V.

7.2K 436 40
                                    

Robin Stonebridge war seit Jahren im Dienst der Familie Kingston, und mochte seine Aufgabe als Kutschenfahrer. Die Bezahlung war ganz in Ordnung, aber das war nicht der Grund für seine Freude, sondern die Gesellschaft der ältesten Tochter der Kingstons, die sich ihm bot wenn er sie herumkutschierte. Er war recht angetan von ihr, wusste aber, dass er nicht die leiseste Chance hatte, sich ihr auch nur anzunähern. Es war ihm nicht gestattet und er wusste diese Regeln auch zu beachten. Dennoch erlaubte er sich, sie manchmal zu beobachten; Es war eine einfache Schwärmerei und er war sich bewusst, dass diese nicht von langer Dauer sein würde. Und trotzdem freute er sich, als er damit beauftragt wurde, sie und Miss Bennet herum zu kutschieren. Auch wenn es nur für eine kurze Strecke war. Er hatte die rothaarige Schneiderin noch nie persönlich kennengelernt, sondern nur von ihr gehört. Man beschrieb sie als freches Gör, obwohl ihre braunen Knopfaugen diesen Eindruck nicht vermittelten, bis zu dem Moment, wenn ihr Mund sich öffnete und sie ihre Meinung den anderen Menschen an den Kopf warf. Trotz allem respektierten und bewunderten viele ihre Kunst der Schneiderei; und das war wahrscheinlich auch der Grund, warum man sie trotz ihrer „Schwächen" engagierte. Das Personal des Hauses war oft belustigt von Gabriellas dreisten Kommentaren gegenüber der hohen Gesellschaft und Robin war gespannt wie sie sich auf der Fahrt geben würde.

„Was für ein hochnäsiger Hund dieser Captain ist."

Robin fiel fast die Kinnlade herunter, nachdem Miss Bennet diesen Kommentar ohne ein nervöses Zucken von sich gab. Sie waren nun vor der Kutsche und der junge Fahrer begrüßte beide Damen freundlich und öffnete ihnen die Tür. Für Gabriella war ein solches galantes Benehmen eine neue Erfahrung – da die meisten sie so oft wie möglich mieden um ihr keine Angriffsfläche zugeben, die sie ausnutzen konnte. „Danke", bemerkte Gabriella bevor Adelaide ihr auf ihre vorherige Bemerkung antwortete.

„Gabby, du kannst solche Aussagen doch nicht laut aussprechen", flüsterte Adelaide mit einem versteckten Lächeln.

„Mein Gott, ist die Kutsche groß", gab Gabriella laut von sich, und Adelaide dachte dass die Schneiderin nun doch das Thema gewechselt hatte, was sie begrüßte.

„Wenn ich sie fahren würde, würde ich diesen arroganten Captain damit eins reinwürgen. Ich würde dieses Gefährt als Waffe benutzen", fügte sie mit einem dreisten Lachen hinzu, dass Stonebridge blass erschienen lies. Er hätte nie erwartet, dass sie so in Anwesenheit einer Adligen redet. Adelaide ließ nur einen leichten Seufzer über ihre Lippen gleiten. Mit Gabriella über Captain Hillsfield zu reden würde nichts bringen. Es würde sie nur weiter dazu bewegen, ihren Hass gegenüber ihm zu schüren. Danach würde sie ihn konfrontieren wollen, um all ihre aufgebaute Wut irgendwo abzuladen. Und dieses Wortgefecht wollte sie nicht miterleben. Auf keinen Fall. Niemand wollte einen verbalen Krieg mit Gabriella Bennet anfangen.

„Bitte verzeihen Sie ihr Verhalten."

Der Kutschenfahrer schaute zu der Miss auf, die er bewunderte und nickte mit einem Lächeln.

„Miss!" erklang es laut hinter den zwei Frauen und Adelaides Anstandsdame Mrs Gibbs huschte noch aus dem Haus, um beide zu begleiten. Als die zwei Pferde in Bewegung setzten, dauert es nicht mal zehn Minuten, bis sie am Zielort ankamen.

Der Kutschenfahrer war schon fast vor Gabriellas Schneiderei vorgefahren, als Adelaide mit der Rothaarigen die Kutsche verließ um sich zu verabschieden. Sie bekräftigte ihren Wunsch, sie bald wieder zu sehen, was Gabriella mit einem Schmunzeln bestätigte.

„Natürlich", sagte sie, „Mrs Kingston erwartet ja auch, dass ich dieses rote Rosen Kleid für dich anfertigen."

Adelaides Augen weiteten sich. „Oh . . . Das hab ich schon fast vergessen", murmelte sie. Als Gabriella die Tür zur Schneiderei öffnete, schallten urplötzlich Schüsse durch die Stadt. Sekunden später hörte man eine Explosion, die die angenehme Stimmung in der Hafenstadt störte. Adelaide, die geschockt die Gegend beobachtete, suchte nach der genauen Quelle der Explosion. Im Gegensatz zu ihr, war Gabriella genervt. Die junge Dame war noch von dem vorherigen Ereignis – mit Captain Hillsfield – gedanklich beeinträchtigt und gab ihm die Schuld an der Unruhe. „Müssen deren Militärübungen so laut sein?" fragte sie mürrisch nach, und zeigte damit, dass ihre Nervosität nicht anwesend war.

Die Perle der SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt