22. Was nun?

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Passend zu diesem dramatischen Moment fängt es an zu Regnen. Na super. Ich hole eine Schachtel aus Pappe für Talitha und Fairytale legt sie behutsam hinein. Immer noch geschockt gehen wir ins Haus zurück. "Miaa...?", schallt es von oben von Elena. Ich tapse die Treppe hoch und laufe den Flur runter zu ihrem Zimmer. Ich atme noch einmal tief durch und versuche ganz normal zu sein, bevor ich die Tür öffne. Elena liegt mittlerweile wieder im Bett und schaut mich fragend an. Ich setzte mich auf ihre Bettkante. "Es ist alles in Ordnung", presse ich ein bisschen unglaubwürdig hervor und lächle etwas gequält. Sie schaut mich skeptisch an. "Wirklich", meine ich nun wieder und lächle ein bisschen ungezwungener. "Du kannst wieder schlafen." Ich gebe ihr einen Kuss und gehe aus dem Zimmer. Ich finde Fairytale auf dem Sofa sitzend vor. Auf dem kleinen Tischchen vor ihm steht die Schachtel mit Talithe darin. Er betrachtet nachdenklich den Zettel. Dabei runzelt er die Stirn und hat die Augenbrauen zusammengezogen. Er stöhnt gequält auf und fährt sich mit der Hand durch die Haare. Nun sehen sie noch verstrubbelter aus als vorher, aber das lässt ihn nur noch besser aussehen. Ich gehe langsam auf ihn zu und setzte mich auf seinen Schoß und schlinge meine Arme um seinen Hals. Ich zwinge ihn seinen Blick von dem Drohbrief zu wenden und mir in die Augen zu schauen. Etwas widerwillig tut er es und entspannt sich augenblicklich. Ich lächle tröstend in seine strahlenden Augen hinein, die mir traurig erscheinen und irgendwie nicht so sehr scheinen, wie sonst. Er lächelt schwach zurück und gibt mir einen langen Kuss. Dann lösen wir uns von einander und ich setzte mich neben ihn und lehne meinen Kopf an seine Schulter. Was machen wir jetzt? Zu was sind diese Typen fähig, die uns drohen? Werden sie es wirklich tun? Werden sie uns umbringen, wenn wir uns ihnen nicht beugen. Fairytales Gesicht verzieht sich und er drückt mich fester. Kein gutes Zeichen. Wer ist es? Ist war das? Ruven? Aika? War es überhaupt ein Elf? Es ist alles so verwirrend. Fairytale geht es genau so wie mir. Er versteht es auch nicht.

Fairytales Sicht:

Ich habe Angst. Mia sitzt neben mir und ist genau so verstört wie ich. Auch sie stellt sich die gleichen Fragen wie ich. Leider wissen wir keine Antwort darauf. Die große Frage ist jetzt: Was machen wir nun? Werden es noch weitere dieser Drohungen geben? Und wird das Opfer das nächste mal keine kleine unschuldige Maus sein, sondern ein Mensch oder ein Elf, der uns sehr am Herzen liegt? Wann werden wir an der Reihe sein? Aber daran will ich gar nicht denken. "Was tun wir jetzt?", spreche ich die Frage aus, die uns beide beschäftigt. Mia zuckt ratlos mit den Schultern. Sie hat genau so wie ich schon alles durchdacht. Ich glaube, es wäre das Beste, wenn wir gehen würden... Aber wohin? Wann? Und was wird aus Mias Eltern? Sie kann ja nicht einfach von zu Hause abhauen, so wie ich es getan habe. Doch ich höre, wie sie gerade auch auf die Idee kam, weg zu gehen. Weit weg von all dem. Dort hin, wo wir uns einfach so lieben können, ohne bedroht und abgestoßen zu werden. Ich drücke sie fester an mich. "Ja, das dachte auch gerade...", teile ich mich mit. Sie schaut zu mir auf. "Sollen wir das wirklich tun?", fragt sie mich flüsternd und es steigen ihr Tränen in die Augen. "Noch sollten wir noch nicht an so etwas denken oder es sogar planen... Warten wir erst einmal ab...", sage ich beschwichtigend. Trotzdem kullert ihr eine einzelne Träne die Wange hinab. Ich mag es nicht, wenn sie weint. Mit dem Daumen wische ich ihr die Träne weg. "Nicht weinen", sage ich. "Das wird schon alles wieder werden..." Ich gebe ihr einen Kuss, den sie erwidert. Schon lächelt sie wieder. Unwillkürlich muss ich auch lachen. Was für ein grotesker Moment. Da liegen wir uns in den Armen und lachen, obwohl wir eigentlich hätten weinen müssen. Das sollte man öfter machen. Wenn man einfach loslacht, wenn man eigentlich einfach nur traurig ist und alles aus sich raus heulen will, geht es einem schon gleich viel besser. Und mit wem kann ich noch besser lachen als mit Mia? Ich weiß nicht, was ich jetzt ohne sie gemacht hätte. Naja, wahrscheinlich säße ich jetzt zu Hause bei meinem Vater im Haus, der mal wieder deprimiert in seinem Sessel sitzt und um meine Mutter und meinen Bruder trauert, die beide auf die selbe Art und Weise gestorben sind und in der Hand ein aufgeschlagenes Buch, in dem er nicht einmal liest, sondern nur hineinstarrt. Ich würde mich mit ganz alltäglichen unwichtigen Problemen herumschlagen. Ich würde einen ganz normalen Partner haben, mit dem ich nicht wirklich viel zu tun hätte, weil ich mich nicht mit ihm austauschen könnte und der mich nicht einmal sehen könnte. Ich würde dann auf meine Eiche hinauf klettern und nachdenken und keinerlei Probleme haben. Ohne Liebe. Ich bemerke, wie ich bei meinen Überlegungen Mia die ganze Zeit gedankenverloren anstarre und mit ihrer Haarsträhne spiele. Sie schaut mir in die tief in die Augen. Wir verlieren uns. Was wäre ich nur ohne sie?

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