Und so standen wir alle dort versammelt, Ms. Venable vor dem Kamin. Mallory und ich rechts und links neben dem Türrahmen. Wir warteten darauf, dass sie etwas sagte, aber sie stand einfach nur da und schaute in die Runde. Verunsichert sah Mallory mich an, doch ich zuckte nur mit den Schultern.
Plötzlich spürte ich eine unheimliche Präsenz im Bunker.  Es schnürte mir die Atemwege zu und brachte mein Herz zum Rasen. Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken. Ein Mann kam den Gang hinter meiner Freundin und mir entlang geschritten. Langsame, bedächtige Schritte, die sich wie die des Teufels anfühlten. Er kam in den Raum hinein und zog alle Blicke auf sich, es war totenstill geworden.  Mit schluterlangen rotgoldenen Haaren und einer stattlichen Größe ging der Mann durch den Raum und blieb kurz vor Ms. Venable stehen. Er schaute sie an, ohne eine Emotion im Gesicht. Zu meiner großen Überraschung hielt sie seinem Blick nicht einmal ansatzweise stand und gab nach. Sie hinkte mit ihrem Gehstock an die Seite, sodass der Unbekannte vor dem Kamin stand. 

"Mein Name ist Michael Langdon und ich repräsentiere die Kooperative", sagte der Mann mit seider Stimme. Seine Augen funkelten leuchtend blau und er schaute sich im Raum um.  Er schien jeden einzelnen in Sekundenschnelle unter die Lupe zu nehmen, ihre Gedankenzulesen, ihre Gefühle zu erfahren und ihre dunkelsten Geheimnisse aufzudecken.  Dann fiel sein Blick auf mich und ich hatte den Eindruck, dass er auf mir länger verweilte, als auf den anderen. Auch konnte ich zum ersten Mal an diesem Abend eine Emotion in seinen Gesichtszügen sehen: Überraschung.

Evil AntichristWo Geschichten leben. Entdecke jetzt