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>>Ich entschloss mich schon sehr früh, das Leben ohne Wenn und Aber einfach hinzunehmen.
Ich habe nie erwartet, dass es etwas Besonderes für mich bereithält,
und doch scheine ich weit mehr erreicht zu haben, als ich mir je erhofft hatte.
Meistens geschah es, ohne dass ich je danach gesucht hätte. <<

-Audrey Hepburn-

Eine Woche später ging ich wieder zur Schule. Meine Eltern kamen, genau wie ich, langsam, aber stetig über Elians Tod hinweg.

Ich vergaß ihn nie, aber der Schmerz ließ nach und zurück blieb kein klaffendes schwarzes Loch sondern einfach eine kleine leere Stelle in meinem Herzen. 

Es war immer noch schwer, ohne meinen Bruder weiterzuleben, jeden tag nicht mit ihm, sondern mit Kian zur Schule zu fahren. Aber mein Freund war für mich da und der gab mir Kraft und Hoffnung.

Kian war alles was ich immer gewollt, immer gebraucht hatte. Und er unterstützte mich in allem, was ich tat.

So kam es, dass er mit mir mitkam, als ich mich dazu entschied die kleine Prinzessin Emilia im Krankenhaus zu besuchen.

Ich wusste noch, wo sich ihr Zimmer befand und hoffte inständig, dass sie noch da war, damit ich sie sehen konnte.

Es war schwer, das Krankenhaus wieder zu betreten, aber ich schaffte es, weil Kian mir Kraft gab. So wie er es immer tat.

Als wir im Türrahmen erschienen, der zu Emilias Zimmer grenzte, sah ich ihren Vater an ihrem Bett sitzen, mit dem Rücken zu uns.

Ich musste mich konzentrieren die Wut zurückzudrängen. Er war schuld an Elians Tod. Er war der Fahrer gewesen, der für den Unfall verantwortlich war, aber ich sagte mir, dass er genug gestraft war mit dem Gedanken, dass er ein Leben genommen und beinahe auch das seiner eigenen Tochter zerstört hatte.

Mit einem leisen Räuspern machte ich auf uns aufmerksam und die beiden drehte ihre Köpfe in unsere Richtung.

Emilia war wach. Und ihr schien es so gut zu gehen, dass sie mit ihrem Vater Mensch ärgere dich nicht spielen konnte. 

Erleichterung durchströmte mich und ich lächelte das kleine Mädchen an.

„Hallo kleine Prinzessin." Begrüßte ich sie und kam in den Raum.

Ihr Vater erkannte mich und nickte zum Gruß. Er hatte immer noch keine Ahnung, dass ich die Schwester des Jungen war, der wegen ihm sterben musste, aber ich hatte auch nicht vor, ihn aufzuklären. Es würde nichts ändern. Elian wäre dennoch weg. Nichts würde etwas daran ändern können.

Ich zwang mich also zu einem Lächeln und trat an Emilias Bett.

„Prinzessin Kalea?" fragte sie ungläubig und zugleich begeistert.

Ich nickte „ja, ich bins. Und ich habe dir sogar etwas mitgebracht." Ich zog die Hände hinter meinem Rücken hervor und hielt ihr eine kleine Plastikkrone und ein Plüscheinhorn hin. „Eine Prinzessin braucht schließlich eine Krone, auch wenn sie nur im Bett liegt." Erklärte ich und setzte sie ihr auf den Kopf.

Das kleine Mädchen strahlte.

„Danke!" rief sie begeistert „Schau mal Dad! Jetzt bin ich wirklich eine Prinzessin."

Ihr vater lächelte „Das warst du doch auch so schon mein Schatz." In seiner Stimme lag so viel wärme und Liebe, dass meine Wut auf ihn ein klein wenig abebbte.

Emilia sah jetzt verstohlen zu Kian, der sich diskret im Hintergrund gehalten hatte „Ist das dein Prinz?" fragte sie halb flüsternd und ich warf Kian einen lächelnd, verträumten Blick zu.

„Ja." Raunte ich zurück, aber doch laut genug, dass er es hören konnte.

Wie von selbst, kam er näher und legte von hinten einen Arm um mich. Er drückte einen Kuss auf meine Wange und lächelte dann Emilia zu.

„Ich bin Prinz Kian." Stellte er sich grinsend vor. „Es ist mir eine Ehre euch kennenzulernen Prinzessin Emilia." Dann deutete er auch noch eine Verbeugung an und Emilia kicherte.

„Die ehre ist ganz auf meiner Seite." Sagte sie mit ihrer kindlichen, süßen Stimme.

Als ich sie ansah, erkannte ich mich selbst in ihr und das Gefühl, sie in mein Herz geschlossen zu haben wurde stärker.

Emilia war etwas Besonderes.

Ich zupfte an dem Armband mit dem Mühlradanhänger, das Kian mir geschenkt hatte.

Für ihn war auch ich etwas Besonderes.

***

Am nächsten Tag in der Schule stieg ich gemeinsam mit Kian aus seinem Auto.

Er ging mit mir gemeinsam zu meinen Freunden und stellte sich hinter mich. Einen Arm legte er um meine Taille und ich spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging.

„Hey Leute!" begrüßte ich Fanny, Dean, Simon und Rube und sah in die Runde.

Fanny beachtete mich kaum, weil sie damit beschäftigt war Gale zu beobachten, der bei dem Basketballteam stand und ebenfalls ab und zu Blicke zu uns herüber warf und Dean starrte Lil an, die gerade auf uns zusteuerte.

Sie stellte sich neben mich und grinste.

„Wie geht's, wie stehts?" rief sie ausgelassen und warf mir und Kian einen missbilligenden Blick zu, als ich von meinem freund einen Kuss gegen die Halsbeugegedrückt bekam.

„Müsst ihr sowas denn in der Öffentlichkeit machen?" sie schnalzte mit der Zunge „Also ehrlich!"

Ich lachte und Kian ignorierte seine Schwester einfach und drückte weiter Küsse an meinem Nacken und arbeitete sich zu meinem Kinn vor.

„Warum bist du so gut drauf?" wollte ich von meiner besten Freundin wissen.

Sie hob die Schultern und setzte ein mysteriöses Lächeln auf.

„Na los, sag schon." Drängelte ich.

Sie nickte „Also gut. Erstens habe ich am Wochenende mit Dad geredet. Über... die Sache. Und wir haben stundenlang zusammengesessen und uns unterhalten. Ich habe gesagt, dass ich ihm nie ganz verzeihen könnte, aber ihn liebte und er war so erleichtert, dass er angefangen hat zu weinen. Er hat sich immerzu entschuldigt. Und dann hat er mir versprochen noch dieses Jahr ins Disneyland zu fahren." Sie grinste. „natürlich macht es nicht alles ungeschehen, aber dagegen einzuwenden habe ich auch nichts. Ich wollte immer schonmal nach Disneyland!"

„Ich auch, aber meine Eltern wollten nie mit mir fahren und Elian meinte das wäre total überteuert." Ein wenig neidisch sah ich meine beste Freundin an.

Sie lächelte. „Tja, ich schätze das ganze hat auch seine guten Sachen."

„Und was ist die andere Sache?" hakte ich nach.

Ihr Grinsen wurde noch breiter „Ich wurde bei einem Auswahlverfahren für einen Sonderstudiengang im Bereich Medizin aufgenommen und gehöre momentan zu den Leuten, die ganz oben auf der Liste stehen, was bedeutet, dass ich gute Chancen habe!" sie hüpfte aufgeregt auf und ab.

Und ich jubelte mit ihr „Das ist ja mega!!!" rief ich begeistert.

Ich löste mich aus Kians Umarmung, der mich nur ungerne freigab und lachte ihn an. „Ich finde das sollten wir heute Abend bei einem Essen feiern. Ich lade euch ein!"

my brother's enemy is my best friend's brotherWhere stories live. Discover now