XLI.

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Es war Gabriellas Stimme, die Adelaide aus dem Schlaf weckte. Trotz des Wellengangs, hatte die adelige Dame weniger Probleme gehabt ihre Augen zu schließen. Die Müdigkeit der letzten Tage waren zu viel geworden – auch wenn viele vergängliche Ereignisse in ihrem Kopf herumtanzten.

„Wir werden einfach sagen, dass wir uns Tagelang auf einem leeren Boot versteckt haben, und die Marine uns dann zufällig gefunden hatte."

Unverständnis, ja gar ein Fragezeichen erstreckte sich über Adelaides Gesicht, als sie Gabriella anstarrte und ihre Worte hinterfragte. „Bitte was?"

Die Rothaarige zuckte mit ihren Schultern, „Na, nur so können wir diese Zwangsheirat mit diesem Ashford verhindern."

„Aber niemand wird es glauben . . . Sicherlich haben sich die Menschen unterhalten, und hatte man uns nicht zu einem Piratenschiff laufen sehen? Was ist mit Miss Adams und deiner Mutter? Captain Hillsfield wird man dann auch in unserer Gruppe suchen, da er bei uns war."

Es war fast schon eine niederschmetternde Analyse und zum ersten Mal bemerkte Gabriella wie ihre Freundin zur ihr blickte; mit gefassten und müden Augen. Sie hatte sich noch nicht aufgeben, und dennoch überflügelte die Angst ihre Freude in Highborough anzukommen. Unbewusst griff Adelaide nach ihrer Tasche, in dem das von dem Piratenkapitän gegebene kleine Tüchlein versteckt war.

„Das Gerede der Leute ist unwichtig . . .," erwiderte die Schneiderin, „Ich weiß in deinem Gesellschaftskreis ist es wie ein belastender Fluch wenn ein solches Missgeschick passiert und dennoch habe ich mir nie Gedanken über andere Meinungen gemacht . . . Deine Stiefmutter hat nicht das Recht, dich zu etwas zu zwingen was du nicht willst."

„Nein . . . das hat sie wahrhaftig nicht . . . Nur bin ich besorgt über meine Schwester, wenn sie in die Gesellschaft eingeführt wird . . ." Ein lauter Seufzer erklang durch den Raum, indem sich nur noch die zwei Freundinnen befanden.

„Ich mache mir zu viele Sorgen . . . nicht wahr?" fragte Adelaide ihre liebste Freundin.

Mit einem leichten und aufmunternden Lächeln, antwortete Gabriella ihr, „Das hast du schon immer getan. Aber glaube mir wenn ich sage, dass deine Familie glücklich sein wird, dich wiederzusehen."

„Das wird sie", war Allies letzte Antwort, bevor Beide aufs Deck gingen um die nähernde Landmasse am Horizont zu beobachten. Auch wenn die Adelige sich sicher war, dass erleichterte und freudige Tränen fließen würden, wusste sie nicht wie die Konsequenzen aussehen würden. Hätte man sie vor Tagen gefragt, hätte sie es mit einem Lächeln und glücklichen Herzen beantworten können. Es war ein Vorfall, der sie mehr traf als sie sich zugestand, die kleine Geste von Hainsworth, die nun nicht mehr aus ihren Gedanken entweichen wollte. Das eingefaltete Taschentuch, das versteckt in der Innenseite ihrer Jacke war, fühlte sich wie eine Last an, die sie immer mehr runterzog.

„Ich denke nicht, dass es so schlimm sein wird . . . Nur deine Stiefmutter wird es dir vorwerfen."

„Genau das wird sie auch", murmelte Allie, die ihre Augenbrauen zusammenzog und langsam wütend wurde.

Gabriella, die nun den Willen in den Augen ihrer Freundin erblickte, beruhigte sich innerlich ein wenig.

„Wir müssen uns unseren Familien stellen", fügte die Dunkelhaarige hinzu, die auf Gabbys Tante anspielte. „Auch wenn es bei dir friedlicher verlaufen wird."

Sie wusste, dass die Rothaarige ihrer Tante nicht ewig wütend sein konnte. Natürlich war noch ein Fünkchen Enttäuschung in ihren dunklen Augen wahrzunehmen, aber Adelaide wusste, dass Gabriella nicht nachtragend war – es war der Schock dieser aufklärenden Nachricht ihrer Herkunft gewesen, der ihre Emotionen zum Kochen brachte.

„Wir werden das durchstehen", sprach Gabriella laut, „Zusammen!" Sie zwinkerte ihrer adeligen Freundin zu, denn immerhin konnte sie nun behaupten, dass sie Freunde in dieser kurzen Zeit gewonnen haben, die ihnen auch helfen würden.

Als das Marineschiff in den Hafen Highboroughs einlief, wirkte die gesamte Stadt ruhig. Die Reparationsarbeiten hatten schon längst begonnen und einige Häuser waren auch wieder in ihrem alten Glanz errichtet worden. Einige Bewohner standen an den Stegen und winkten voller Freude der Marine zu – es waren Mütter, Töchter und Befürworter des militärischen Heers, die die Seemänner willkommen hießen. Niemand von den Anwesenden bemerkte das Familienoberhaupt der Kingston Familie, sowie auch Miss Bennet, die unweit von der winkenden Masse standen.

Ruhig betrachteten sie, umgeben von Schutzpersonal, das Geschehen. Auch wenn Olivia Bennet ein leichtes Zucken in ihrem Unterschenkel wahrnahm – das sie ihrer Freude und gleichzeitig auch Angst, zusprach – verblieb sie an der gleichen Stelle. Erst als das große Schiff den Anker ins Wasser ließ, und die Frau ein rotes Glänzen wahrnahm, bewegte sie sich zuerst unsicher und dann hastig in Richtung des Anlegeplatzes. Einige Soldaten folgten ihr mit Abstand, und verlangsamten ihre Schritte, als die Holzplanke das Schiff und den Boden miteinander verband. Die ältere Schneiderin hingegen rannte nun ohne nachzudenken auf die aussteigenden Menschen zu.

Gabriellas Herz pochte wie wild, als sie auf der Planke stand und das Festland betrachtete. In dem Moment, als sie ihre Tante erblickte, stockte ihr der Atem im Hals, die Hände schwitzen. Dennoch war es die Freude und Erleichterung, die sie überkam, als Olivia Bennet mit geweiteten Augen einige Meter vor ihr stoppte. Die Rothaarige brauchte nicht lange, um ihre liebste Tante mit leichten Tränen in den Augen und einer festen Umarmung zu begrüßen.

„I-ich bin so froh", schluchzte Olivia laut, „S-so froh, d-dass es dir gut geht."

Eine leichte Berührung erfasste Olivias Arm, und die Frau drehte sich mit roten Wangen und nassem Gesicht zu der Person, die sich nun neben ihr befand. Sie wusste sofort wer es war, auch wenn sie noch nie zuvor in dieses Antlitz geblickt hatte.

"Emilia?"

Ein kleines Lächeln flog über das Gesicht der Angesprochenen, bevor sie leise nickte. Die Atmosphäre war heiter und die Drei betrachteten sich, bis Olivia ein lautes Seufzen ausstieß.

„E-Es tut mir so leid, Gabby . . . Ich wusste nicht . . ." Schnell verstummte sie und sah ihrer Nichte mit einem gekränkten Ausdruck in die Augen. „Es t-tut mir leid . . . Ich habe mich immer geschämt, dass ich dir nie etwas sagen durfte. Es war ein Fehler."

„Es war durch meine Aufforderung", griff Emilia ein, „A-Aber es ist besser dies nicht hier zu besprechen.

Gabriella war ruhig geworden und nickte. „Ich bin trotzdem froh wieder hier zu sein."

„Das Haus ist leider beschädigt worden, aber einige Räume sind wieder hergestellt."

„Ich habe noch einen Gast, den wir aufnehmen werden", teilte die Rothaarige ihrer Tante mit und drehte dann ihren Kopf zu Ophelia, die mit Hilfe von Robin auf die Planke stieg. „Sie will das Schneidern erlernen."

„Für eine Person Platz haben wir noch Platz", vermerkte Olivia, was Gabriella dazu veranlasste, Ophelia zu sich zu rufen und ihrer Tante vorzustellen. Dabei fielen die Augen der Rothaarigen auf Adelaide, die mit ihrem Onkel noch auf dem Schiff war und eine private Unterhaltung führten. Seit der Ankunft, hatte die Adelige sich über leichte Bauchschmerzen beklagt, dessen Ursache dem Wellengang und der Nervosität, ihre Familie wieder zusehen, zuzuschreiben war.

Das Gespräch um sie herum wurde unklar; Gabriellas Augen wanderten zu der marschierenden Gruppe, die sich dem Schiff näherten, und unter ihnen erkannte sie auch Adelaides Vater.

Er passierte die Rothaarige und bestieg das Schiff in hastigen Schritten, bevor er seine Tochter voller Erleichterung in die Arme schloss und ihr zu wisperte, welche Sorgen er sich gemacht hätte. Kein Wort der Enttäuschung oder Vorwurf flüsterte er ihr zu.

„Sir Kingston ist wirklich glücklich, dass seine Tochter zurückkehrt ist", kommentierte Olivia plötzlich, was Gabriella aus ihren Gedanken riss.

„Und ihre Stiefmutter?" entglitt es der Rothaarigen, und ihre Tante warf ihr einen Blick zu, der mehr aussagte als tausend Worte: Die Stiefmutter war nicht über den Zustand ihres Rufes begeistert.
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[A/N: Es ist etwas kürzer als das vorherige Kapitel :). Ich möchte mich nochmals für die Votes, Reads, Kommentare und Hinzufügen auf Leselisten bedanken :D Ihr seid die Besten <3]


Die Perle der SeeWhere stories live. Discover now