Serendipity || h.s. ✓

By dezemberwind

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„Er war ihr Abenteuer und ihr Untergang zugleich." Harry Styles hat genug von der Liebe. Doch dann befindet e... More

vorwort
prelude
prolog
1 | sonorous
2 | languid
3 | quiescent
4 | murmur
5 | halcyon
6 | plethora
7 | caprice
8 | nebolous
9 | maladroit
10 | coruscate
11 | dulcet
12 | desultory
13 | radiant
14 | Susurration
15 | suffuse
16 | ebullient
17 | penumbra
18 | felicity
19 | coalesce
20 | surreptitious
21 | effervescent
22 | mellifluous
23 | pyrrhic
24 | cynical
25 | inexorable
26 | resonant
27 | evocative
28 | felicity
29 | resplendent
30 | petrichor
31 | enchanted
32 | vestige
33 | beguile
34 | afar
35 | enrapture
36 | moiety
37 | amorphus
38 | crescent
39 | shriek
40 | zenith
41 | coarse
43 | inexorable
epilog
danksagung

42 | dalliance

687 53 34
By dezemberwind

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| 42 |

d a l l i a n c e

märz 2015

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Harry || Der Satz fliegt durch meinen Kopf, dreht seine Kreise und ist mir dennoch vollkommen unverständlich. So unwirklich, als wüssten meine Gedanken nicht, wie sie ihn überhaupt aufnehmen sollen.

Mit aufgerissenen Augen starrt Niall den Jungen aus Bradford an. „Wie bitte?"

„Ich steige aus", wiederholt Zayn langsam, die Stimme bedacht.

Gestern bin ich noch geflogen, mit Adrenalin in meinem Körper und Glück in meinen Adern. Die Bühne hat mich verzaubert, hat mich vollkommen frei fühlen lassen. Als müsste ich nur die Augen schließen und könnte immer höher fliegen, ohne jemals abzustürzen.

Jetzt jedoch lande ich krachend auf dem Abgrund und meine Welt wird aus den Angeln gerissen. Nichts ist mehr so, wie es einmal war.

„Das kann nicht sein", flüstere ich und fahre mir durch die Haare, die Locken noch feucht von der Dusche, die ich vorhin eilig in meinem Hotelzimmer genommen habe, bevor wir uns in diesem Raum getroffen haben. „Das kann einfach nicht wahr sein."

„Es ist keine leichte Entscheidung gewesen. Ich habe lange darüber nachgedacht, aber es ist das Richtige", meint Zayn, während er jedem von uns in die Augen sieht.

Mein Blick gleitet zu dem Sofa in der Ecke, damit ich ihn nicht ansehen muss. Es ist voller bedruckter Blumen und wirkt viel zu farbenfroh an diesem Abend, der meine Welt in Schwarzweiß taucht. Alles in diesem Raum ist überladen und ich erinnere mich noch, wie beeindruckt ich gewesen bin, als ich ihn vorhin betreten habe. Damals dachte ich auch noch, dass Zayn uns hierhergebeten hat, um über seinen Junggesellenabschied zu sprechen. Stattdessen zerstört er gerade seine Band mit seinen Fingerspitzen und drückt mir die Luft aus den Lungen.

Ich will sprechen, aber kein Wort kommt über meine Lippen.

Louis schnaubt trocken. „Das Richtige? Für dich vielleicht. Hörst du dich überhaupt reden?"

„Ich höre mich reden." Zayn verschränkt die Arme, während er sich ein Stück weit aufrichtet, die Stimme erhoben, laut genug, dass man uns sicherlich auf dem Gang noch hören kann. „Du hörst mir bloß nicht zu. Wie immer, Louis. Hauptsache du kriegst alles, was du willst."

Mein bester Freund stellt sich auf die Zehenspitzen und macht einen Schritt in Zayns Richtung, ihre Blicke dabei, sich gegenseitig zu verbrennen. Hilfesuchend sieht Liam mich an, doch ich kann mich nicht bewegen. Schließlich ist es Liam selbst, der zwischen die beiden geht und sie unsanft wieder auseinanderschiebt.

„Beruhigen wir uns erst einmal", meint Liam bestimmt. „Warum willst du aussteigen, Zayn?"

Alles kommt mir so grotesk vor. Wir sitzen in einem kleinen Raum in dem Hotel, in dem wir in den nächsten Tagen abgestiegen sind. Mitten in Hong Kong und eigentlich hätten es ein paar schöne Stunden werden sollen. Stattdessen geht nun alles in Flammen auf.

„Weil ich genug habe. Ich kann einfach nicht mehr. Diese Band macht mich krank!"

Jedes Wort von ihm fühlt sich an wie ein harter Schlag in den Magen. Schwerter können verletzen, Wörter können einen vernichten.

„Das ist doch absoluter Bullshit", flucht Louis mit geballten Fäusten. „Wenn wir dich krank machen, warum bist du dann überhaupt noch hier? Verschwinde doch einfach!"

„Nicht ihr macht mich krank." Zayn kratzt sich am Nacken, während er unsere Blicke sucht. Ich weiche ihm aus, Niall sieht mit herabgesenkten Schultern hilflos neben mir auf den Boden und Louis wirkt, als würde er jeden Augenblick explodieren. Liam ist der Einzige, der Ruhe ausströmt, doch das kann auch nur eine Täuschung sein, denn er versteht es hervorragend, seine Gefühle zu verstecken. Allerdings wirkt er nicht ganz so geschockt wie wir anderen und ich habe die dunkle Vermutung, dass er es bereits wusste.

„Aber die Band macht es und all diese Regeln, die wir bekommen", ergänzt Zayn tonlos. „Ich habe einfach genug."

„Wie erwachsen von dir, einfach wegzurennen", stößt mein bester Freund aus. „Lauf doch zu Mami und heul dich bei dir aus. Oder Perrie, aber hey, da musst du ja hoffen, dass sie dich nicht schon wieder mit einer anderen im Bett erwischt. Warum sie überhaupt noch bei dir bleibt, ist mir ein Rätsel. Sie hat nämlich wirklich Besseres verdient als dich, Arschloch."

Zayns Hand landet so schnell in dem Gesicht meines besten Freundes, dass es eine weitere Sekunde braucht, bis ich es überhaupt realisiert habe. Mit einem tonlosen Lachen legt Louis sich seine Hand über die sich bereits rötende Wange und holt dann ebenfalls aus. Sein Schlag trifft Zayn mitten am Kiefer, der beunruhigend knatscht.

„Okay, das reicht!" Fluchend schiebt Liam sich zwischen die beiden. „Es reicht, Leute! Beruhigt euch mal wieder!"

Eilig halte ich meinen besten Freund fest, während Niall mühevoll Zayn zurückhält.

„Zayn ist ein verfickter Hurensohn. Der kann doch gar nichts anderes, als alle andauernd zu enttäuschen. Wir hätten damit rechnen sollen, dass es uns auch irgendwann trifft", brüllt Louis. Dabei trifft er mich mit seinem Ellbogen mitten in den Bauch, als er versucht, sich von mir loszureißen und sich erneut auf unseren Bandkollegen zu stürzen.

„Weil du der Heilige vom Dienst bist, oder wie?", zischt Zayn in Louis' Richtung. „Vielleicht kümmerst du dich erst einmal um deine eigene Beziehung, bevor du dich auf meine stürzt."

„Meine Beziehung läuft bestens, vielen Dank", entgegnet Louis mit hochgezogener Augenbraue.

Ich zucke zusammen, denn ich weiß, dass es eine Lüge ist. Doch mein bester Freund hat bereits seine Mauern hochgezogen, wie immer, wenn die Gefahr besteht, dass ihn jemand verletzt. Dann wird er kalt und berechnend, was in diesem Augenblick einfach nur alles noch schlimmer macht.

„Fick dich doch, Louis."

„Können wir uns bitte nicht streiten?", bittet Niall flehend.

Als ich zu dem Iren herüber sehe, kann ich Tränen in seinen Augen glitzern sehen und in diesem Moment verwandelt sich die Erstarrung in meinem Bauch langsam in Wut. So langsam beginne ich zu realisieren, was überhaupt auf dem Spiel steht. Unsere Band zerbricht.

„Wir würden uns gar nicht streiten, wenn Zayn sich nicht so jämmerlich verziehen würde", merkt Louis mit kalter Stimme an.

Dieser funkelt ihn daraufhin mit Wut im Blick an. „Du hast doch bloß Angst, dass du es Solo nicht schaffst, Louis. Dabei wissen wir alle, dass Harry die nächste Gelegenheit sowieso nutzt, die er kriegt!"

Zum ersten Mal heute Abend finde ich genug Luft, um Worte über meine Lippen zu zwingen.

„Das ist nicht wahr. Ihr wisst, dass das nicht wahr ist", murmele ich und sehe meine Bandkollegen an. Doch dieses Mal sind sie es, die meinem Blick ausweichen.

„Wir wissen alle, dass du es Solo versuchen willst", meint Zayn schnaubend. „Also lüg uns nicht an."

Louis verschränkt die Arme. „So wie du uns angelogen hast?"

„Ich werde nicht Solo durchstarten", fluche ich und mache einen Schritt in Zayns Richtung, bis ich seine dunklen Augen direkt auf mir fühle. Ich bin größer als er, fühle mich gerade jedoch jämmerlich klein. „Jedenfalls nicht so. Also hör auf, dass mir in die Schuhe zu schieben. Es ist deine verdammte Entscheidung."

„Nette Geschichte, Harold." Zayn verzieht die Lippen zu einer Grimasse, die die Wut in meinem Bauch zum Brodeln bringt. Ich bin kein gewaltbereiter Mensch, aber gerade bin ich kurz davor, einfach auszuholen.

„Ich steige nur aus, solange es noch geht. Diese Band wird irgendwann in den Abgrund rutschen", meint Zayn und sieht dabei aus, als würde er auch noch Zustimmung erwarten.

„Und du gibst ihr gerade einen ganzen Schubs nach unten." Louis Stimme klingt eisig.

„Du kannst nicht... du kannst nicht einfach aussteigen", murmelt Niall und wirkt so verloren neben mir, dass ich ihm einen Arm um die Schulter lege. Er schüttelt ihn wieder ab und verletzt mache ich einen Schritt nach hinten.

„Ich habe mich heute Morgen rausgekauft aus dem Vertrag", erzählt Zayn uns tonlos.

Niall schüttelt ungläubig den Kopf. „Aber wir sind doch Freunde."

Zayn zuckt mit den Achseln, so herrlich arrogant, dass mein bester Freund erneut auf ihn losgegangen wäre, wenn Liam ihn nicht gerade noch erwischt hätte. „Sind wir das?"

„Du gerade jedenfalls nicht. Du bist einfach ein Arschloch", wirft Louis ihm vor.

Wir können die beiden gerade noch festhalten, bevor sie wieder aufeinander losgehen. Ein Teil von mir ist ebenfalls bereit, meine Faust ebenfalls in Zayns Gesicht krachen zu lassen. Einzig Niall, der vollkommen zusammengesunken auf einen der Stühle gefallen ist, hält mich davon ab.

Liam macht einen Schritt auf Zayn zu und legt ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Vielleicht willst du einfach noch einmal darüber nachdenken und –"

„Ich habe mich bereits entschieden", meint Zayn und klingt dabei so sicher, dass es keine Zweifel gibt. „Ich bin ab morgen kein Teil mehr von One Direction."

Die Bombe, die in letzter Zeit immer drohender geworden ist, explodiert nun letztendlich.

Louis dreht sich wortlos um und verschwindet aus dem Raum, als wäre Zayn kein einziges seiner Worte mehr wert. Einzig an seiner angespannten Schulterpartie erkenne ich, dass er kurz davor ist, in Weinen auszubrechen.

Fluchend eile ich meinem besten Freund hinterher, doch als ich ihn endlich drei Etagen später eingeholt habe, schüttelt er mich ab.

„Alles wird gut, Haz", murmelt Louis leise. Er hat ein Lächeln auf den Lippen, doch es erreicht seine Augen nicht und ich weiß, dass er es nur meinetwegen nach oben zwingt.

Ich habe es so satt, dass alle mich anlügen.

Erst Zayn, dann Louis. Und ich habe das dunkle Gefühl, dass Liam von dem Ausstieg schon länger geahnt hat, als er zugegeben wird.

„Alles wird gut", sagt mein bester Freund erneut.

Ich weiß, dass es nur leere Worte sind. Genauso wie all die Versprechen, die ich Ally gegenüber ausgesprochen habe. Zum ersten Mal verstehe ich wirklich, wie sehr ich sie damit verletzt habe.

„Nichts ist gut. Es ist ein verdammtes Desaster", fluche ich.

„Ich weiß, Haz. Aber ich kann jetzt nicht reden", flüstert Louis mit glänzenden Augen. „Ich muss einfach alleine sein. Du musst selbst klar kommen, denn ich kann gerade nicht dein Halt sein."

Dann eilt mein bester Freund den Flur entlang und verschwindet in seinem Hotelzimmer.

Als die Tür zuknallt, wird mir bewusst, wie alleine ich mich fühle. Kurz überlege ich, zurück zu den anderen Jungs zu gehen, doch gerade will ich keinen sehen. Ich will einfach nur noch vergessen.

One Direction ist Geschichte.

Alles ist anders, jede Sekunde zieht mich weiter auf den Abgrund herunter.

Wie in Trance setze ich einen Schritt vor den anderen, schiebe mich den Gang herunter, bis ich schließlich die Aufzüge erreiche. Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit, bis der Lift endlich kommt und mich ins Erdgeschoss befördert.

Ich könnte umdrehen, könnte Niall suchen oder mich in Liams Arme retten, aber gerade will ich keinen sehen. Gerade fühle ich mich einfach vollkommen allein.

Zwischen all diesen Menschen in der Lobby kommt es mir vor, als wird mir die Luft aus den Lungen gepresst. Mit starrem Blick eile ich über den gefliesten Fußboden, weiche allen aus und hoffe einfach, nicht erkannt zu werden. Ich brauche Abstand, brauche gleichzeitig keinen und weiß eigentlich gar nicht, was ich überhaupt brauche.

Ich befinde mich im tiefen Fall, sinke immer weiter nach unten und egal wie weit es geht, komme ich dennoch nie am Boden auf. Ein endloser schwarzer Abgrund wartet auf mich und ich fürchte mich davor, dass mich die Dunkelheit überwältigt.

Als ich nach draußen trete, ist es gerade kurz nach Mittag, doch mir kommt es vor wie tiefste Nacht.

„Ein Taxi", meine ich tonlos zu dem Portier vor der Tür und lasse mich Minuten später auf die Rückbank des Autos fallen. Vielleicht sind es auch Sekunden oder bereits Stunden, die vergangenen sind, mein Zeitgefühl ist mir abhandengekommen.

„Zur nächsten Bar", sage ich dem Fahrer und schließe dann die Augen, in dem Versuch, alles zu verdrängen.

Doch die Schwärze ist immer noch da, die Einsamkeit saugt mich auf, zieht mich in ihre Klauen, verbrennt mich am lebendigen Leib.

Ich ersticke und niemand hält es auf.

Mit zittrigen Händen ziehe ich mein Handy aus der Tasche und versuche Ally zu erreichen. Ich muss ihre Stimme hören, muss mich an sie klammern können, doch sie geht nicht dran.

Ich sinke weiter.

Irgendwann, Minuten oder Stunden oder Sekunden später, hält der Taxifahrer vor dem Club. Ich ziehe meine Kreditkarte und tippe irgendeinen Betrag ein, ohne überhaupt zu rechnen. Es ist egal, alles ist egal. Zayn geht und mein Leben zerbricht und ich bin allein.

Ich bin ganz allein.

Die Bar, vor der mich der Taxifahrer rausgeworfen hat, sieht abgewrackt aus. Glänzende Leuchtschilder blinken über der Tür und daneben und auch im Inneren, einzige Buchstaben bereits erloschen. Sie sind nur noch spärlich am Leben, jeden Augenblick dazu, zu erlöschen. Ich bin der nächste, der sein Licht verlieren wird.

Ich bin froh darüber, dass die Bar kaum besucht ist und lasse mich an die Bar fallen, den Rücken zur Tür.

„Ein Bier", bestelle ich und muss mich dreimal wiederholen, weil mich der Barkeeper nicht versteht.

