XXVIII

3.9K 274 3
                                    

Allie saß ungeduldig am Bettrand und betrachtete ihre Freundin mit müden Augen. Die ganze Nacht hatte sie über das Gesagte nachgedacht. Die Informationen, die sie von Stellan am Abend erhalten hatte, wühlten sie auf.

Gabriella hatte eine Mutter und einen Halbbruder, die vor einer schrecklichen Vergangenheit geflohen waren. Letzterer wurde Opfer von den Taten der Barbaresken und musste nun unter Umwegen befreit werden. Nie hätte die Dunkelhaarige sich erträumt, ein solches Drama mitzuerleben – würde sie zu Hause eine solche Geschichte erzählt bekommen, hätte sie ein Theaterstück geschrieben. Und trotzdem war dieser Vorfall realistischer als sie sich denken konnte.

Sie fokussierte sich wieder auf die Rothaarige, die hin und her durchs Bett rollte. Es würde ein anstrengender Tag für Beide werden.

„Ich verfluche dich", grummelte die Schneiderin, als sie das Kissen auf ihren Kopf drückte. Noch nie in ihrem Leben, schmerzte Gabriellas Kopf so sehr wie an diesem morgigen Tag. Als der erste Sonnenstrahl sie weckte, fühlte sie sich als wäre sie brachial mit einer Mauer zusammengestoßen. Das Öffnen der Augen war so anstrengend für sie, dass sie das Ausführen dieser Aufgabe als Erfolg, ja schon als Weltwunder bezeichnete. Obwohl sie noch nicht ganz wach war, wusste sie was und wer an dieser Misere Schuld trug: Der Alkohol und Höllenfeld. Ersterer war pure Logik, während Letzterer ihre Ausrede war um einen Sündenbock für ihren vor Schmerz platzenden Kopf zu finden. Ihrer Meinung nach, war Edwin auch nicht unschuldig an ihrem Vorhaben, Alkohol zu trinken, gewesen. Er hatte ein Bier bestellt und sie hatte sich einfach an seiner Wahl orientiert. Ihr rauer Hals brachte die Rothaarige zum Husten, was die Kopfschmerzen nur verschlimmerten und sich ihr Schädel anfühlte, als würde er von tausenden von Nadeln zerstochen werden.

„Aua . . . Mein Kopf", murmelte sie wieder, als sie sich langsam umdrehte und Allies Figur bemerkte. Zuerst fiel ihr nicht auf, welchen inneren Konflikt diese mit sich hatte, denn die Sonnenstrahlen erhellten den Raum in einer Helligkeit, die Gabriella zum Zusammenkneifen ihrer Augenlider zwangen.

„Warum ist das so hell?"

Adelaides Miene änderte sich; sie lächelte fast schon erleichtert bevor sie ihrer Freundin eine plausible Erklärung für ihre Frage gab, „Das ist Sonne."

„Man erblindet ja fast schon . . . Kein Wunder, dass Ikarus wegen der Sonne starb."

„Machst du gerade wirklich einen Vergleich zwischen deinen Kopfschmerzen und einer tragischen mythologischen Figur, dessen Flügel schmolzen und ihn so zu Fall brachten?"

„Ja . . . Nur dass meine Schmerzen durchaus dramatischer sind . . ."

Das Thema war zum Lachen, was Adelaide auch fast tat, als sie die nüchterne Erkenntnis der Schneiderin hörte.

„Ich hoffe Höllenfeld hat einen angenehmen Tag."

„Du meinst einen genauso schrecklichen?" fragte Allie nach. „Da muss ich dich leider enttäuschen, er ist putzmunter."

„Diese verdammte Hanswurst!"

„Gabby!" Die Ermahnung war lauter ausgesprochen als gedacht, und Gabriella schlug sich beide Hände an ihre Ohren. Die Umgebung müsste sich an Gabriella orientieren, ob es die Helligkeit oder der Geräuschpegel war, die Rothaarige würde sich sonst in einem Fass verstecken. Nur Gott wusste wie Edwin sich benehmen würde: Gabby war sich sicher dass er ihr Auflauern würde und sie mit Geschreie oder sarkastischen Bemerkungen aus der Fassung bringen wollte.

„Nicht so laut Allie", verkündigte sie leise und stützte ihren Oberkörper mit Schneckentempo auf ihre Ellenbogen. Obwohl ihr Bauch sich komisch anfühlte, hatte Gabriella das Bedürfnis etwas zu Essen, um ein wenig zu Kräften zu kommen. „Hast du schon gegessen?"

Die Perle der SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt