9. Ist es etwa doch mehr, als nur Freundschaft?

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Es ist komisch einfach so wie immer neben Fairytale herzulaufen nach dem, was wir gestern zusammen durchgemacht hatten. Immer noch bin ich völlig geflasht von den Eindrücken und Gefühlen. Es war so anders. So unheimlich und doch irgendwie schön. Es war toll diesen Einblick in Fairytales Leben zu bekommen, auch wenn es mir eine schlaflose Nacht und viele Tränen gekostet hat. Ich sehe schrecklich aus. Ich habe tiefe Augenringe und immer noch geschwollene Augen. Aber Fairytale sieht auch nicht viel besser aus. Immer noch sehe ich den Schmerz in seinen verweinten Augen. Charlotte ist immer noch nicht gesund und in der Schule passierte wie immer nichts Besonderes. Ich laufe neben Fairytale durch den Park. Die Luft ist feucht und schön erfrischend. Eben hatte es geregnet. Meine Haare sind patschnass, aber das macht mir nichts aus. Ich liebe die Regenluft. Wir setzten uns unter unseren Baum und schweigen. Ich lege meinen Kopf auf seine Schulter. Er tut mir so sehr leid. Jetzt weiß ich, was er alles durchgemacht. Ich habe es diese Nacht mit ihm durchgestanden. Er seufzt und legt seinen Kopf auf meinen. Ich fühle seinen Arm schwer auf meiner Schulter liegen. So sitzen wir da. Die Bilder von heute Nacht wollen mir nicht aus dem Kopf gehen. Es war so schrecklich. Ich weiß, es war nicht das erste Mal, das Fairytale so eine Nacht durchgemacht hat, aber es war die erste für mich. Ich glaube, es wird auch nicht die letzte sein. Ich spüre etwas Nasses auf meinen Kopf tropfen. Ich weiß, es ist kein Regentropfen. Ich kuschle mich näher an ihn ran. Jetzt fängt es auch noch wieder an zu regnen. Es ist wie in den Filmen. An den dramatischen Stellen fängt es immer an zu regnen. Ich merke, wie Fairytale schmunzelt. Ich habe ganz vergessen, dass er ja meine Gedanken lesen kann. Ich bin froh, dass ich seine Gedanken nicht höre. So interessant es auch wäre, ich will nicht alles wissen. "Du solltest nach Hause ins Trockene", flüstert Fairytale mir ins Ohr. Er hat recht. Es wird langsam kalt. Also laufen wir los. Ich wäre irgendwie trotzdem gerne noch so neben ihm sitzen geblieben. Er beruhigt mich immer so sehr. Meine Eltern sind noch nicht zu Hause. Mein Vater ist auf Geschäftsreise und meine Mum kommt heute erst spät. "Willst du nicht mit rein kommen?", frage ich Fairytale. "Du wirst sonst noch nässer." Ich will jetzt nicht alleine sein. Zögerlich betritt er das Haus und sieht sich um. Ich mache uns zwei heiße Schokoladen und wir setzten uns vor den Fernseher und schauen "Alice im Wunderland". Ich liebe diesen Film. Ich finde Johnny Depp in der Rolle des Hutmachers einfach klasse! Wir sitzen nebeneinander in Decken gekuschelt auf dem Sofa und schlürfen unsere heiße Schokolade. Ich will, dass dieser Moment nie aufhört. Ich will immer neben Fairytale sitzen und mich an ihn kuscheln. Ich will nicht, dass er wieder so traurig und alleine ist, wie letzte Nacht. Ich spüre, dass auch er so fühlt. Das macht mich glücklich. Ich höre, wie ein Schlüssel in der Haustür umgedreht wird. Meine Mutter. Na toll. Fairytale springt erschrocken auf, als ob sie uns bei etwas erwischt hätte. Sie kann dich doch nicht sehen. Er beruhigt sich wieder ein bisschen, als er das in meinen Gedanken hört. Ich mache ihm die Gartentür auf, damit er raus kann. "Hey, Mia! Ich bin zu Hause!", höre ich meine Mum rufen. Ich lächle Fairytale noch einmal zu. Bis bald! Dann dreht er sich um und verschwindet. Ich spüre seine vermischten Gefühle. Liebe, Zärtlichkeit und Verwirrtheit kann ich gut herausfühlen. Auch ich empfinde so. Ich weiß nicht genau, was ich für ihn bin und was er für mich ist. Wir sind doch nur Freunde. Oder? Ich schließe die Tür wieder und begrüße meine Mum. Zusammen schauen wir den Film weiter. Ich kann mich nur nicht so gut auf den Film konzentrieren. Meine Gedanken schweifen immer wieder zu Fairytale zurück. Es verwirrt mich, dass ich nicht weiß, wie ich für ihn empfinden soll. Ich wünsche mir, dass er wieder neben mir sitzt und ich meinen Kopf in seinen Schoß legen kann. Ich liebe es, wenn er dann mit meinen Haaren spielt und ich spüre, dass er glücklich ist. Ich glaube diese eine Nacht hat uns sehr miteinander verbunden. Und wie sagt man immer: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Ich nehme ihn ein bisschen Last von den Schultern. Ich helfe ihm beim Tragen seines Schmerzes und seiner Sorgen. Ich spüre wieder diese Traurigkeit, die mich überrollt. So wie gestern Abend. Ich spüre die Tränen, die mir in die Augen steigen. "Ich geh grad mal aufs Klo", murmle ich und renne aus dem Zimmer. Meine Mum schaut mir verwundert hinterher. Ich weiß, dass Fairytale nicht weit weg ist, also muss er auch noch meine Gedanken hören. Komm wieder zu mir! Schaffst du es auf den Balkon zu kommen? Ich mache dir die Tür zu meinem Zimmer auf. Komm her zu mir! Ich rufe ihn in Gedanken. Er hört mich. Er ist auf dem Weg hierher. Ich weiß, dass er es auf den Balkon schafft. Er schafft alles. Er ist stark. Schon höre ich ein leises Klopfen an meiner Tür zum Balkon. Da steht er. Aus seinen Augen fließen immer noch die Tränen. Als ich in den Spiegel schaue, merke ich, dass auch noch bei mir die Tränen meine Wange runter tropfen. Ich mache die Tür auf und er fällt mir in die Arme. Er ist so schwach und hilflos. Er darf jetzt nicht alleine sein. Ich beschließe, dass er die Nacht hier bleibt. Dann schläft er wenigstens. Und auch ich kann schlafen. Ich lege ihm Kissen auf mein kleines Sofa, das ich in meinem Zimmer stehe habe. Er legt sich direkt mit einem dankbaren Lächeln hin und schläft ein. Er sieht aus, wie ein kleiner Junge. So gebrechlich. Ich wische ihm die Tränen von den Augen und decke ihn zu. Dann gehe ich wieder runter. Aber erst wasche ich mir das Gesicht. Meine Augen sehen immer noch verheult aus, aber ich kann dagegen nichts machen. Meine Mum schaut mich besorgt an, als ich in das Zimmer komme. Bei dem Film läuft schon der Abspann. Ich setzte mich neben sie auf das Sofa und lehne mich geschaffen zurück. "Was ist denn los, meine Kleine?", fragt meine Mum und schaut mich mit dem besorgten Mutterblick an. Natürlich sieht sie, dass ich geheult habe. Ist ja auch nicht zu übersehen. Ich murmle nur: "Nichts." Und stehe auf. Sie schaut mich prüfend an und entscheidet mich in Ruhe zu lassen. Vorerst. Ich weiß, dass sie nicht so schnell aufgibt. Ich bin froh, dass sie erst einmal still ist und nicht weiter fragt. Auf das Abendessen verzichte ich und gehe direkt in mein Zimmer. Hausaufgaben habe ich heute keine gemacht. Egal. Ich hatte echt wichtigeres zu tun. Ich mache meine Zimmertür auf und das erste, was mir ins Auge fällt ist eine kleine Maus, die über den Teppich läuft. Geschockt bleibe ich im Türrahmen stehen. Ich muss zugeben, ich habe ein bisschen Angst vor Mäusen. Aber ja klar, das ist doch Talitha! Fairytales Maus. Ich seufze erleichtert auf und mache die Tür hinter mir zu. Fairytale liegt immer noch auf dem Sofa zusammengerollt und schläft. Ich betrachte ihn noch einmal und dann gehe auch ich ins Bett.