Vielleicht spricht er kein Englisch, vielleicht bin aber auch ich meiner eigenen Sprache nicht mehr mächtig.

Alles gleitet aus meinen Fingern und ich falle immer weiter hinab.

Der Barkeeper schiebt mir ein volles Glas herüber, die Flüssigkeit leicht überschwappend und kurz davor, herunterzustürzen. Mein Abgrund zittert.

Als ich an meinem Bier nippe, schmeckt es bitter. Ich kippe es in Rekordschnelle herunter und bestelle ein weiteres.

Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und versuche erneut, meine Freundin zu erreichen. Landen tue ich bloß auf ihrer Mailbox, aber immerhin hilft mir ihre Stimme dabei, mich ein wenig am Leben festzuklammern.

„Hey, Al. Ruf mich an, wenn du das hier hörst. Bitte. Ich brauche dich", flüstere ich ins Telefon. „Ich brauche dich gerade so verdammt sehr und muss mit jemandem reden. Alles zerbricht und ich... Ich ersticke. Also ruf mich an. Bitte."

Ein weiteres Bier landet vor mir und ein weiteres. Während jedem wage ich einen neuen Versuch, Ally zu erreichen.

„Ich brauche dich, Al. Also bitte ruf mich an."

Sie hebt nicht ab.

„Bitte, ich werde gerade wahnsinnig. Alles zerbricht. Alles zerbricht und es zerbricht. Und ich mache keinen Sinn, ich weiß, aber ich bin verloren."

Vielleicht ist es bei ihr zu früh oder zu spät, vielleicht sitzt sie gerade in der Uni. Ich bin gerade nicht in der Lage, die Zeitumstellung zu berechnen und sehe einfach nur verloren auf mein Handy herunter.

„Ruf mich an. Bitte geh einfach dran", flehe ich.

Zwanzig weitere Anrufe vergehen.

„Bitte, Al. Ich fühle mich, als würde ich ertrinken."

Ein weiteres Bier folgt, ein weiterer Anruf und ein weiteres Mal die Mailbox.

Dieses Mal jedoch bekomme ich die Nachricht, dass ihre Kapazität ausgeschöpft ist. Damit ist Ally unerreichbar für mich und ich breche auf meinem Stuhl zusammen.

In diesem Augenblick bin ich nicht nur allein, sondern vor allem so einsam.

Ich werde von der ganzen Welt verschluckt.

„You okay?", fragt der Barkeeper mich in gebrochenem Englisch.

Ich schenke ihm ein Lächeln oder versuche es zumindest. Wahrscheinlich erinnern meine hochgezogenen Lippen eher an eine Grimasse. Doch selbst jetzt, selbst während das Universum zerbricht, kann ich nicht ganz ich selbst sein. In diesem Moment kann ich Zayn sogar ein wenig verstehen. Im nächsten überwiegt die Wut und ich werde von dem Strudel erstickt.

„Alles okay", versichere ich dem Barkeeper, der mich stirnrunzelnd mustert.

Kurz hoffe ich, dass er meine Lüge erkennt, erkennt, dass ich gerade innerlich ertrinke. Vielleicht kann er das Wasser anhalten, vielleicht kann er mir Luft geben, während meine Lungen sich fühlen, als würden sie jeden Augenblick explodieren.

Doch er sieht mir nur kurz in die Augen, dann wendet er den Blick ab und verschwindet ans andere Ende der Bar, um ein paar Gläser zu polieren.

Ich zerbreche.

Der ganze Abend erinnert mich grotesker Weise an einen Nachmittag vor so vielen Jahren. Ich habe viele der Erinnerungen an meine Kindheit nur noch verschwommen im Kopf, aber diesen einen alles verändernden Tag werde ich niemals vergessen. Die Worte meines Vaters, dass meine Eltern nun getrennte Wege gehen würden, die tröstende Stimme meiner Mutter, die Abwesenheit von ihm, als mein Dad einfach gegangen ist.

Danach ist es nie wieder dasselbe gewesen. Meine Welt war zerbrochen und nie wieder gänzlich zusammengewachsen.

Nach dem heutigen Abend wird es nicht anders sein.

Mit zittrigen Händen sehe ich auf mein Handy herunter, doch es bleibt schwarz. Ally ruft nicht an und damit bin ich wahrlich alleine. Ich dachte, dass ich zumindest sie hätte, aber anscheinend bin ich selbst sie nicht wert.

Alle verlassen mich.

„Hier. Geht aufs Haus", meint der Barkeeper schließlich und schiebt mir ein weiteres Bier herüber. Oder zumindest glaube ich, dass das seine Worte sind, denn ich verstehe sie nur noch halb.

Ich kippe das Getränk herunter, in der Hoffnung, dass es das Eis in meinem Inneren vertreibt. Es brennt wie Feuer durch meine Adern und dennoch ertrinke ich immer weiter in der Kälte.

Mit tauben Händen drehe ich das Glas zwischen meinen Finger, sehe dem Rest der Flüssigkeit dabei zu, wie sie leicht an die Ränder schwappt und dann in Wellen wieder nach unten bricht. Sie kämpft, mit allem, was sie hat. Am Ende verliert sie doch.

Die Sekunden gleiten durch meine Finger, werden zu Minuten und lassen sich nicht aufhalten. Egal wie sehr ich versuche, sie zu klammern, sie rutschen mir immer wieder davon. Wie das Leben, das ich dachte, gehabt zu haben. Es ist mit einem Knall explodiert und zieht mich nun in seine Flammen herunter, während alles in mir Eis ist. Ich verbrenne und erfriere zur selben Zeit.

„Hey Hübscher."

Ich brauche einen Moment, bis ich merke, dass ich gemeint bin.

„Darf ich mich setzen?"

Achselzuckend sehe ich auf mein Glas herunter, denn ehrlich gesagt ist es mir egal. Alles ist egal geworden, von einer Schicht verdeckt und die Realität fühlt sich an wie eine einzige Schlacht gegen das Leben.

„Du bist Harry, oder? Von One Direction?"

One Direction gibt es nicht mehr, würde ich am liebsten schreien. Doch stattdessen bleibe ich stumm und drehe meinen Kopf ein wenig in ihre Richtung.

Sie ist auf einzigartige Weise wirklich hübsch. Große, braune Augen. Lange Haare, die sich an den Spitzen ein wenig locken. Aber am Einnehmendsten ist das sympathische Lächeln auf ihren vollen Lippen.

„Du kommst auch nicht von hier, oder?", fragt sie mich.

Achselzuckend sehe ich wieder in mein Glas herunter, denn sie kennt die Antwort auf diese Frage bereits.

„Keinen guten Tag gehabt?"

Meine Gedanken wirbeln und rufen das Gespräch wieder zurück. Zayns endgültige Worte, all das Geschrei, all die Enttäuschung. All die bittere Enttäuschung, die mich erstickt und mir genau so viel Luft zum Atmen lässt, dass sie mich immer wieder hinabziehen kann auf den Abgrund. Es ist hart dort unten, ein tiefer Fall in die Dunkelheit, der nie aufhören zu scheint.

„Kann man so sagen", entgegne ich mit rauer Stimme.

Sie blinzelt mich an. „Willst du darüber reden?"

Innerlich schreie ich, äußerlich bin ich stumm.

„Also nicht", stellt sie fest. An einem anderen Tag hätte ich gelacht, heute jedoch bleibe ich einfach stumm. Ich fühle nichts mehr, bin nur noch leer und voller Dunkelheit und das ist das Schlimmste.

Ihre Hand legt sich neben meine auf dem Tresen. „Willst du dann vielleicht ein bisschen Ablenkung?"

Ich fahre mir durch die Haare und sehe ihr das erste Mal wirklich ins Gesicht. „Was für Ablenkung?"

Statt zu antworten, küsst sie mich und ich bleibe wie erstarrt sitzen.

Einen Augenblick lang fühle ich mich weniger einsam.

_________________

Hallo ihr Lieben,

Hiermit haben wir nun schon das vorletzte Kapitel erreicht. Es folgen noch ein Kapitel und ein Epilog und dann war es das. Irgendwie kann ich es noch nicht so ganz glauben.

Das nächste Kapitel gibt es wohl irgendwann nächste Woche und den Epilog kurz darauf.

Ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende!

Bis zum nächsten Mal.

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