34. Nichts

302 36 2
                                    

Ich habe meinen Job. Endlich. Ich werde Zeitung austragen. Ich weiß, das ist nicht besonders gut bezahlt, aber ich werde es schaffen. Mir ist eingefallen, dass ich meine Oma bald sehe, da sie in ein paar Tagen Geburtstag hat und die gibt mir dann immer Taschengeld. Sie ist meine Lebensretterin. Ich habe schon ein schönes Geschenk für sie. Sie liebt es, wenn ich singe. Früher war ich oft bei ihr. Sie hat mir das Klavierspielen und auch ein bisschen Gitarre beigebracht. Sie wollte immer, dass ich dazu singe. Ihr zu Liebe tat ich es immer. Mir ist es immer etwas peinlich vor anderen Menschen zu singen. Vor allem vor mehreren Leuten. Ich finde man gibt sehr viel von sich Preis, man öffnet sich für die anderen. Man kann über das singen, was man will, seine Träume. Aber vor ihr singe ich gerne. Sie hat mich darauf gebracht. An ihrem 80. Geburtstag werde ich ihr etwas singen. Ein ganz besonderes Lied. Fairytale und mein Lied. Ich hoffe er wird es hören. Heute habe ich noch nichts von ihm gehört. Keinen Ton. Nichts. Gar nichts. Ich hibbel unruhig mit den Beinen. Teils, weil mir kalt ist, teils weil ich Angst habe.
Es ist kurz nach zwölf Uhr. Ich treffe mich hier im Park mit Michael. Ich bin schon sehr früh aufgestanden. Ich muss gähnen. Er ist verspätet. Ich stecke meine kalten Hände in die Jackentaschen. Es ist ein sehr kalter Herbstanfang. Ich hole mein Handy heraus. Hat er mir etwas geschrieben? Auf einmal wird alles schwarz. Zwei kalte Hände versperren mir die Sicht. Ich habe vor Schreck aufgeschrien und winde mich aus dem festen Griff. Als ich hinter mich blicke schaue ich direkt in das grinsende Gesicht von Michael. "Deine Haare...", sage ich erstaunt. Statt dem leuchtenden rot sind sie schwarz mit einem lila Stich. Er zuckt mit den Schultern. "Wirst du dich dran gewöhnen müssen. Ich wechsle öfter mal meine Haarfarbe", zwinkert er mir lachend zu und zieht mich in eine Umarmung.
Wir laufen durch die rot, orangenen Blätter, die überall auf dem Boden liegen und einen dichten Teppich bilden. Ich mag es durch das Laub zu laufen und mit jedem Schritt die Blätter auf zu wirbeln. Ich schaue ihnen zu, wie sie auf den Schuhspitzen meiner weißen Chucks liegen und hoch geschleudert werden.  Michael tut es mir gleich. Er geht mit seine schwarzen Doc Martens mit mir im Gleichschritt. Ich habe mich bei ihm eingehängt und so laufen wir nebeneinander her. Er beruhigt mich ungemein. Ich bin immer noch sehr unruhig wegen Fairytale, weil er sich nicht meldet. Ab und zu mache ich einen kleinen Hopser und trippel in kleinen Schritten. Ich zittere. Auf einmal hält Michael an und zieht mich mit sich. Er geht vom Weg ab. So laufen wir über das Gras und er zieht mich vorbei an meinem Lieblingsplatz zu einer alten Bank. Dort setzte ich mich neben ihn. Wir schweigen. Ich hibble mit meinem Bein hin und her. Ich finde einfach keine Ruhe. Es ist schwer für mich Fairytales Gefühle zu fühlen, wenn ich mich nicht gut darauf konzentriere und gerade bin ich zu sehr mit meinen Gefühlen und Sorgen beschäftigt. Auf einmal wird meine Hampelei mit einer kalten Hand gestoppt. Michael hat seine Hand auf meinen Oberschenkel gelegt und schaut mich von der Seite her an. "Was ist los?", fragt er schließlich. Ich starre ihn an. "Nichts." Ich hätte mich ohrfeigen können. Jetzt wäre der Moment gewesen. Jetzt hätte ich es ihm erzählen können. Jetzt hätte ich mein Herz erleichtern können. Mist. Ich schaue ihn nur weiter an. Sage nichts. Bitte frag nach. Bitte lass es nicht darauf beruhen. Ich will es dir erzählen. Ich schweige. Er schaut mich kritisch mit schräg gelegtem Kopf an. Seine neuen Haare gefallen mir. Nach einer Weile lässt er ab. Nein. Das war die letzte Chance. Flehend schaue ich sein Profil an. Er schaut nachdenklich auf die Wiese. Langsam lasse ich ab. Wieder einmal schwenken meine Gedanken zu Fairytale. Warum, um Himmels Willen singt er nicht? Ich will zu ihm. In meiner Magengrube ist ein ziehen. Ich vermisse ihn. Ich schlucke schwer. Ich bin sehr müde. Ich lege meinen Kopf auf Michaels Schulter ab. Er ist bequem. Seine Hand liegt immer noch schwer auf meinem Bein. Sollte ich ihm lieber sagen, dass ich einen Freund habe? Fairytales Eifersucht spüre ich auch ohne mich groß darauf zu konzentrieren. Ich spüre ihn. Das hindert mich daran, es Michael zu sagen. Ich will Fairytale spüren können, ohne mich anzustrengen. Ich nutze ihn aus. Aber es tut mir gut. Auch wenn dieses Gefühl nicht besonders gut ist. Es erinnert mich daran, dass Fairytale da ist. Ihm geht es gut. Ich werde ihn bald wieder sehen. Ich fühle mich schrecklich.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Vielen Dank für die 7K reads!!!! *~~* ♥♥♥♥♥♥♥♥♥♡♡♡♡♡♡♡♡♡♥♥♥♥♥♥
Bald sind die 10K geknackt! ;)
Ich hab euch echt abnormal lieb und fühlt euch alle ganz ganz fest von mir gedrückt und abgeknutscht! ^-^
Schöne Adventszeit und bis bald! ♥
Sunrise ♡

Who are you?Where stories live. Discover now