Mitten in der Nacht werde ich von einer Berührung in meinem Gesicht geweckt. Etwas verwirrt und erschrocken setzte ich mich auf. Ich sehe Fairytale, der mich entschuldigend anschaut. "Kann ich bei dir schlafen?", flüstert er schüchtern. Ich hebe meine Decke an und rutsche ein Stück zur Seite, so dass er auch noch in mein Bett passt. Er legt sich neben mich und legt seine eine Hand auf meine Tallie. Sie ist ganz warm und angenehm. Ich lege meine Hand auf seine. Ich spüre, wie er lächelt. Ich drehe mich zu ihm um. Ich kann ihn nur schemenhaft sehen. Ich taste mit meiner Hand sein Gesicht ab. Streichel ihm über die Wange, fahre über seinen Nasenrücken und weiter über seine geschlossenen Augenlieder. Ich fahre mit dem Finger über seine Lippen, gehe weiter zu seinem Hals, dann zu seiner Brust, bis zu seinem Bauch. Dort lasse ich meine Hand liegen. Er ist so warm. Ich nehme meine andere Hand von seiner und fahre durch seine Haare. Sie sind so weich und strubbelig. Er ist so schön. Er lässt all meine Berührungen über sich ergehen. Dann nimmt er meine Hand von seinem Bauch und führt sie zu seinem Mund. Ich fühle seine perfekten Lippen auf meiner Haut. Ich ziehe seinen Kopf zu mir heran und lege meine Stirn an seine. Jetzt sehe ich seine Augen strahlen. Die Lampe vor meinem Fenster lässt einen Stahl durch den Rollladen auf uns fallen. Seine eisblauen Augen leuchten richtig. Er schaut mich liebevoll an. Mustert mein Gesicht und bleibt an meinem Mund hängen. Langsam nähren sich unsere Lippen. Ich spüre seinen warmen, süßen Atem auf meiner Haut. Kurz bevor unsere Lippen sich berühren zuckt er zurück. Wir halten inne. "Tut mir leid", flüstert er niedergeschlagen. "Ich kann nicht..." Er lässt sich in die Kissen zurückfallen. Jetzt sehe ich ihn wieder nicht. Was ist gerade mit uns passiert? Es war schön. Ich frage nichts weiter. Wir schlafen nebeneinander ein. Das letzte, was ich noch fühle, ist seine warme Hand auf meiner Hüfte und einen zarten Kuss von weichen Lippen auf meiner Wange.

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Das neunte Kapitel :)

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