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>> Es gibt keine Grenzen. Nicht für den Gedanken, nicht für Gefühle.
Die Angst setzt die Grenzen. <<

-Ingmar Bergman-

Fluchend drehte ich mich um, als ich das Schloss hinter mir Klicken hörte. Verdammt! Ich tastete nach der Klinke, in der Hoffnung, die Türe vielleicht doch noch öffnen zu können, aber stattdessen gab es gar keine. Vermutlich musste man deshalb etwas zwischen die Türe legen.

Na toll.

Die Lampe, welche die Treppe nur im unteren Teil und auch dort eher spärlich beleuchtete, flackerte kurz auf und mein Herz machte einen Satz. Wenn jetzt auch noch das Licht ausginge, würde ich mir vor Angst sicher in die Hose machen. Bestimmt gab es hier unten Ratten.

Immerhin lebte ich im 21. Jahrhundert und besaß ein Handy. Instinktiv tastete ich in meiner Hosentasche danach, ehe mir einfiel, dass ich es in Lilians Zimmer gelassen hatte.

Stöhnend schloss ich einen Moment lang die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Ich spürte wie leichte Panik in mir aufstieg. Und Lil hatte eben noch über den Gedanken gelacht, ich würde mich versehentlich einschließen und die Nacht hier unten verbringen müssen.

Shit. Shitshitshit. Unschlüssig lief ich die Treppen ein Stück herunter, näher an das Licht, dann drehte ich wieder um und klopfte gegen die Türe. Niemand öffnete.

Ich fing an zu Hämmern, aber immer noch keine Reaktion. Die Musik drang nur gedämpft zu mir durch. Mich konnte hier eh keiner hören. 

Frustriert ging ich di Treppe wieder hinunter und setzte mich hin. Irgendwann würde Lilian merken, dass ich verschwunden bin und nach mir suchen. Oder jemand musste in den Keller, um etwas zu holen. Allerspätestens morgen früh, würde man mich hier finden.

Und über Nacht würde das flackernde Licht irgendwann nicht mehr aufflackern, sondern dunkel bleiben und dann kämen die Ratten aus ihren verstecken.

„Na super." Flüsterte ich und stand wieder auf.

Meine Nervosität und Panik nahm mit der Zeit zu. Ich hatte überhaupt kein Zeitgefühl. Vermutlich war ich erst seit maximal 10 Minuten hier drinnen, aber mir kam es schon vor wie eine halbe Stunde. 

„Okay Kalea." Versuchte ich mich selbst zu beruhigen. „Ganz ruhig atmen." Ich legte eine Hand auf meinen Bauch und einen anderen an meine Halsschlagader, dann versuchte ich meinen Atem und Puls zu normalisieren.

Gerade hatte ich es geschafft, mich so weit zu beruhigen, dass ich überlegen konnte, was ich als nächstes tun würde, da blieb dass Licht über mir gefährlich lange aus. Ich hielt den Atem an. Dann hörte ich ein leises Knirschen und das Licht ging wieder an. Mein erleichtertes Aufatmen kam jedoch zu früh, denn nur eine Sekunde später knackte es und das Licht ging erneut aus. Ich blieb mucksmäuschenstill stehen und wartete, aber das Licht ging nicht wieder an.

Vorsichtig, aber etwas zu hektisch tastete ich mich an der Wand entlang die Treppe hoch. Ich musst den Lichtschalter finden. Vielleicht, ging das Licht dann ja wieder an?

Auch wenn ich tief in meinem inneren wusste, dass das schwachsinnig war, glaubte ich an das was ich in diesem Moment dachte. 

Als ich geschätzt am Ende der Treppe ankam, wurde ich hysterisch und verpasste dadurch eine Treppenstufe. Mein Fuß knickte um und ich hörte ich leicht knacken. Mit einem kleinen Schmerzensschrei fasste ich gerade noch rechtzeitig das morsche Geländer und verhinderte somit einen Sturz, die Treppe herunter.

Fluchend versuchte ich meinen abgeknickte rechten Fuß aufzusetzen, aber ein scharfer Schmerz durchfuhr mich. „Autsch!" presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Dann setzte ich mich auf die Treppenstufe und zog die engen und hochhackigen Schuhe aus, de Lil mir geliehen hatte.

Ich stand wieder auf und ohne diese blöden Dinger ließ der Schmerz sogar schon so weit nach, dass ich leicht humpeln konnte, auch wenn es immer noch nicht ganz erträglich war. Ich kroch mehr die Treppe hoch, als dass ich hüpfte und tatsächlich berührte meine Hand nur wenig später den Lichtschalter. 

Ich drückte, aber nichts geschah. Auch ein erneuter Versuch brachte nichts.

Hektisch und gereizt schlug ich noch mehrere Male darauf und spürte wie Tränen in mir aufstiegen.

„Scheiße." Ich überlegte. Wenn ich wirklich hierbleiben musste, dann sollte ich zuerst eine Taschenlampe finden. Irgendwo hier befand sich bestimmt eine. Und danach würde ich mich um meine Fuß kümmern und einen Platz finden, wo keine Ratten drankamen.

Entschlossen wischte ich mir die Tränen von der Wange und setzte mich auf eine Stufe. Wegen meinem Fuß konnte ich mich nur auf dem Po die Treppe herunter schieben.

Unten angekommen sprach ich mir selbst Mut zu und rappelte mich auf „Du schaffst das. Dort hinten ist eine Tür. Wenn du dort bist, dann findest du bestimmt eine Taschenlampe." In diesem Moment war ich echt froh, früher am Abend schon mal mit Lilian hier unten gewesen zu sein.

Ich stützte mich gegen die Wand und humpelte langsam und mit zusammengebissenen Zähnen vorwärts. Als ich gerade die Kane an der Wand spürte, welche eine Abzweigung symbolisierte, meinte ich einen hellen schein an der gegenüberliegenden Wand aufleuchten zu sehen. Ich drehte mich erschrocken um und verlor dabei den Halt. Plötzlich stieß ich gegen etwas und hörte ein dumpfes Geräusch.

Kreischend, wie ein kleines Kind in der Geisterbahn, torkelte ich zur Seite, mein kaputter Fuß gab allerdings unter mir nach und ich fiel beinahe zu Boden. Hätte mich nicht jemand gepackt und meinen Sturz damit verhindert.

Etwas fiel zu Boden, aber ich wusste nicht, was weil ich die Augen angstvoll zusammenkniff.

Meine Panik pumpte Adrenalin durch meinen Körper und ich traute mich nicht, mich zu bewegen.

„Hey, alles gut?" fragte die raue Stimme des Typen, der mich festgehalten hatte und dessen Hände immer noch zwischen meinem Brustkorb und meiner Hüfte lagen.

Ich hielt inne. Die Stimme kannte ich. Und zwar ziemlich gut.

my brother's enemy is my best friend's brotherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt