II.

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„Es freut mich zu sehen, dass die englische Küstenwache endlich aufgebaut wird", kommentierte der junge Gentleman als er Adelaide mit Begeisterung schilderte, wie die Küste in Highborough aufgerüstet werden sollte. Nach dem Sieg Großbritanniens gegen Napoleons, hatte das Militär nicht nur große Erfolge erzielt, sondern auch Opfer zu beklagen. Seit Jahren waren die Schlachten des von den Engländern verpönten Frankreichs siegreich gewesen, bis zu dem Zeitpunkt als Napoleon in Russland einmarschierte und so eine Welle von Niederlagen einbüßen musste. Der Kaiser plante die englische Insel zu erobern und wurde vor zehn Jahren in der Schlacht von Trafalgar gedemütigt. Nach dem berühmten Kampf in Waterloo hatte dieser – für die Briten – französischer Albtraum endlich ein Ende gefunden. Dennoch war Highborough nicht ganz gesichert und man befürchtete kleine Attacken von Anhänger Napoleons. Adelaide antwortete mit einem leichten Nicken. „In der Tat."

Mr John Ashford war öfters zu Besuch im Kingston Landsitz. Seit Jahren war er ein Freund der Familie und sehr bekannt im Familienkreis. Er probierte seit Monaten Adelaide den Hof zu machen – zu ihrem Leidwesen. Die junge Dame war desinteressiert und wollte ihrer Stiefmutter auch nicht den Gefallen erwidern, den Mann zu heiraten. Es war ihr untersagt eine solche Meinung zu äußern, dennoch signalisierten ihre Gesten und Gesichtsausdrücke genau diese Abneigung gegenüber des jungen Gentlemans.

Mr Ashford kam vor zwei Stunden um Adelaides Vater seine Aufwartung zu machen. Nachdem er sich vor Jahren mit der Familie angefreundet hatte, wurde er von Mrs Kingston dazu animiert, die Zuneigung ihrer Stieftochter zu gewinnen. Es war kein Geheimnis dass sie Adelaide verheiraten wollte; nach unzähligen erfolglosen Gesellschaftsbällen war die älteste Tochter von Henry Kingston noch immer nicht verheiratet.

Das Umwerben Adelaides schien sehr anstrengend für die interessierten Männer, dennoch war es für eine Person mehr überfordernd als für die Junggesellen; Adelaide selbst. Sie schwieg als Mr Ashford seine Bekundung an die anderen Anwesenden im Gesellschaftszimmers richtete.

Die Brünette wendete ihren Blick nach draußen und wurde mit einigen Sonnenstrahlen begrüßt. Sie wünschte zu reisen, die Welt zu entdecken, anstatt in einem Haus eingepfercht zu sein. Ihre Gouvernante hatte ihr immer Erzählungen von abenteuerlichen Reisen geschildert, die sie mit ihrem Vater erlebt hatte. Es war sehr ungewöhnlich, dass sie ihren Vater begleiten durfte und doch war Adelaide faszinierter denn je, als ihre geliebte Gouvernante ihr die kulturellen Aspekte anderer Länder erklärte. Jahre später hatte sie nicht von dieser Faszination abgelassen und träumte davon das Haus zu verlassen und die Welt zu entdecken. Sie wollte diesem Leben entfliehen, das sie gerade in diesem Haus festhielt. Damit meinte Adelaide nicht nur ihre jetzige Lage, sondern die Zukunft die sie als verheiratete Landadlige erwarten würde. Nach der Heirat mit einem aristokratischen Mann würde sie ihm Erben gebären und fortan abhängig von ihm sein, sowie sich um die Kindern zu kümmern – obwohl ihr diese Aufgabe wieder von einer Gouvernante oder Kindermädchen abgenommen werden würde. Sie wusste, dass dies ihr Schicksal war, dennoch wagte sie es von abenteuerlichen Reisen zu träumen.

„Miss Kingston, werden sie nächstes Jahr an der Londoner Gesellschaft teilnehmen?"

Die Angesprochene bejahte die von Mr Ashford gestellte Frage, nachdem diese aus ihrem Tagtraum gerissen wurde. Es wäre das sechste Mal, dass sie an dieser Veranstaltung teilnehmen würde und ihre Stiefmutter befürwortete die Londoner Gesellschaft. Vor fünf Jahren wurde sie offiziell in die Gesellschaft eingeführt und hatte damit ihren Eltern große Hoffnungen gemacht, eine gute Partie zu finden. Jedoch hatte sie keinen respektablen Mann gefunden, für den sie starke Gefühle hegte – Obwohl ihre Stiefmutter ihr sagte dass dies wichtig sei.

„Das freut mich", betonte der junge Mann neben Adelaide, der sie noch immer sehr intensiv anstarrte, was die junge Dame als sehr unbehaglich empfand. „Ach ja, ich habe Wort von meiner Kusine erhalten, dass die Hainsworth Familie bei der nächsten Londoner Season anwesend sein werde."

Der Raum versank in Stille, nachdem alle vor Schock nach Luft schnappten. Auch Adelaides Aufmerksamkeit galt dem Gespräch; sie war wie die Anderen im Zimmer perplex über diese Nachricht.

„W-Wie bitte?" fragte Mrs Kingston stotternd nach.

„Ich war genauso bestürzt wie Ihr", gab Mr Ashford zu und räusperte sich bevor er fortfuhr, „Drei Jahre nach dem Skandal hat sich die Familie endlich entschlossen sich wieder öffentlich zu zeigen . . . Natürliche ohne die Anwesenheit des ältesten Sohnes."

„Wissen sie denn was genau vorgefallen ist?" fragte Adelaides Stiefmutter.

„Leider nicht."

Die Hainsworths waren bisher immer gerngesehener Gast auf Bällen gewesen, bis zu dem Vorfall, als der älteste Sohn der Familie verschwand. Vor drei Jahren hatte die Menschen in ihrem Umfeld die schreckliche Nachricht bekommen. Auch Adelaide fühlte sich betroffen, da sie Mr Hainsworth als angenehme Bekanntschaft empfand. Sie habe öfters mit ihm auf Bälle getanzt und zu hören dass der junge Mann entweder entführt oder getötet wurde, brach ihr fast das Herz. Jahre waren vergangen und die Familie hatte sich zurückgezogen – was Adelaide als verständlich empfand.

Die Stille wurde durch ein leichtes Klopfen unterbrochen.
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[A/N: Ich hatte das Chapter 2x upgeloadet und Wattpad scheint Probleme zu haben es anzuzeigen oO komischerweise war es danach nicht mehr auf Wattpad; weiß jetzt nicht ob es gelöscht wurde oder nicht -.- deswegen uploade ich es nochmals.]

Die Perle der SeeWhere stories live. Discover now