14. Schock

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Ich fange nach und nach an etwas stotternd alles über Mia und mich zu erzählen. Ich glaube, er weiß schon alles, was ich ihm hier erzähle von Kukka. Ich könnte sie erwürgen. Ich versuche so schnell wie möglich alles zusammen zu fassen und will es schnell hinter mich bringen. Als ich fertig bin schaut mein Vater mich immer noch mit starrer Miene an. Er hat kein einziges Mal sein Gesicht bewegt oder irgendeine Regung gezeigt. Ich finde ein richtiger Vater müsste sich für seinen Sohn ein bisschen freuen, wenn dieser ihm erzählt, dass er eine fste Freundin hat. Ich bin wütend. Ich verstehe immer noch nicht, warum ich das hier mache. "Ich will dir mal eine Geschichte erzählen", sagt nun mein Vater. Oh nein, das kann wieder dauern. Ich stöhne genervt auf. "Ich habe keine Zeit für eine Geschichte! Was hat eine Geschichte jetzt mit mir und Mia zu tun? Warum erzähle ich dir das überhaupt?", rege ich mich auf und stehe auf. Ich will an meinem Vater vorbei zur Haustür stürmen, aber er packt mich fest am Handgelenk und sagt ruhig: "Setzt dich hin und hör mir zu. Es ist wichtig" Völlig genervt lasse ich mich wieder auf das Sofa fallen und schaue ihn genervt an. "Dann fang halt an. Aber beeil dich!", fordere ich ihn auf. Und er fängt an mit seiner rauen Erzählerstimme zu erzählen:

"Damals, vor vielen Jahren, gab es schon einmal ein Paar wie dich und Mia. Sie fühlten einander. Sie liebten sich. Er hörte ihre Gedanken. Sie sah ihn. Sie sprachen miteinander. Es fing an, wie bei euch beiden. Sie dachte, sie sei verrückt und hatte Angst, dass man sie für verrückt abstempelte. Damals war das nur noch schlimmer als heute, da man in eine Irrenanstalt gesteckt wurde und 'Therapien' machen musste. Diese bestanden meistens darin, Stromstöße in das Gehirn zu leiten. Schmerzhaft und das Gehirn nimmt meistens große Schäden davon mit. Also ignorierte sie ihn weites gehend. Aber sie kamen sich mit der Zeit immer näher. Ihre Fähigkeiten sich zu spüren erweiterten sich. Aus Freundschaft wurde Liebe und sie konnten nicht mehr ohne einander sein. Sie liefen überall nur mit ein bisschen Körperkontakt hin. Der Elf kam nie nach Hause. Er war immer bei ihr. Sie hielten ihr Liebe zueinander jedoch geheim. Aber eines Tages wurden sie von einer Elfin aus seinem Stamm erwischt und sie sagte es an den Stammesführer weiter, was sie gesehen hatte. Es war damals strengstens verboten eine Beziehung mit seinem menschlichen Partner zu führen. Also dürfen sich die beiden nicht mehr treffen. Nie wieder. Er darf nicht einmal mehr das Elfenland verlassen, damit er auch wirklich nicht wieder zu ihr kommt. Die beiden litten so sehr unter Liebeskummer und sie fühlten immer den Schmerz des anderen. Das macht beide völlig verrückt und krank. Sie starben beide mit Mitte zwanzig Jahren. Heute gilt das Gesetz, das gegen Beziehungen zwischen Elf und Mensch spricht eigentlich nicht mehr. Der hohe Rat hat darüber abgestimmt und über die Hälfte hatte gegen dieses Gesetzt gestimmt. Aber es war nur ganz knapp und sehr viele sind immer noch für dieses Gesetzt. Ihr seid in Gefahr. Wir könne Kukka vertrauen. Sie weiß, wie gefährlich diese Situation ist, da sie von dem Gesetzt weiß. Sie erzählt es niemandem weiter. Aber wenn jemand anderes euch sieht und wenn derjenige für das Gesetzt ist, seid ihr beide verloren."

Den letzten Satz sagt er eindringlich und beugt sich besorgt zu mir vor. Ich schaue ihn entgeistert an. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. "Manche haben schon Verdacht geschöpft, da du dich nie hattest blicken lassen. Ich mache mir Sorgen, mein Sohn. Ihr müsst aufpassen und du musst immer abends wieder her kommen. Sonst wird es zu auffällig. Es tut mir leid, aber sonst seid ihr verloren", flüstert er mir zu. Ich bringe immer noch kein Wort raus, also nicke ich nur und stehe auf. "Danke", krächze ich, da meine Stimme den Geist aufgegeben hat und gehe. Auf der Straße merke ich wieder die misstrauischen Blicke auf mir. Ich lächle gezwungen und laufe zügig zu dem Baum in die Menschenwelt. Ich muss zu Mia. Soll ich ihr das alles erzählen? Oder nicht? Unsere Beziehung ist noch nicht so sehr ausgereift, wie bei dem Paar in der Geschichte. Aber ich kann jetzt schon nicht mehr ohne sie sein. Ich fühle meine Sehnsucht in mir, die auch noch durch ihre verstärkt wird. Ich bin wieder in der Stadt und bin auf dem Weg zu ihrer Schule.

Mias Sicht:

Was ist mit ihm los? Ich kann seine Gefühle nicht erkennen. Was fühlt er gerade? Was tut er gerade? Ich kann es kaum aushalten. Ich konzentriere mich darauf herauszufinden, was er gerade fühlt. Er ist Verwirrt. Hat Sehnsucht nach mir. Ich muss ein bisschen lächeln. Eine schrille Stimme unterbricht meine Untersuchungen. "Mia, wo ist deine Hausaufgabe?", ruft Frau Herder quer durchs Klassenzimmer. Alle haben ihre aufgeschlagenen Hefte vor sich liegen, nur ich nicht. Ich habe gar nicht mitbekommen, was wir gerade machen. Ich antworte: "Hab ich zu Hause vergessen." Stimmt nicht ganz. Ich habe sie einfach gestern nicht gemacht. Braucht die ja nicht zu wissen. "Dann will ich es aber morgen sehen. Mach die Aufgabe jetzt im Kopf", meint die nur. Ich stöhne leise auf und schlage mein Buch auf. Wie ich diese Frau hasse. Gehorsam mache ich die Aufgabe. Als ich fertig bin spüre ich ihn. Fairytale ist wieder da! Hunderte Schmetterlinge schwirren durch meinen Bauch. Ich muss ihn jetzt sofort sehen. Ich frage noch schnell, ob ich aufs Klo darf und renne dann auch direkt los. Ich sehe ihn auf dem Flur stehen und laufe ihm kichernd in die Arme. Auch er grinst wie ein Honigkuchenpferd. Ich habe ihn vermisst. Aber dann wird er wieder ernst und schaut mir in die Augen. "Ich muss dir etwas erzählen...", fängt er an. Ich schaue ihn besorgt an. Ich spüre, dass es nichts Gutes sein kann. Ich ziehe ihn in eine Abstellkammer. "Schieß los!", flüstere ich. Fairytale erklärt mir alles. Er erzählt mir die Geschichte und was sein Vater gesagt hatte. Meine Augen weiten sich immer mehr, mit jedem Wort. Was? Das kann nicht wahr sein! Das ist doch nur ein Traum oder?! Als er fertig ist, nimmt er mich in den Arm und ich spüre seine Lippen auf meinem Haar. "Wir kriegen das schon irgendwie hin", versucht er mich aufzumuntern. "Wir schaffen das zusammen." Ich nicke tapfer und gehe wieder zurück in die Klasse. Ich war schon einige Zeit auf dem 'Klo' gewesen. Als ich zu meinem Platzt neben Charlotte schwanke, starren mich alle etwas besorgt an. "Ist alles in Ordnung?", kreischt Frau Herders Stimme mich an. Ich schüttle schwach den Kopf. "Mir ist ein bisschen schlecht...", sage ich mich zitternder Stimme und lasse mich auf meinen Stuhl fallen. Diese Geschichte und das alle, sind etwas zu viel für mich. Ich kann es immer noch nicht fassen. Warum immer ich? Charlotte schaut mich besorgt an. Die Farbe ist mir aus dem Gesicht gewichen und ich muss wirklich schlecht aussehen. "Kann ich ein bisschen an die frische Luft gehen, bitte?", frage ich und schaue dabei flüchtig zu Charlotte. Sie nickt mir wissend zu und ruft: "Ich begleite sie!" Wir machen uns auf den Weg auf den Schulhof. Fairytale folgt uns. Ihn plagen Schuldgefühle. 'Aber mein Kleiner, du brauchst dir doch keine Vorwürfe machen! Es ist nicht deine Schuld! Lass das!', denke ich und sehe ihn gequält lächeln. Ich hebe meinen rechten Mundwinkel ein wenig. Mir geht es schon wieder besser. War nur der Schock. Charlotte schaut mich merkwürdig von der Seite an. Ich muss es ihr erzählen. Alleine komme ich da nicht durch.

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