XXXI.

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Es war noch nie eine leichte Aufgabe für Adelaide gewesen, ihre Freundin zu beruhigen, aber dennoch hatte sie immer dies immer erfolgreich bewältigen können. Oft waren es fremde Menschen oder ihre Stiefmutter gewesen die die Nerven der Rothaarige strapazierten. Nun aber war die Situation eine andere als Adelaide gewohnt war – was sich auch auf die letzten zwei Tage bezog. Der Moment, als ihre Freundin tränenüberströmt ins Zimmer lief und ohne ein Wort zu verlieren ihren Gefühlen freien Lauf ließ, war ein Bild, was die Adelige nie wieder sehen wollte.

„Gabby?" flüsterte die Dunkelhaarige, als sie die Tür öffnete – Edwin hingegen war ein wenig überfordert mit der Situation und blieb draußen. Er konnte sich auch nicht vorstellen, dass er die Person sei von der Gabriella getröstet werden wollte. Lieber wollte er von ihr provoziert oder beleidigt werden als ihre Tränen zu sehen.

Die Angesprochene gab keine Antwort von sich was ihre Freundin dazu ermutigte näher zu kommen. „Was ist passiert?"

Gabriella lag noch immer auf ihrem Bauch, ihr Kopf im Kissen eingetaucht. Noch nie hatte sie ihre Gefühlswelt so offen gezeigt – nicht mal ihre Tante kannte diese Seite von ihr. Beim Gedanken an Olivia Bennet setzte sich die Rothaarige plötzlich auf. Ihre Tränen waren fast schon trocken als sie sich langsam zu Adelaide drehte, die sich zu ihr aufs Bett gesetzt hatte.

Die Schneiderin wollte ihre alles erzählen, das Gefühl des Betrugs, des Alleinseins und die Traurigkeit, die sie spürte, weil sie ihren Vater nie kennenlernen konnte.

„A–Allie", stotterte sie, biss sich aber schnell auf ihre Unterlippe, um den Drang des Schluchzens zu unterdrücken. Sie spürte Allies Hand auf ihrer Schulter, und den empathischen Blick mit dem sie die Schneiderin ansah.

„Du hast alle Zeit der Welt um dich zu beruhigen", sagte die Adelige und tat ihre Solidarität kund.

„S-Sie . . ."

Der Versuch nochmals zu sprechen misslang ihr als die Tränen wieder hinunter liefen.

„Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwer eine solche Konfrontation sein kann", murmelte Adelaide. Sie probierte die richtigen Wörter zu suchen, dachte sich aber auch, dass es keine passende gab, die Gabriella viel Trost bringen könnte. Das Einzige was es in diesem Moment half, war Gabriella Zeit zu geben.

Minuten vergingen bis Gabriella sich langsam beruhigte und an ihre Mutter sowie ihre Geschichte dachte. Sie presste die Worte aus ihrem Mund, die sie seit dem Ende des Gesprächs mit ihrer Mutter im Kopf hatte. „Meine Tante weiß es."

Obwohl diese Aussage komplex war, verstand Adelaide sofort, was Gabby damit meinte.

„Aber . . . Warum hat sie nie etwas erzählt?"

Gabriella schwieg und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. „I-Ich weiß es nicht . . ."

„Sie muss wohl ihre Gründe gehabt haben", flüsterte Allie, bevor sie ihre Freundin darum bat, ihr alles zu erzählen sofern sie bereit dazu war. Die meisten Menschen, die Adelaide kannte, würden es für sich behalten oder es in ihrem Tagebuch aufschreiben – Gabriella hingegen war eine Person, die ihre Emotionen ausdrücken musste, und das war entweder durch Reden oder Fluchen. Letzteres traf oft ein, was die Gesellschaft oft missbilligte.

Bevor Allie den Ansatz eines Gespräches anfangen konnte, fing Gabriella auch schon an ihre Gefühle und Geschichte ihrer Mutter wiederzugeben. Von ihrem Halbbruder, ihrem verstorbenen Vater und der Entscheidung Emilias, die kleine Gabby an ihre Tante abzugeben.

„Er ist für dein Wohlsein gestorben", murmelte Adelaide als sie das Erzählte verdaute.

„Und trotzdem zu früh."

Die Perle der SeeWhere stories live. Discover now